Der Weg ist da. Er führt ans Ziel, doch es braucht Geduld. Umwege und Barrieren machen das Vorankommen schwer, jeder Schritt bedeutet Begrenzung oder Öffnung. Was hat dieses Labyrinth mit meinem Leben zu tun? Das frage ich mich nicht im lustigen Irrgarten eines Maisfelds, sondern als sich in der Bayerischen Staatsoper in München der Vorhang hebt.
Zur Overtüre von „Fidelio“ wird aus der Finsternis heraus ein mächtiges Gerüst aus Stahl und Glas sichtbar, an dem die zuckenden Lichtläufe der Neonröhren an Stromstöße erinnern. Im Lauf der Aufführung werden darin allerlei Menschen nach Auswegen suchen oder auch verharren. Es geht um Gefangensein und Befreiung.
Neben einem herausragenden musikalischen Ereignis ist es gerade auch das Bühnenbild, das durch immer neue Arrangements von Menschen, Elementen und Lichteffekten fast drei Stunden lang für Gänsehaut sorgt. Es lässt Interpretationen zu und meine Gedanken stehen nicht mehr still seit diesem Suchen und Lieben dicht neben Verzweiflung und Isolation. So muss Oper sein: Spektakulär für alle Sinne. Ich bin – wie meine Tochter es ausdrücken würde – „geflashed“. Immer noch.
Fidelio – Ludwig van Beethoven – Oper in zwei Akten
Ort: Nationaltheater München
Musikalische Leitung: Zubin Mehta
Inszenierung: Calixto Bieito
Bühnenbild: Rebecca Ringst
Sprache: Deutsch
Tickets: Zu Weihnachten gekriegt von meinen Kindern. 💕
Trailer zur Fidelio-Aufführung im Jahr 2010 mit demselben Bühnenbild (aber anderem Dirigenten und teilweise anderen Sängern):
Wen’s interessiert:
Fidelio ist die einzige Oper Beethovens. Die Handlung basiert auf einer wahren Begebenheit in Frankreich, die in der Oper nach Spanien verlegt wurde.
In der Geschichte sucht Leonore, die Frau eines seit Jahren verschwundenen politisch Opositionellen, ihren Mann Florestan. Sie vermutet ihn in einem bestimmten Gefängnis, verkleidet sich als Mann, nennt sich Fidelio und arbeitet als Helfer des Kerkermeisters Rocco. Sie findet ihren Mann und befreit ihn.
Vorher passiert aber noch so einiges. Zum Beispiel verliebt sich Roccos Tochter Marzelline in Fidelio und diese weist deshalb ihren Verehrer Jaquino zurück. Leonore aber liebt ihren Mann. Rocco liebt seine Tochter und Jaquino liebt Marzelline. Darüber singen die vier in einem hinreißenden Kanon, für mich eine der zentralen Stellen labyrinthischer Verwicklungen, als außer Jaquino jeder glaubt, dass alles klar sei:
„Mir ist so wunderbar“
Marzelline
Mir ist so wunderbar,
Es engt das Herz mir ein.
Er liebt mich, es ist klar,
Ich werde glücklich sein.
Leonore
Wie groß ist die Gefahr,
Wie schwach der Hoffnung Schein.
Sie liebt mich, es ist klar,
O namenlose Pein!
Rocco
Sie liebt ihn, es ist klar;
Ja, Mädchen, er wird dein.
Ein gutes, junges Paar,
Sie werden glücklich sein.
Jaquino
Mir sträubt sich schon das Haar,
Der Vater willigt ein.
Mir wird so wunderbar,
Mir fällt kein Mittel ein.
„Mir ist so wunderbar“ aus einer traditionellen, labyrinthfreien Inszenierung.
Ich finde es schön, dass München gelungene Inszenierungen wiederholt. Die Auswahl dieser Wiederholungen ist einfach nur überwältigend. Und diese da reiht sich offenbar prächtig ein.
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Richtig, du hast da ja mal gelebt, wenn ich mich noch richtig erinnere! Ja, die Bayerische Staatsoper ist ein Riesenerlebnis, schon allein das Gebäude ist fantastisch. München ist schon eine tolle Stadt. Ich bin froh, dass ich durch meine Kinder regelmäßig dort sein kann. 🙂
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Vom Bühnenbild bin ich auch oft fasziniert. Wieviel die Bühnenbildner auf so wenig Fläche aufbauen, konstruieren, verschachteln – sehr oft kann ich mich kaum daran satt sehen.
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Mich begeistern kreative Bühnengestaltungen auch! Es war auch das erste Mal, dass ich eine Opernaufführung in moderner Inszenzierung live gesehen habe und es hat mich umgehauen: Technik und Effekte sowie den Bezug zur Musik zu beherrschen und außerdem noch eine weitere Geschichte des Gefangenseins in unserer Zeit zu erzählen – das muss man ja erstmal hinkriegen! Komisch, dass die Bühnenbildner nie so berühmt sind wie die Darsteller, dabei sind es mitunter genauso große Künstler! 🙂
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