Bei einer Zimmerreise geht es darum, die gewohnte Umgebung neu zu entdecken. Dazu werden Gegenstände in einem Zimmer nacheinander betrachtet und ihre Geschichte erzählt. Diese literarische Gattung gibt es seit dem 18. Jahrhundert.
Zu meiner ersten Zimmerreise inspirierte mich ein Projekt von Pflanzwas und Puzzleblume, mehr dazu hier. Jeder kann teilnehmen und selbst auf die Reise gehen.
Nun zu meiner ersten Etappe:
Berta, die Kuh
Das ist Berta, die Kuh. Ich nenne sie erst seit heute Berta, obwohl ich diese Figur seit vielen Jahren besitze. Der Grund für die plötzliche Namensgebung ist, dass sie nun mein erstes Reiseziel sein kann, denn laut Projektvorgabe sollen im Januar Objekte bereist werden, die mit dem Buchstaben A, B oder C beginnen. Die Kuh hätte also auch Alwine heißen können oder Clara, aber mein erster Impuls war Berta, und so heißt sie nun.
Wie bei jeder Fernreise sind auch die Ziele einer Zimmerreise nicht beliebig. So, wie ich nicht mit dem Fahrrad nach Island reisen kann, weil es zu weit ist, kann ich auch keine Objekte besuchen, die in mir Kummer aufrühren. So fiel die Wahl auf Berta, eine der wenigen Spuren aus meinem früheren Leben, die im letzten Jahr nicht unter Tränen aussortiert und weggegeben wurde. Berta erinnert mich nämlich nicht an eine verlorene Liebe, sondern an eine bestehende, und zwar an die zwischen mir und meiner Tochter.
Vor vielen Jahren stand ich mit ihr in einem Möbelhaus in der Deko-Abteilung, und da wartete Berta. Sie strahlte in einem Regal die Eleganz und Nonchalance einer Diva aus, die keine Zweifel zu haben schien, dass schon bald ein eigenes Heim ihrer Schönheit den Rahmen geben würde. Ich war wie verzaubert.
„Wer braucht schon ein Sparschwein“, wandte ich ein, konnte mich aber kaum von ihr lösen. Schließlich ging ich doch langsam weiter, wandte den Kopf zurück für ein paar letzte Abschiedssekunden, und da tat meine Tochter, was getan werden musste: Sie ergriff Berta, schritt mit ihr zur Kasse und die Porzellankuh wurde mein Muttertagsgeschenk.
Berta hat aber noch eine zweite Funktion. Sie ist nicht nur ein Symbol der Liebe, sondern auch des Reichtums, denn sie hat mein Geld zusammenzuhalten und zu vermehren. Berta ist nämlich mein Feng Shui Geld-Symbol, sie steht hier in der Reichtumsecke. Dachte ich zumindest.
Sie muss einen bestimmten Platz in der Wohnung haben, und zwar im Südosten. Außerdem soll sie regelmäßig gefüttert werden, was freilich per se den Reichtum vermehrt. Es sind aber keine 100-EUR-Scheine, die in den dicken Bauch zu wandern haben, gelegentlich eine Münze genügt. Das Geräusch ihres Auftreffens auf die anderen Münzen im Innern ist es, was den Geldgeist weckt, in meiner Wohnung jedenfalls. Ich spüre sowas.
Außerdem muss ihr Platz sauber, hell und aufgeräumt sein. Gold, Rot, Violett und Grün stehen ebenfalls für Reichtum (ist es Zufall, dass Berta genau diese Farben trägt?).
Durch all das vermehrt sich das Geld auf dem Bankkonto und der allgemeine Wohlstand steigt. So will es das Feng-Shui-Gesetz.
Viele Jahre lang funktionierte es auch. Berta stand am richtigen Platz, obwohl es nicht genau im Südosten war, aber ihr gefiel der Standort. Ich wusste es und hatte keine Geldsorgen.
Aber nun bin ich umgezogen, und alles ist anders. Natürlich muss ich jetzt alleine eine Mietwohnung finanzieren, und Corona-bedingt habe ich meine Arbeitsstelle verloren. Das mag zum Geldmangel geführt haben – oder aber: Berta steht nicht am richtigen Platz. Feng Shui ist ein bisschen eigen, wenn es wirken soll, es sollte schon alles stimmen.
Ich habe Berta im Südosten aufgestellt und füttere sie regelmäßig, sie bekam sogar etwas Hübsches zum Anschauen: Perlenblumen, die zwei Kinder für mich angefertigt haben.
Doch es nützt nichts, meine finanzielle Situation könnte besser sein.
Ich schiebe Berta also von hier nach da, und es fühlt sich immer noch nicht an, als wäre sie am richtigen Platz. Sie muss wohl noch eine Weile wandern, genau wie ich. Irgendwann sind wir sicher beide da, wo wir hingehören.
(589 Wörter)
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Ihr einen Namen zu geben war vielleicht schon ein guter Anfang! Berta passt obendrein zu einer Kuh, wie ich finde 🙂 Hoffentlich findest Du bald den richtigen Platz für sie, damit alles wieder ins Lot gerät.
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Danke! Die Zeit wird es bringen. Hoffe ich. 😉
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Du hast die Zimmerreise bestens umgesetzt finde ich. Von einem Objekt aus startend, sind deine Gedanken in die Vergangenheit und die Gegenwart weitergereist. Die Kuh ist witzig. Man muß glatt lächeln, wenn man sie betrachtet. Auch wenn sie vielleicht noch nicht den ganz richtigen Platz gefunden hat, du suchst ja auch noch ein bißchen, wie es scheint, so verbreitet sie doch gute Laune und Hoffnung. Das wird schon werden und dann gibt sie auch wieder mehr Milch, öh, Geld 🙂
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Danke für den netten Kommentar. Ich verlasse mich auch auf Berta. Sie hat immerhin eine Weile lang meine Gedanken beschäftigt, und zwar auf positive Art. Für solche „Kleinigkeiten“ bin ich inzwischen dankbar. Wird schon alles wieder werden. 🙂
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Das ist doch schön, wenn sie dich auf andere Gedanken bringt. Alles Gute für dich! LG Almuth
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P.S. noch viele hinein ….. 😳
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Ich habe auch eine Sparkuh und auch schon viele Jahre. Ich füttere sie mit 2 Euro Münzen, aber es passen nich viele hinein. Zur Zeit wüsste ich nicht, wofür ich das Geld ausgeben sollte. Also weiter füttern vorläufig. LG Sigrid
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Wenigstens das ist einer der kleinen Pluspunkte in der Corona-Zeit: Man braucht wirklich weniger Geld. 😉
Aber das wird sich auch wieder ändern. 🙂
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Ein Dankeschön,
liebe Anhora,
von mir für deine Geschichte!
Auf dass Bertha, die Kuh mit dem roten Punkt auf der Stirn, dich beim Sortieren, Neuorientieren, und Einleben in der neuen Wohnung begleitet!
Ein liebes Grüssle zu dir über die Grenze
Hausfrau Hanna
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Liebe Hausfrau Hanna, danke für die Grüßle, ich schick dir herzlcihe ebensolche zurück! (Auch von Berta) 😉
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Liebe Anhora!
Ha die Kuh isch ja schee 🙂 So a Tierle schdrahlt emmr viel Ruhe aus. Des Projekt fend i toll. Do betrachtet mr sei Omgebong glei mit andre Auga.
Dass de Dein Dschob vrlora hosch, dud mr Leid. I muss als Freischaffende Künschtlerin grad au ganz schee mei Sach zammahalta. Abr mr isch jo kreativ ond guggt nach vorne. I bin mir sicher, dass Dei Bertha Dir da gut weiterhilft 🙂
Muh
Mallybeau
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Nach vorne gucke isch immer s’Beschde, wenn sonscht alles a Durcheinander isch. Außerdem hon i ja d’Berta.
I wünsch dir als Freischaffende (Hauptsach schaffa, egal ob frei oder unfrei, gell?) 😉 gude Nerve und viel Erfolg! 🙂
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Sie findet ihren Platz, die Berta.
Gemeinsam mit dir. 🙏
Schön, dich zu lesen,
Lieben Gruß dir 👋
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Danke für die Aufmunterung. 🙂
Lieber Gruß zurück!
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Eine sehr gute Idee so eine Zimmerreise!
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Es ist erstaunlich, was allein die Auswahl eines Gegenstands schon mit einem macht. Da kommen einige Gedanken hoch. 🙂
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Was für ein niedliches Spar-Tier! Bestimmt steht Berta den Namensfindungen sehr gelassen gegenüber.Ihre weibliche und gelassene Ausstrahlung ist schön anzusehen. Das und ein schönes Mutter-Tochterverhältnis ist ja auch schon ein Glück, da kommt das andere bestimmt auch noch. Es ist ja kein Wunder, dass sie fengshui-technisch gerade etwas unorientiert ist, andere wissen ja auch nicht so recht, wo ihnen der Kopf steht.
Danke für diese so noch nicht gelesene Zimmerreise, Anora!
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Verzeihung, ich habe das h in deinem Namen vergessen, Anhora.
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Kein Problem, es war mir nicht aufgefallen! 😉
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Puh 🙂
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Eigentlich mag ich keine süßlich-kitschigen Deko-Gegenstände, deshalb ist Berta auch mein einziger Wohnungsschmuck dieser Art. Ich hab sie schon lange und nie aussortiert wie vieles andere. Die Kuh will bei mir bleiben. 😉
Ich freu mich, dass dir die Geschichte gefallen hat. Ich hab die Idee doch richtig verstanden?
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Finde ich schon, dass du diese Zimmerreisengeschichte richtig verstanden hast: du hast einen Gegenstand deiner Umgebung herausgestellt und dazu deine Geschichte erzählt.
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Dann bin ich beruhigt, ich hatte ein bisschen über das „so noch nicht gelesen“ gegrübelt. 😉
Es ist eine tolle Idee, die ihr umgesetzt habt in dem Zimmerreisen-Projekt. Ich lese alle Reiseberichte, die sich beteiligen, was für unterschiedle Facetten es doch gibt, wirklich klasse. 🙂
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Unter den bis dahin erschienenen Zimmerreisen sind bisher alle wunderbar verschieden, ich habe auch alle gelesen, von denen ich die Links habe.
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