Da staunt der Laie

Lady Ashtonburry steht neben mir und seufzt, klagt über die kaltherzige Verwandten. Sie ist Witwe geworden, wir befinden uns in Schottland auf der Trauerfeier in Schloss Darkwood, zahlreiche Gäste sind gekommen. Lady Ashtonburry schwebt nun davon zu einem anderen Tisch, plaudert, leidet. Es gibt ein Vier-Gänge-Menü, mysteriöse Entwicklungen, ein Mord: Vor unseren Augen wird der Halbbruder des seligen Lord Ashtonburry vergiftet. Von Scotland Yard erscheint ein Inspektor.

Keine Panik, wir befinden uns bei einem Krimidinner, aber hier muss etwas ganz anderes aufgeklärt werden. Säße nicht der geliebte Engländer neben mir – ich hätte ich es nie erfahren. (Was weiter nicht schlimm wäre).

Jedenfalls muss man zunächst wissen, dass es in London streets, alleys und yards gibt (keine roads übrigens), und wie es bei uns die Königsberger Straße gibt oder den Berliner Platz, gibt es in London die Liverpool Street oder den Scotland Yard. Scotland Yard ist zuerst einmal eine Straße. Hier – wir ahnen es schon – befindet sich das Gebäude der Kriminalpolizei , des Metropolitan Police Service. Er ist noch nicht einmal für die City von London zuständig, aber für die anderen Bezirke der Stadt.

Wie kommt es nun, dass alle Welt glaubt, das umgangssprachlich Scotland Yard genannte Polizeirevier als für ganz Großbritannien zuständig zu erklären? Wir wissen es nicht. Vermuten aber, dass Sherlock Holmes, (den es nie gegeben hat), für die Bekanntheit dieser Londoner Einheit beigetragen hat. Wurde er doch von Scotland Yard in der Regel um Unterstützung gebeten, wenn sie selbst nicht weiterkamen.

Zurück zu unserem Theaterstückchen zwischen den Tischen der Gäste: Scotland Yard ist wie gesagt ausschließlich für einen Teil Londons zuständig, nicht für den Rest von England und schon gar nicht für Schottland. Das wusste der Autor des Theaterstücks offenbar nicht. Aber der Engländer neben mir.

Des weiteren, schmunzelt er, ist „Ashtonburry“ ein englischer Name, kein schottischer.

Außerdem gibt es in Schottland kaum Lords oder Ladys, sondern Dukes, Earls, und wenn doch ein vereinzelter Lord herumgeistert, dann ist es ein Laird.

Milady und Milord, wie wir im Theaterstück angesprochen werden, gibt es ebenfalls nicht, weder in England noch in Schottland, nur in Deutschland. Im Königreich wird Mylord und Mylady als Mailord und Mailady ausgesprochen. So. Jetzt wissen wir das auch.

Am Ende stimmen die Schauspieler „God save the Queen“ an, was an sich nicht falsch wäre, spielte das Stück nicht vor etwa hundert Jahren. Damals regierte aber irgendein Georg oder Edward, „God save the King“ wäre also korrekt gewesen.

Aber das Beste kommt noch: Das Speisemenü. Ich zitiere die Vorspeise: „Rosa gebratenes Hirsch-Roastbeef mit Feldsalat und Cranberry-Chutney“. Was jetzt, wundert sich Lord Wiseguy neben mir. Hirsch oder Beef? Beides kann es nicht sein, denn Beef ist nun mal Rind.

Ihr seht schon, wir hatten einen vergnüglichen Abend. Den Mörder geraten, gut gegessen, gelacht. Schön wars.

13 Gedanken zu „Da staunt der Laie

  1. Sherry

    Ich staune echt nicht schlecht! Das sind ja mal echt interessante Informationen. Das mit dem Recherchieren ist auch nicht immer eine einfache Sache. Diese Krimi-Dinners sind dafür aber ganz schön teuer. Ich hoffe, ihr hattet dennoch Spaß. Aber ich denke schon … Und geschmeckt hat’s hoffentlich auch!

    Like

    Antwort
    1. Anhora Autor

      Das Essen war ausgezeichnet! Vor allem das Hirsch-Roastbeef, ich schwärme noch immer. 😉

      Ja die Recherchen… Gewisse fehlende Details brauchen uns aber nicht peinlich zu sein. In England und in den USA glaubt man, ganz Deutschland läuft in Lederhosen rum, trinkt Bier, isst Wurst und jodelt dazu. Was ist dagegen schon Scotland Yard in Schottland! 😉

      Like

      Antwort
    1. Anhora Autor

      Und schweineteuer ist es dazu! Aber 1. ist der Liebste Krimi-süchtig, ich muss jeden Abend Krimi gucken mit ihm. 2. hatten wir unseren fünften Jahrestag, und überhaupt: Weihnachten kommt bald, wir haben uns das gegenseitig geschenkt. War ein klasse Abend. 🙂

      Like

      Antwort
  2. Anhora Autor

    @ Sofasophia und wholelottarosie:
    Ich hatte Gelegenheit, mich mit einem der Schauspieler zu unterhalten. Er hat völlig recht wenn er sagt: Wir spielen, was man in Deutschland erwartet! Basiert sind die Stücke auf die früheren Edgar-Wallace-Filme, ich weiß nicht mehr wie realitsnah die mit Schottland umgingen. Ist ja auch egal. Man bedient eben alle Klischees, und den Leuten gefällts, wir hatten ja auch unseren Spaß damit.

    Wobei ich kein einziges unstimmiges Detail entdeckt hätte, aber den Mörder hab ich richtig erraten! Na also. Der Liebste hat nämlich voll daneben gelegen, aber Hauptsache er weiß, was es mit Scotland Yard auf sich hat. 😉

    Like

    Antwort
  3. wholelottarosie

    Oh….das müsste den Veranstaltern doch seeeehr peinlich sein, solch einen schlecht recherchierten Krimi den Gästen anzubieten. Denn man muss ja immer damit rechen, dass ein Fachmann dabei ist. Von Hirsch-Roastbeef habe ich noch nie gehört. Ich kenne nur Rückenfilet, Blatt, Keule, Lende oder Nuss.
    LG von Rosie

    Like

    Antwort
  4. Sofasophia

    da staunt die laiin gleich mit der autorin und ihrem engländer. von solchen krimievents hab ich in der schweiz auch schon gehört.

    doof ist halt, wenn nicht wirklich recherchiert wird, wenn jemand so ein stück schreibt. doof und peinlich. aber lustig kann es ja zum glück trotzdem sein 🙂

    und gut geschrieben ist es zum glück auch … schreib doch das drehbuch für das nexte dinner und lass es ihn deiner umgebung spielen – eigentlich eine spannende herausforderung … 😉

    Like

    Antwort
  5. T.M.

    Also Hirsch-Roastbeef ist nichts Ungewöhnliches. Hier um die Ecke gibt’s einen „vegetarischen Wildteller“ – sagen Sie mir, was das ist. Und die in deutschen Supermärkten zu findende „Kalbsleberwurst (Schwein)“ hat’s auch in sich.

    Man, d.h. der geschätzte Kunde, d.h. der Verbraucher (also das dumme Rindvieh, das wir auf dem Markt übers Ohr hauen) muss heute in der Lage sein, sich das Eine unter dem Namen vom Anderen vorzustellen, und zwar mit samt beiläufiger Eigenschaften drumherum.

    Like

    Antwort
    1. Anhora Autor

      Vegetarisches Wildgemüse kann man sich ja noch vorstellen! Dass Kalbsleberwurst aus Schwein gemacht wird, wusste ich nicht. Ess ich sowieso nicht. Aber über das Hirsch-Beef komm ich nicht weg… 😉

      Like

      Antwort

Das Absenden eines Kommentars gilt als Einverständnis dafür, dass Name, E-Mail- und IP-Adresse durch WordPress bzw. Gravatar gespeichert und verarbeitet werden. Dies dient der Nachverfolgbarkeit bei Missbrauch und Spam. Lasst euch trotzdem nicht abhalten, ich freue mich auf eure Meinungen! :-)

Diese Seite verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden..