Alltag Reloaded

In der Regel bewegt sich der Mensch Tag für Tag zwischen zwei Orten hin und her: dem Zuhause und der Arbeitsstelle. Ich mache das nicht. Ich bleibe jetzt immer zu Hause, tue aber alles, dass es sich wie Arbeiten anfühlt: Ich stehe früh auf, setze mich an den Schreibtisch, wenn Übersetzungsaufträge kommen, räume ansonsten ein Zimmer nach dem andern aus und wieder ein, damit alles sauber und ordentlich ist. Das muss schon sein, ich bin ja gerade erst eingezogen.

Außerdem habe ich Zeit. Danach sehnen sich alle, ich Glückskind. Gestattet mir aber den Hinweis, dass viel Zeit mit wenig Geld einhergeht, wenn eine derart freie Tagesplanung damit zu tun hat, dass man „dem Arbeitsmarkt zur Verfügung steht“. Gestattet mir den zweiten Hinweis, dass eine Arbeitsstelle nicht nur eine Einnahmequelle ist, sondern auch ein Gerüst, an dem Rosen hochklettern und die Zwischenräume mit Blüten und Blättern füllen: also strikt einzuhaltende Vorgaben zum täglichen Handeln, aber auch der gelungene Arbeitsschritt, das nette Wort, der Spaß in der Kaffeepause. Das Gerüst zu Hause ist dagegen dünn, wackelig, und höchstens ein paar magere Trichterwinden versuchen, daran hochzukommen.

Jetzt brauche ich Freunde. Zum Reden, zum Lachen. Glücklicherweise habe ich sie.
Und euch, mit denen ich das Eine oder Andere teilen kann.
DANKE!

Bregenz_Pfaender

20 Gedanken zu „Alltag Reloaded

  1. notiznagel

    Freie Zeit ein köstlich Gut. Bekommen wir zuviel davon bedeutet dies meist nichts Gutes und wird zur nervenzerrenden Herausforderung. Das Kostbare ist zur Belastung geworden. Du beschreibst dies eindrücklich.

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    1. Anhora Autor

      Danke für deine Meinung. 🙂 Eine Herausforderung ist es bestimmt und wird es immer mehr, je länger dieser Zustand andauert. Ich hoffe, dass mich trotz vorgerückten Alters noch jemand will und ich nicht testen muss, wie man längerfristig mit zuviel Zeit zurechtkommt.

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  2. Flohnmobil

    Seufz. Ich weiss ein Stück weit aus eigener Erfahrung, worum es hier geht. Allerdings bin ich bzw. war ich freiwillig erwerbslos. Mittlerweile dürfte mich keiner mehr anstellen wollen. Zumindest nicht in meinem angestammten Bürojob.
    Werte verlagern sich und ich könnte mir heute absolut nicht mehr vorstellen, täglich zur Arbeit zu fahren, nur damit wir mehr Geld zur Verfügung hätten. Dafür ist mir die Zeit, die ich mit meinem Mann verbringen kann, zu wertvoll.
    Vielleicht wunderst du dich jetzt nicht mehr (wenn du das jemals getan hast), dass ich fast jeden Tag einen neuen Blogpost schreibe. Auch Banalitäten müssen raus!

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    1. Anhora Autor

      Ich wunder mich über gar nix! 😉
      Die freiwillige Erwerbslosigkeit macht aber auch nur dann Spaß, wenn man die Leerzeiten gekonnt mit Nützlichem/Bereicherndem/Notwendigem usw. füllt. Von selbst kommt das nicht, soweit ich mich an die Jahre erinnern kann, als ich kleine Kinder hatte und zu Hause blieb.
      Eine Arbeitsstelle erfüllt das – im Idealfall – auf einen Schlag, sowieso bei Teilzeitstellen, wo noch genügend Freizeit bleibt. Zu Hause muss man sich selbst organisieren.
      Danke für deine Gedanken! 🙂

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  3. altesweibsbild

    Es ist nicht einfach und vor allem ganz anders, als in meiner Vorstellung…..es ist ein mit sich selbst arrangieren, mit dem weniger an Geld, dem sich veränderndem Umfeld….du hast es so schön mit den Blumen beschrieben…..aber es kommt der Tag, an dem öffnet sich eine Tür, ein Tor – es passiert wirklich, nur bis dahin heißt es auch geduldig sein und nichts erzwingen zu wollen…..denn manchmal ist die Zeit einfach abgelaufen und/aber man selbst noch gar nicht bereit, für etwas neues/anderes…..aber auch die Zeit kommt ganz gewiss ❤

    Einen schönen Sonntag und liebe Grüße ❤

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    1. Anhora Autor

      Du hast einen Aspekt angesprochen, der mir noch gar nicht so bewusst war: man ist tatsächlich nicht bereit für jede Option wie z.B. Jobsuche, Übersetzungen vorantreiben oder auch „nur“ im vergleichsweise leeren Alltag zurechtkommen. Man kann sich eigentlich nur auf eines einschießen: Wenn das die Jobsuche ist, sucht man sich keine neuen Übersetzerkunden und wird beim zu Hause herumsitzen kirre. Wenn man sich aber das Leben zu Hause gemütlich einrichtet, stört die Vorstellung, wieder arbeiten zu gehen. Man wird eigentlich immer hin- und hergeworfen.
      Danke für deine aufmunternden Worte. 🙂

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  4. sylviawaldfrau

    Es kommt die Zeit, da rennt dir die Zeit wieder davon, selbst wenn keine feste Arbeitszeit vorgegeben ist. Hätte ich nie gedacht. Am Anfang bin ich rastlos am Räumen, Dekorieren, Putzen gewesen und kam mir nutzlos vor. Nach einiger Zeit fehlte mir dann plötzlich die Zeit für diese Aktivitäten. Seltsam wie schnell man sich umstellt.
    Übrigens, für dich habe ich aber immer Zeit.

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    1. Anhora Autor

      Danke, Sylvia. Auf dich hat sich ja auch mein Schlusssatz bezogen. Schön, wenn man in solchen Zeiten Freunde hat, noch dazu solche, die immer Zeit haben. Und mir beim Ausräumen helfen. Danke nochmal für alles! 🙂

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  5. waehlefreude

    Gibt es so etwas wie die Tapferkeit in der, oftmals ungewoll, freien Zeit zurechtzukommen und einen Sinn hineinzulegen? In einem Auf und ab bin ich immer wieder in Hartz IV gefallen und da war das Durchhalten in dieser eigentümlichen „Leere“ gefragt. Auch jetzt beziehe ich wieder Hartz IV. – Ein Praktikum soll kommen; möglicherweise; natürlich unbezahlt – Asylantenbetreuung…Ich weiß nicht, welchen Nutzen ich diesen Menschen bieten kann; doch ich möchte es ausprobieren. – Vielleicht braucht man mich ja auch nicht; doch immerhin bin ich bereit dazu, in irgendeiner Form zu helfen.
    Freunde? – Ich bin oft umgezogen in den letzten Jahren auf der Suche nach einer „Hartz IV gerechten Bleibe“, die auch mir gefällt. – Da war nicht viel mit Freunden. In Marsberg bin ich nun endlich fündig geworden; es fühlt sich heimisch an. Doch das Einleben dauert: Ein Wasserschaden hat mich zurückgeworfen beim Einleben. – Nun ist das Wiedereinräumen der Wohnung und das Saubermachen in der Endphase. Gemütlicher ist es geworden. Ein befreundetes Ehepaar aus Berlin ist jetzt in Rente und möchte auch hierhin ziehen, weil Berlin für sie unbezahlbar wird. – Diese Wohnungssuche hat sich durch den Wasserschaden auch verzögert. – Und so bin ich, fast schon gewohnt, mit mir allein. Manchmal ist es gut, doch oft bin ich mir auch ein schlechter Gesellschafter. Ich passe nicht zu vielen Menschen; mitunter nicht einmal zu mir selbst. Es ist eine eigene Art Tapferkeit so zu leben, denke ich.

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    1. Anhora Autor

      Hallo Frank, vielen Dank für deine Gedanken. Tu hast Recht: Es braucht Kraft für ein Leben ohne Job, und Tapferkeit. Mir hat es beim letzten Mal am meisten zugesetzt, dass ich nichts Sinnvolles zu tun hatte. Deshalb konnte ich auch Hobbies nicht genießen und habe es gar nicht erst angefangen. Ist schon ein paar Jahre her, und diesmal werde ich versuchen, es anders anzugehen und es mir schön zu machen, so gut es geht. Hoffentlich ohne Wasserschaden! Du hast ja wirklich Pech. Ich hoffe für dich, dass nach dem Renovieren nun alles fein ist bei dir und finde es toll, wenn du dich bei der Betreuung von Flüchtlingen engagierst. Ich werde das auch tun, wenn sich nichts anderes ergibt, damit ich zu etwas nützlich bin.
      Hab noch einen schönen Abend! 🙂

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      1. waehlefreude

        Hallo Ahora.

        Herzlichen Dank für Deine Antwort. Als ich vor etwa einem Jahr hierhin gezogen bin, gab es viel zu tun und zu entdecken.
        Mitte Februar habe ich mich dann daran gemacht, eine Steingartenterrasse anzulegen; alles ohne Auto. Die Steine habe ich gesammelt und im Rucksack angeschleppt; doch ich war beschäftigt. Und dann ging es weiter mit Säen von gesammeltem Saatgut und Ableger einpflanzen, die ich hier und da bekommen habe; nur wenig ist gekauft; wovon auch?
        Doch über diese Terasse freue ich mich täglich. Sie ist auch bewohnt; eine Spitzmaus lebt darin.

        Liebe Grüße,

        Frank

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        1. Anhora Autor

          Das ist schön! Die Kunst ist eben, sich selbst Aufgaben zu suchen und zu akzeptieren, dass sie in dieser Lebensphase gleichwertig sind wie die in einem Job, denn sie bewahren einen ja vor dem Untergehen. Nur hat man leider keine Hilfestellung, und keine Anerkennung. Deshalb ist es so schwierig. Dir scheint es aber zu gelingen. Du machst deine Terrasse schön, du hilfst Flüchtlingen. Ich denke, so muss man es machen. 🙂

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  6. Ulli

    Es ist wirklich eine Krux mit der freien Zeit! Sie erfüllend zu leben bzw. mit Sinn zu füllen ist eine Herausforderung. ich hatte das vor ca. 4 Jahren, die ersten Monate fand ich prima, endlich Zeit für all das, was ich auch gerne tue, aber dann plötzlich gähnte ein Loch, es ist auch der Kontakt nach Aussen, nicht nur das Gerüst …
    Fein geschrieben hast du das!
    liebe Grüsse
    Ulli

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    1. Anhora Autor

      Ich hatte das auch früher schon mal erlebt und weiß, dass ich auch da schon in diesen Aktionismus verfallen bin. Ich hoffe, es geht bald ein Türchen auf, damit ich wieder unter die Leute komme. Nur vom Übersetzen kann ich nicht leben, und ist mir auch zu einsam.

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