Ich habe diese Woche mit einer Laserschneidmaschine verbracht. Man könnte mich an so ein Gerät stellen und ich wüsste theoretisch, wie man Formen aus Stahlblechen ausschneidet. Ich habe eine Bedienungsanleitung vom Englischen ins Deutsche übersetzt. Es gibt zum Beispiel unterschiedlich große Laserköpfe, und wenn man die auswechselt, muss die Programmierung neu eingestellt werden. Wollt ihr es wissen, wie das geht? Sind Laserschneidmaschinenbediener unter euch? Was ich sagen will: Neben meiner Arbeit in einem Büro habe ich diese Woche kaum etwas anderes getan als das. Jeden Nachmittag, jeden Abend. Ich bin müde.
Man tut so vieles, weil man glaubt, es tun zu müssen. Wir tun es, ohne zu wollen und dumme Gedanken werden verjagt. Das ist gut so, denn dann hält man es aus. Mit etwas Übung spürt man sich immer weniger. Ich hätte diese Übersetzung nicht anzunehmen brauchen. Ich wusste, das Volumen ist enorm und der Text sperrig. Ich hätte ablehnen und auf andere Aufträge hoffen können, kleinere. Aber jemand sagte, ich solle es tun. Es wurde von mir erwartet, und der Hintergedanke ist immer: wenn ich fertig bin, geht es mir wieder gut. So ist es mit allem: Wenn ich dies und jenes überstanden habe, ist das Leben wieder schön. Oder vorbei.
Ich erlebe gerade die letzte Lebensphase meiner Mutter. Irgendwann legt man auch mich in ein Pflegebett und ich muss versorgt werden. Irgendwann geht es aus mit mir. Worauf blicke ich dann zurück? Auf Laserschneidmaschinen?
Ich beginne zu erfassen, was Endlichkeit bedeutet und dass sie eine Chance sein könnte, das Leben wahrzunehmen. In unsere Gesellschaft dient der Tod aber nur als Medienspektakel für auflagensteigernde Berichte aus fernen Krisengebieten. Gelegentlich lesen wir Traueranzeigen, und wenn wir jemanden kennen, murmeln wir Ohje und blättern weiter. Wir kennen uns nicht aus damit.
Ich frage mich, ob Menschen früher, als der Tod noch zu jedem nach Hause kam, anders lebten. Ob sie leuchtende Augenblicke erkannten und mitnahmen als kleinen Erinnerungsschatz, den sie später hervorholen konnten, anstatt zu erstarren und keinen Blick zu haben für die Geschenke, die das Leben bereithält.
Das versuche ich auch, aber es fällt mir nicht so leicht. Es ist immer so viel zu tun, was eben getan werden muss. Da verliert man den Augenblick aus den Augen. Dabei sind die „speziellen Momente“, wie du sie so schön nennst, wirklich wichtig.
LikeLike
Die Endlichkeit ist für mich die Chance, im Hier und Jetzt zu leben. Und ganz oft gelingt es mir sogar, einen dieser speziellen Momente einzufangen und in meinem Herzen zu bewahren.
LikeLike
Wer sich der Last nicht verweigert, hat später mehr vom Leben. Ob es ein Arbeitsauftrag, der zunächst wie ein kaum erklimmbarer Berg einem vorkommt oder die private Last, die einem ohne zu fragen auferlegt wird. Wir müssen sie annehmen und „bearbeiten“. Das hilft uns in unserer Entwicklung außerordentlich weiter.
LikeLike
Ich bin mir nicht sicher, ob diese Rechnung aufgeht: Wer alle seine Aufgaben erfüllt, hat später mehr vom Leben. Wann ist später? Und worauf schaue ich in meiner letzten Lebensphase zurück? Sicher auch auf erfüllte Aufgaben und du hast recht: Es gibt Befriedigung und hat meine Entwicklung manchmal weitergebracht. Aber nicht immer. Und neben den Aufgaben muss es doch noch etwas anderes geben?
LikeLike
Ähnlich wie Arabella würde ich dafür plädieren, daß der Tod nur die wahre Geburt verkörpert. Da sich das Bewußtsein so oder so verändert dadurch, denn wer kann schon Genaueres sagen über den neuen Körper der ewiglichen Seele, dürften die allermeisten Vorstellungen nichts als mehr oder weniger müde Projektionen sein.
LikeLike
Welcher Art diese Wandlung ist, würd ich am liebsten jetzt noch nicht herausfinden wollen, sondern mich mehr mit dem Leben befassen. 😉 Aber das Leben wird eben von manchen wirklich gelebt, und andere schauen weg wie vor einer hässlichen Fratze. Und realisieren nicht, dass sie nicht unbegrenzt Zeit haben darauf zu warten, bis die Fratze sich in ein freundliches Gesicht verwandelt.
LikeGefällt 1 Person
Da haben Sie vollkommen recht.
LikeLike
Liebe Anhora, heute las ich in meinen Mitschriften zur Jugendvisionssuche noch einmal das Kapitel über die Vorbereitungen, Meredith und Steven beschrieben, dass dieses grosse Ritual auch ein Sterbeprozess ist, eine Art Vorbereitung auf den Tod- wir gehen durch verschiedene Stadien in unserem Leben und immer, wenn wir von einem in ein anderes gehen, bleibt etwas zurück und wird gleichzeitig auch integriert- sterben, um zu leben, dem Tod ins Gesicht schauen, um das Leben in vollen Zügen zu leben, könnte ich jetzt auch sagen …
zugegegeben, gerade bin ich etwas müde, aber ich hoffe, dass du meins verstehst!
liebe Grüsse Ulli
LikeLike
Liebe Ulli, ich glaube ich verstehe, was du meinst. Darum ging es mir ja in dem Beitrag: der Tod vor Augen verändert den Blick aufs Leben. Ich möchte gerade aufhören auf bessere Zeiten zu warten, sondern bessere Zeiten haben. Weiß aber noch nicht, wie ichs anfange. 😉
LikeGefällt 1 Person
Da der Glaube früher tief verankert war, muss der Tod eher eine Zwischenstation gewesen sein. Wie hätte sich sonst die hohe Sterblichkeit, vor allem bei Kindern, ertragen lassen.
Vermutlich hatte der Tod einen ganz anderen Stellenwert als heute, wie auch das Alter.
LikeGefällt 1 Person
Wir wissen ja nicht, wie „gut“ es sich früher ertragen ließ, aber sicher fiel es gläubigen Menschen leichter, ein hartes Schicksal zu akzeptieren. Ich überlege aber, ob das unmittelbar erlebte Sterben anderer Menschen eher verbittert, oder ob es eine Lust weckt zu leben. Weil man begreift, dass es nicht ewig dauert, was wir in der heutigen Zeit ja manchmal meinen.
LikeLike
Nein, das Erleben von Sterben verbittert nicht, es gibt dem Leben Sinn, Dankbarkeit und Milde.
Einigen. (Dies, das nur Einige so empfinden, ist menschlich.)
LikeGefällt 1 Person
Ich kann es (noch) nicht beurteilen. Hoffe aber, dass ich zu den Einigen gehöre. Danke für deine Meinung. 🙂
LikeGefällt 1 Person