Ohne Menschen geht es nicht

Beim Einkaufen in der Stadt treffe ich eine liebe Bekannte. Wir lachen, breiten die Arme aus, als wollten wir einander um den Hals fallen, kommen aber nicht näher. So begrüßt man derzeit nette Menschen.

Wir reden eine Weile. Mit zwei Metern Abstand natürlich, aber von Angesicht zu Angesicht. Ich bin ganz aufgeregt. Wie viel Gelegenheit habe ich noch, mich mit jemand anders als meinem Lebenspartner persönlich zu unterhalten? Nach über vier Wochen daheim kann ich es an einer Hand abzählen.

Meiner Bekannten geht es gleich. Sie ist Friseurin, vereinsamte in ihrem Dorf und besuchte an einem Wochenende heimlich die Tochter in Bayern. Das Auto versteckten sie in der Garage, damit niemand das auswärtige Kennzeichen sieht. Nachbarn können ja eigenartige Vorstellungen von Pflichtbewusstsein haben, und viele sind zu Hause!

„Ich kenne eine Person“, erzähle ich, „die kürzlich die Polizei alarmierte, weil in der Nachbarschaft ein Geburtstag gefeiert wurde. Die Polizei kam, und dann wurde jeder Gast mit 250 EUR, der Gastgeber jedoch mit mehreren tausend Euro bestraft.“
So etwas gibt es wirklich, und die Person war übrigens stolz auf diese Tat.
„Aber man muss weiterleben“, sagt meine Bekannte, „und ganz ohne Menschen geht es nicht.“

Ab Montag darf sie wieder arbeiten.
Ich bleibe in Kurzarbeit.

12 Gedanken zu „Ohne Menschen geht es nicht

  1. Roswitha

    Was hat die Person, die Nachbarn anzeigt eigentlich davon? Angst vor Ansteckung kann es nicht sein, sie kann Abstand halten. Mißgunst und Neid, weil andere es sich gutgehen lassen, scheint wahrscheinlich. Nichts ist schlimmer als Rechthaberei und Denuziantentum.

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      1. Anhora Autor

        Es sieht so aus. Wir haben eben unsichere Zeiten. Die einen pochen auf das Einhalten von Regeln, die andern kaufen Klopapier. Die Situation verändert die Menschen.

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    1. Anhora Autor

      Es ist für manche Menschen vielleicht das Gefühl, dass all die Regeln Sicherheit geben in einer befremdlichen Situation. Abweichler stören diese persönliche Halbwegs-Komfortzone. So erkläre ich mir das.
      Schön ist es trotzdem nicht.

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  2. Pit

    Hier war es immer schon so, dass wir raus durften. Die „stay-at-home oreder“ unseres Gouverneurs war so unklar dass niemand richtig Bescheid wusste. Und wir haetten acuh wegfahren duerfen/koennen. Wollten wir aber nicht.
    Viel schlimmer hat es eine Blogbekannte von mir getroffen, die im Winter auf Teneriffa lebt: die darf das Haus nicht verlassen – noch nicht einmal mit ihrem Hund Gassi gehen. Da ist sogar die Polizei hinterher. Sie muss sich fuer den Hund des nachts aus dem Haus schleichen. Finde ich – Corona-Virus hin, Corona-Virus her – absolut unmoeglich. Und jetzt weiss sie ueberhaupt nicht, wann bzw. ob sie wieder nach Deutschland reisen kann. Den Rueckflug hat sie fuer den 21. Mai gebucht. Aber ob der Flieger geht, und ob sie ueberhaupt dahin kommt, das weiss sie nicht.
    Alles Gute fuer Dich, hab‘ ein feines Wochenende, und bleibt gesund,
    Pit

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    1. Anhora Autor

      Wir dürfen schon auch raus, so schlimm wie in Spanien ist es nicht. Ich weiß nur nicht, wohin. Man darf sich höchstens mit einer Person öffentlich zeigen. Meine Haupt-Kontaktpersonen sind aber die Kollegen. Die arbeiten, nur meine Abteilung ist von der Kurzarbeit betroffen. Es ist einsam geworden, aber das werde ich auch überleben. 😉
      Ich drück die Daumen für deine Bekannte in Teneriffa. Diese Ungewissheit mit allem kann einen schon fertig machen.

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      1. Pit

        Da ich immer schon ein „haeuslicher“ Mensch war, macht mir die jetzige Situation nicht wirklich etwas aus. Meiner Frau schon eher. Die hatte jetzt die Idee, und die finde ich gar nicht so uebel, sich mit ein paar Bekannten zum Kaffeeklatsch im Park hinter unserem alten Rathaus zu treffen: Jeder bringt seinen eigenen Stuhl und etwas zu essen und zu trinen fuer sich selber mit, und man setzt sich mit gutem Abstand da auf den Rasen. Wenn man das auf 5 bis 6 Personen beschraenkt, sollte es gut gehen.

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        1. Anhora Autor

          Die Idee deiner Frau ist gut! 🙂 Allerdings habe ich gar nicht so viele Bekannte, die sich untereinander kennen und wo es passen würde. Bin ja sonst auch eher der Stubenhocker.
          Tatsächlich arbeiten die meisten auch noch. Ich plane jetzt Spaziergänge mit Einzelpersonen, das ist besser als nichts.

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  3. LP

    Ich wünsche jedem, der seine Nachbarn anzeigt, weil er Besuch hatte, dass auffliegt, wer das gewesen ist.
    Und dann: Auf fröhliche Nachbarschaft die nächsten Jahre.

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    1. Anhora Autor

      Das verstehe ich eben auch nicht: Man lebt mit den Leuten doch zusammen! Mit solchen Aktionen sät man doch Misstrauen in der kompletten Nachbarschaft. Schlimm. Konnte es gar nicht glauben, die Person schien mir (bis dahin) ganz nett …
      Ich hoffe, das ist ein Einzelfall.

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