Nicht lustig

Protokolle soll man schreiben. Das hilft, sagte der Experte. In einer Talkshow sprach er zu Essgestörten, die festhalten sollen, was sie so knabbern den ganzen Tag. Ich dachte: Das ist eine gute Idee. Dann stellt sich heraus, dass ich mitnichten mehr esse als vor meinem Nichtraucherdasein, dass zwei Kilo völlig aus dem Blauen heraus direkt auf meinen Hüften landeten, ein Phänomen. Die Tabelle, die ich erstellen würde, hatte ich auch schon im Kopf: Was esse ich, wann, wieviel, und warum?

Beim warum blieb ich hängen. Auch ohne Protokoll entdeckte ich schnell, dass ich die Nase selbst dann in den Kühlschrank stecke, wenn ich gar keinen Hunger habe. Zum Beispiel wenn Zeit ist fürs Abendbrot und ich zwar nicht hungrig bin – das Nachmittags-Bounty verhindert das – , aber trotzdem an der Folie des Pfeffer-Bries zupfe und in ein frisches Butterbrot beiße. Einfach weil ich Lust dazu habe, wie ich vorher Lust hatte zu rauchen. Lust auf Lust eben. Und wie das schmeckt! Ich hatte schon befürchtet, meine Geschmacksknöspchen hätten sich verabschiedet für dieses Leben, aber es gibt sie noch. Die dicken Verschorfungen, die giftiger Qualm angerichtet hat, werden wieder dünner

Also doch überflüssige Kalorien. Würde ich nur essen, wenn ich Hunger habe, wären sie leicht eingespart. Was aber ersetzt das Essen? Was ersetzt Zigaretten, was ersetzt lustvolle Pausen? Ich kann doch nicht anfangen, im Stundentakt über den Liebsten herzufallen, schon weil er nicht immer anwesend ist. Und wäre auch zu aufwendig, hab mir dass bereits überlegt, das ist es nicht, was ich meine.

Wie machen Nichtraucher das nur? Womit verlustiert ihr euch?

19 Gedanken zu „Nicht lustig

  1. BOWMORE Darkest

    Das Essen wird zuerst durch die Mahlzeiten reguliert. Feste Termine braucht man, dass man sich schon vorher darauf freuen kann.
    Den kleinen Hunger zwischendurch bekämpft man durch ein ganzes Glas Mineralwasser (oder Leitungswasser z.B.). Voll machen – ganz leer drinken, wenn man kann auf ex oder 2 mal kurz absetzten. Dann hat der Magen zu tun und das Gehirn verlangt nicht nach Essen.
    Das ist mein Trick gegen das Anfuttern.
    Hungergefühle kann man auch noch zusätzlich ablenken: die Arbeit mit einer anderen Tätigkeit unterbrechen (Akten sortieren, stehend oder an einem anderen Tisch), mit jemandem auf dem Flur oder sonstwo reden. Jede Ablenkung hilft. Und, Ruck-Zuck ist das temporäre Hungergefühl wieder weg.
    Es dauert gewiss nicht lange bis man das ganze Procedere im Griff hat. Ehe man sich versieht, denkt man auch nicht mehr an das Rauchen.
    C.H.

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    1. Anhora Autor

      Ohje, lieber C.H. und alle, die ihr hier so fleißig kommentiert und mir die Sache einfacher macht, weil ich mich dadurch mit dem Thema beschäftige und nicht alles im Trüben versinkt, das bald so trüb ist, dass ich doch wieder Zigaretten kaufe zum Aufhellen. Also was ich sagen wollte: Ohje, ich soll also die Mahlzeiten regulieren, viel Wasser trinken, Akten sortieren, Rohkost knabbern, draußen herumrennen. Ihr habt alle Recht. Aber findet ihr nicht, das ist nicht damit zu vergleichen, einfach eben mal rauszugehn und bei einer Zigarette zu entspannen? Es kommt natürlich nciht in Frage, aber die Ersatzmaßnahmen sind schon nicht annähernd so attraktiv … 😉

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  2. Sofasophia

    tja, da ist so was wie eine suchtstruktur bei den einen menschen. ob das jetzt nun sucht nach endorphinen ist oder nach ablenkung, nach dem oder jenem, weiss nur jeder und jede selbst …

    suchtverlagerung hat ebenfalls viele gesichter. meine theorie ist die: ich habe zwar die reale nikotinsucht des körpers nach über 25 jahren rauchen überwunden (und ja, der körper (ausser die lymphen) erholt sich von sowas durchaus – inklusive geschmacksknospen), doch das suchtthema ist noch da und zwar solange, wie die der sucht zu grunde liegenden themen (auslöser) nicht gelöst sind.

    das suchtthema hat viele gesichter. am liebsten ist mir das kreative – will heißen, wenn ich absolut und exzessiv abtauche in schöpferische prozesse (oder wahlweise über den liebsten herfalle, was ja auch irgendwie recht kreativ ist 😉 ).

    naschen tu ich oft, aber ich stehe nicht mehr mit erhobenem schimpfezeigefinger neben mir, denn zum glück ist das nachdenken über den themenkreis kalorien-zunehmen-selbstablehnung nicht mehr eine weiteren suchtverhalten. das war sie früher mal und das war gar nicht schön. es gilt zu akzeptieren.

    ich hoffe, dass ich eines tages meine suchtstruktur auflösen kann. bis dahin gilt selbstliebe üben, statt mich zu verurteilen.

    viel geduld für dich, liebe a. und liebe grüsse, d.

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    1. Anhora Autor

      @Sofasophia und Li Ssi: Den Ursachen für Suchtverhalten auf den Grund zu gehn, ist eine Sache der Psychologen. Ich bin anfällig dafür, das äußert sich nicht nur mit Zigaretten. Es gab schon andere Phasen, da war ich wie du kreativ (hatte noch mehr Zeit) und es war exzessiv. Auch das gibt Kicks. Ach ja, und eine Magersucht war dabei, in jungen Jahren, das wünsch ich niemandem. Aber wegen dem Rauchen geht irgendwie auch keiner zum Psychologen. Und es kann ja nicht sein, dass jeder Raucher schwere Probleme hat. Das stimmt doch auch nicht.

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      1. Sofasophia

        du hast einerseits natürlich recht, wenn du sagst, dass wegen „so was“ niemand zum psychologen geht. ich sehe es jedoch nicht so, dass es die sache der psychologen ist, suchtverhalten zu ergründen. das wäre ja, wie wenn eine mutter die erziehung ihrer kinder an die lehrpersonen delegieren würde, da die ja dafür geschult sind. leider geschieht dies in der praxis immer häufiger, dieses delegatieren von verantwortung!)

        ich finde es wichtig, eigenverantwortlich solchen „monstern“ – wie ich wiederkehrende, energieraubende muster zuweilen nenne – auf den grund zu gehen.
        ob das nun mit einer psychologin/therapie, mit hilfe einer freundin, durch selbstreflektion oder mit hilfe anderer hilfreicher werkzeuge geschieht, ist dabei einerlei und individuell total verschieden. hauptsacheist doch, wir schauen hin und finden unsere bremsklötze. nur so so können wir sie lösen.
        falls wir denn weiterkommen wollen.

        ich wünsch dir auf alle fälle viel power beim nichtraucherin sein!

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        1. Anhora Autor

          Liebe Sofasophia,
          du hast natürlich Recht, es muss kein Psychologe sein. Andere Möglichkeiten führen auch zum Ziel, aber es ist schon schwer dahinterzukommen, was Sucht eigentlich auslöst. Solche Gedankenschwere ist ohne Zigaretten ja fast nicht auszuhalten. 😉
          Danke für die guten Wünsche, 4 Wochen sind es heute. Bin schon stolz auf mich!

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  3. runningtom

    Sport. Bald darf ich wieder damit beginnen. Während dem Laufen werden die Kalorien verbraucht.. nicht sehr viele zwar… aber immerhin… da kommt was zusammen 🙂

    Seit ich wieder regelmässig arbeite, esse ich auch wieder regelmässig. So viel Zeit wie früher bleibt gar nicht mehr zum essen.

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    1. Anhora Autor

      Ich muss mal was klarstellen: Ich esse nicht den ganzen Tag! Eigentlich esse ich gar nicht viel, höchstens ein bisschen mehr Süßes. Aber ehrlich: Sehr überschaubar, und trotzdem nehme ich zu. Bevor die Laufsaison losgeht, werd ich jetzt abends keine Kohlenhydrate mehr essen. Hat meine Tochter mir geraten. Ich halt euch auf dem Laufenden. 😉

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  4. Meike

    Grins, ich habe gerade mal meinen Kollegen gefragt, der – im Gegensatz zu mir – Nichtraucher ist, und es entstand eine interessante Unterhaltung darüber, ob das Maß an Bedürfnisbefriedigung bei jedem Menschen das gleiche ist oder eben nicht – und ob es wohl eigentlich so ist, dass sich dieses bei einigen halt in Form von Zigarettenkonsum manifestiert und bei anderen in Form von Dingen, die man vielleicht sogar niemals mit all dem in Verbindung bringen würde. Tja…wer weiß, wer weiß. 🙂
    Du schriebst: „Und wie das schmeckt! Ich hatte schon befürchtet, meine Geschmacksknöspchen hätten sich verabschiedet für dieses Leben, aber es gibt sie noch. Die dicken Verschorfungen, die giftiger Qualm angerichtet hat, werden wieder dünner.“ – Ist das echt so? Hm, nach über zehn Jahren rauchen ist das alles so weit weg, dass man sich nur schwer vorstellen kann, wie es ist, wenn die Geschmacksnerven auf einmal wieder sensibler werden.
    Ich find’s toll, dass du weiter durchhälst.
    Lieben Gruß, Meike

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    1. Anhora Autor

      Eine interessante Überlegung: Gibt es Unterschiede, was den Bedarf der Menschen nach Lustbefriedigung angeht? Wird man dadurch zum Raucher? Oder gewöhnen sich Raucher an die regelmäßige Lustbefriedung und können dann nicht mehr ohne sie sein?
      Ich glaube darauf hat jeder seine persönliche Antwort. Ich hab immer dann das Rauchen wieder angefangen, wenn ich unter schwerem emotionalem Stress stand. Als die Kinder zur Welt kamen, habe ich 17 Jahre lang nicht geraucht. Und dann kam die Situation, wo ich es wieder brauchte. Zum Festhalten oder wasweißich. Seitdem die ständigen Versuche und Misserfolge.
      Aber diesmal klappts. Chakaaa! Und der Geschmackssinn kommt tatsächlich rasch wieder zurück.

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  5. T.M.

    Warum? Auf sowas können nur Frauen kommen.

    Bei mir ist es ja noch komplizierter. Wer einmal an der Insulin-Nadel hängt, der darf ja selbst dann nicht, wie er will, wenn er wöllte. Oder so. Eine so wirksame Bremse für das Herumfressen zu haben, ist ein grosses Glück! Nur wünsch ich die keinem.

    Gemüse ist gut. Möhren, Kohlraben, Paprikanen und so Zügs. Alles roh, mein ich. Der Möhrenschäler liegt bei mir immer auf dem Küchentisch. Auch einfach ein paar Tomaten zwischendurch oder ne halbe Gurke geht immer.

    Im Übrigen ist eine ballaststoffreiche Ernährung ein gutes Mittel dafür, nicht laufend wieder Hungerphasen zu bekommen, die dann Zwischenmahlzeiten nötig machen. Morgens 75g Müesli aus echten Haferflocken (nicht so ein künstliches Kellogs-Schneeflocke-Vitalis-lifstyle-Zeugs) und diversen Zusatzkomponenten (Leinsamen, Sesam, Kürbiskerne, Sonnenblumenkerne, Nüsse, getrocknete Cranberries oder Feigen) halten bis Mittag ohne Hunger.

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    1. Sofasophia

      hm – du machst mich neugierig oder bestätigst viel mehr mein klischee meine beobachtung, dass männer kaum je nach gründen fragen.

      ein bisschen nachdenklich macht mich das schon, zugegeben, und ich frage mich echt, warum das so ist …

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      1. Anhora Autor

        Liebe Sofasophia, das wissen wir doch, dass Männer schon deshalb viele Antworten nicht brauchen, weil sie die Fragen dazu nicht haben. Männer sind einfacher gestrickt als wir. Es sind die Hormone. 😉

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        1. T.M.

          Jaja, die Damen. Faust (ein Mann) wollte immerhin wissen, was die Welt im Innersten zusammenhält (und musste sich dazu sogar mit dem Teufel verbünden). Und was fand er? Das ewig Weibliche zieht uns hinan …

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    2. Anhora Autor

      Ich beneide dich nicht. So auf die Ernährung achten zu müssen, und Nichtraucher bist du auch noch! Das Müsli, das du beschreibst, hat der Liebste in unsere Beziehung mitgebracht und das gibts bei uns also seit Jahren. Man hat wirklich alles, was man braucht schon am Morgen bei sich und bis Mittags wirklich man keinen Hunger.
      Hunger hab ich auch Nachmittags nicht wirklich, aber dann nervt mich dies und das, und das Hirn fängt an, nach Trostpflastern zu schreien. Was tust du in solchen Fällen? Eine rohe Paprika kann doch nicht das sein, worauf man sich schon den ganzen Tag freut? Was heitert dich auf, wenn du mies drauf bist?

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      1. T.M.

        Naja, ich hab nie gross der Idee nachgehangen, mich mit einer Nascherei aufzuheitern o.ä. Ein Problem verschwindet ja dadurch nicht.

        Aber es gibt so paar Sachen ausser der Reihe: Tasse Kaffee oder Espresso. Manchmal mach in eine Kardamom-Kapsel rein. Ne Hand voll Nüsse aller Art, auch Mandeln. Dunkle Schokolade (>70%), ein Riegel pro Tag. Joghurts, allerdings keine gezuckerten. Ich mach z.B. ein selbstgemachtes Erdbeerpürree hinein (kann man in Würfeln einfrieren) oder ganze Himbeeren oder eine Prise Safran. Stück Käse auf die Hand geht auch. Klar, das sind alles keine niedrigenergetischen Nahrungsmittel – der Trick liegt in der Mengenbeschränkung. Da bin ich absolut konsequent, was andere oft entsetzt. Ein Nebeneffekt der Mengenbeschränkung ist, dass man es tatsächlich geniesst.

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        1. Anhora Autor

          Ich bewundere dich. Das sind ja aufwendige Trösterchen, auf die du zurückgreifst, nichts, was man husch husch mal eben nebenbei in sich reinballert. Aber Hauptsache es tut gut. Ich mach zurzeit gerne Spaziergänge, das holt mich herunter, wenn ich genervt bin. Ist auch aufwendiger als rauchen, aber ich fange an es zu genießen. Was ich auf meine alten Tage noch alles lernen muss, unglaublich …

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