Ursachenforschung

Die Ureinwohner von Hawaii leben nach folgendem Motto: Wenn jemand wütend ist auf einen andern, dann überlegt er sich: „Was müsste passieren, dass ich mich genauso verhalten würde wie der, auf den ich wütend bin?“

Darüber denke ich nach angesichts des Mordens in Paris. Was müsste geschehen bzw. wie müsste mein Leben verlaufen sein, dass ich mich einer Gruppe anschließen würde, die das eigene und fremdes Leben mit Füßen tritt? Was müsste mir diese Gruppe bieten, dass ich mitmachen wollte?

Wenn wir das verstanden haben, können wir vielleicht etwas gegen die Ursachen tun.

13 Gedanken zu „Ursachenforschung

  1. Stef

    Mich wundert es manchmal schon, wie Schweden es immer wieder schafft, dass es fast überall als so offen u. tolerant aufgefasst wird. Das Problem mit den segregierten Vororten in den drei Großstädten ist nichts Neues. Seit ich hier wohne (in Göteborg seit 1995) haben die Vororte, in denen fast alle Migranten – Flüchlinge und andere – wohnen, einen extrem schlechten Ruf. Kein Schwede möchte unbedingt dahinziehen. Die Arbeitslosenquote unter den Ausländern ist hier in Schweden zwei- bis dreimal so hoch wie bei Einheimischen, auch noch in der 2. oder 3. Generation. Mit ausländisch klingendem Namen und einem „dunklen“ Aussehen, hast du auf dem Arbeitsmarkt fast keine Chance. Bei den letzten Wahlen war die Partei, die eigentlich nur Fremdenfeindlichkeit auf dem Programm hat, die drittgrößte Partei in Schweden. Wenn heute Wahlen wären, würden sicherlich mehr als 20 Prozent diese Partei wählen. Fast jedes Wochenende brennen entweder Autos, Schulen oder es werden Menschen in den Vororten erschossen. Die Schweden scheinen aber weitgehend der Meinung zu sein, dass dies natürlich NUR an den Fremden und vor allem an denjenigen, die der „falschen“ Religion angehören, liegt. Nicht etwa an einer etwa falschen oder eher nicht vorhandenen Integrationspolitik. Dass es dann irgendwann eskaliert und dass sich die Frustration dann so ausdrückt, ist doch kein Wunder. In Göteborg sollen es ca. 120 junge Männer sein, die von der IS angeworben wurden. In ganz Schweden ca. 300, wobei es keine offiziellen Zahlen gibt.
    Einen Bericht darüber gab es auch mal im deutschen SWR2, hier der Link:
    http://www.swr.de/swr2/kultur-info/schweden-sucht-loesungen-fuer-sein-dschihadisten-problem/-/id=9597116/did=15095458/nid=9597116/1ahwe09/index.html
    Bitte lösche einfach meinen Kommentar, wenn du ihn nicht auf deinem Blog haben möchtest,
    Liebe Grüße ins Ländle,
    Stef.

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    1. Anhora Autor

      Liebe Stef, ich möchte deinen Kommentar auf jeden Fall in meinem Blog haben und werde ihn bestimmt nicht löschen! Dazu sind mir andere Meinungen und Erfahrungen viel zu wertvoll und ich danke dir für deinen Bericht.
      Ehrlich gesagt hat es mich gesetzt, als ich das las, mir scheint etwas entgangen zu sein. Hat man denn keine Angst, wenn isolierte und frustrierte Menschen sich radikalisieren? Wird in den Medien Stimmung gemacht gegen sie? Hier schürt eigentlich kein seriöses Medium Hass und Vorurteile, im Gegenteil. Aber die Integration kann im Zeitraffertempo natürlich auch nicht gelingen. Ich hoffe immer, dass all die kleinen Clubs und Vereine etwas auffangen können (und wollen), etwas Besseres weiß ich auch nicht. Ich habe auch keine Firma und kann niemandem Jobs geben. Leider, denn jeder, der in einem positiven Umfeld eingebunden ist, wird nicht gefährlich.
      Liebs Grüßle aus dem Süden! 🙂

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  2. Stef

    „müsste ich mich zuvor ganz klein fühlen, minderwertig, ausgelacht, chancenlos, “

    Genau das scheinen die Gründe zu sein, warum sich bevorzugt junge Männer – Anfang 20 – IS anschließen. Habe gestern eine Reportage im Fernsehen gesehen. Die schwedische Stadt, in der ich wohne, praktiziert seit Jahrzehnten eine Absonderung von Menschen. Das Land rühmt sich damit, eines derjenigen zu sein, das am meisten Flüchtlinge/Migranten aufnimmt. Die Kommunen jedoch, die Unternehmen, die Menschen, wollen diese anderen, die Fremden, aber nicht inkludieren. Man hält sie sich fern, macht sie klein, betrachtet sie als minderwertig usw. Genau das erzeugt Hass und Wut. Das dürften auch die Ursachen in Frankreich sein.
    Die Stadt, in der ich wohne, ist übrigens per capita gesehen, europaweit an der Spitze, wenn es darum geht, dass junge Männer freiwillig in den Nahen Osten zurückgehen und sich dort solchen militanten Gruppen anschließen.
    /Stef.

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    1. Anhora Autor

      Hi Stef, herzlichen Dank für deinen interessanten Beitrag. Das wirft ja ein ganz anderes Bild auf Schweden als das, was wir von diesem offenen, toleranten und modernen skandinavischen Staat haben. Man hört tatsächlich immer wieder, dass Flüchtlinge angeworben werden von diesen Verbrechern (nicht nur in Schweden). Wenn also ein Mensch flieht und dann zur Ausbildung in den Nahen Osten zurückkehrt, muss im Gastland etwas gründlich schiefgegangen sein.
      Ich sehe es wie bei einem Kind: Du kannst nicht alle Drogendealer und Vergewaltiger eliminieren, denn sie werden immer da sein. Du kannst nur dein Kind stark machen und ihm beibringen, Gefahren zu erkennen und sich den Eltern anzuvertrauen.
      Ich bin der Meinung, dass das zumindest ein vielversprechender Ansatzpunkt ist, wenn es auch sicher nicht die alleinige Lösung.
      Junge Menschen brauchen Orientierung. Wenn Anwerber das ausnutzen können – warum nicht auch Sportvereine, Gemeinden, soziale Einrichtungen?

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  3. meertau

    ehrlich gesagt, finde ich eine erste Antwort auf die hawaiianische frage ziemlich leicht.
    was müsste also passieren?… man müsste meine werte mit füßen treten, man müsste die menschen, die ich liebe, mit füssen treten, man müsste alles was ich liebe mit füssen treten und töten…
    ich glaube, die decke der zivilisation ist dünner, als wir es gern hätten…. und wir alle sind schneller zu grausamkeit in der lage, als wir es uns eingestehen wollen.
    die lösung liegt – so glaube ich – nicht in der antwort auf die hawaiianische frage, sondern im prozess des fragens. wer fragt, tötet in der zeit des fragens nicht.

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    1. Anhora Autor

      Danke für dein Meinung, die ich spannend finde. Du drückst ein Szenario aus, in der wahrscheinlich jeder entweder depressiv oder aggressiv würde. Und ja – Menschen, die reflektieren und hinterfragen, töten nicht. Aber wer emotional getroffen wird, tut sich schwerer mit rationalem Denken.

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    1. Anhora Autor

      Ich müsste einen tiefen Hass auf bestimmte Menschen haben. Oder ich müsste sie als schlimme Bedrohung empfinden, die man ausschalten muss. Damit mir jemand Hass bzw. angebliche Gefahr einreden könnte, müsste ich mich zuvor ganz klein fühlen, minderwertig, ausgelacht, chancenlos, vielleicht ohne Bildung (ist aber kein Muss). Dann kommt einer und sagt: Ich bin die Größte. Genau ich werde gebraucht, ich bin wertvoll für die Gruppe, stark, ich werde um meiner selbst willen geliebt.
      Vielleicht würde ich schwach werden. Ich weiß es nicht.
      Vielleicht wäre mir auch nur langweilig und ich würde das große Abenteuer suchen, aber das übersteigt nun wirklich meine Vorstellungskraft.
      Je nach Umfeld sind die Anwerber dann vom IS, von den Neonazis, Scientologen oder Tupperware.

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