Im Nachttisch meiner Mutter finde ich ein Körbchen mit zwei Piccolo-Flaschen Henkell Trocken und ein Sektglas. Es hatte in ihrer Wohnung auf dem Schrank gestanden, bevor sie in die Pflegestation umziehen musste. Sie hatte damals darauf gezeigt und ich packte es zu den anderen Sachen, die sie mitnehmen wollte. Offenbar hat sie den Sekt aber nie getrunken. Dabei hatte mich vor ihrem Umzug einmal jemand von der Verwaltung gefragt, ob meine Mutter öfters Alkohol trinke. Niemals, beteuerte ich damals. Als Chef-Einkäuferin ihres Haushalts hätte ich ihn ja besorgt haben müssen.
Auf das Naheliegende kam ich natürlich nicht. Erst als ich mich von den Mitarbeitern der Einrichtung verabschiede, kommt noch einmal die Sprache darauf. Ein Pfleger grinst und verrät: Es war die Wohnungsnachbarin. Frau Groß. Die brachte den Stoff, und dann haben die beiden zusammen gebechert. Typisch. Meine Mutter hat sich vom Leben genommen, was sie wollte. Vielleicht hat ihr ein gelegentliches Gläschen das Sprechen erleichtert, aber es wird nichts genutzt haben, denn die Nachbarin ist über neunzig und fast taub. Es wird egal gewesen sein.
Warum diese beiden Fläschchen noch da sind, weiß ich nicht, vielleicht hatte Frau Groß etwas Besseres als Henkell Trocken oder sie haben das Körbchen einfach vergessen. Ich mache jetzt jedenfalls eins auf, und dann erhebe ich es mit Blick nach oben und denke mir ein von Herzen kommendes „Wohlsein“!
Find ich super!!
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Den Augenblick zu genießen ist altersunabhängig. 🙂
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Prosit 🙂
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die kleinen Geheimnisse einer Mutter vor der Tochter und dem Pflegepersonal, wie mir das gefällt!
herzlichst Ulli
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Auf unsere Mütter,
liebe Anhora,
ich hebe das Glas ebenfalls mit Blick nach oben!
Denke an deine Mutter.
Und an meine schon länger verstorbene Mutter, die sich (bereits schwerkrank) ihr Glas noch ein zweites Mal mit Prosecco füllen liess und sagte:
„Das bringt mich auch nicht um!“
Mit einem Lächeln grüsst
Hausfrau Hanna
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Von unseren Müttern können wir eben was lernen, und so soll es auch sein. Ja, lass uns auf sie trinken! 🙂
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@ Frau Landgeflüster, Notiznagle und Zoé: Danke für eure Kommentare, und macht das Beste aus dem heutigen Tag! 🙂
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Auf’s Leben! Wir werden wohl nie alle Geheimnisse unserer Mütter ergründen.;-)
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Schön für den, der bis zuletzt ein Geheimnis hat.
Zum Wohlsein!
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Ach, wie schön. Das hätte ich wohl auch so gemacht. ♥
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