Bei einer Zimmerreise geht es darum, die gewohnte Umgebung neu zu entdecken. Dazu werden Gegenstände in einem Zimmer nacheinander betrachtet und ihre Geschichte erzählt. Diese literarische Gattung gibt es seit dem 18. Jahrhundert.
Zu meinen Zimmerreisen inspiriert mich ein Projekt von Pflanzwas und Puzzleblume, mehr dazu hier. Jeder kann teilnehmen und selbst auf die Reise gehen.
Im Januar soll das zu bereisende Objekt die Anfangsbuchstaben A, B oder C tragen. Da ich vor kurzem umgezogen bin und wenig mitgenommen habe, ist die Auswahl überschaubar. Ich finde also nichts mit A oder C, aber ein zweites Mal eins mit B:
Die Bambusstricknadeln
Ich besitze dieses Stricknadelset seit dem Jahr 2015. Es ist das Jahr, in dem ich die Wohnung meiner Mutter ausräumen musste, weil sie in ein Pflegeheim kam.
Ich ging also durch ihre Schränke und Schubladen und fand unter anderem eine halbe Socke. Aus roter Wolle war ein Sockenbund gestrickt, der an Bambusnadeln hing, was ich bis dahin nie gesehen hatte. Ich kannte nur Nadeln aus Metall, hatte aber seit Jahrzehnten keine Handarbeit mehr angefertigt und war nicht auf dem Laufenden.
Die halbe Socke war von meiner Mutter begonnen worden, ich weiß nicht für wen, aber die Finger waren schwach geworden und so blieb das Werk unvollendet.

Aus dem Blogbeitrag „Schicksal„
Seufzend nahm ich auch das mit nach Hause, eine Weile lang lag die Socke herum. Irgendwann nahm ich sie auf und strickte weiter. Was hätte ich damit tun sollen? Es gelang mir aber nur schlecht, Fersen zu stricken ist nichts für Anfänger.
Trotzdem kriegte ich es irgendwie hin und die zweite Socke auch. Als sie fertig waren, brachte ich sie meiner Mutter.
Sie trug sie noch ein paar Monate lang. Dann starb sie und die Socken kehrten zu mir zurück.
Ich weiß nicht, wo sie hingekommen sind, ich habe sie nicht mehr, aber die Bambusstricknadeln sind noch da. Mit ihnen strickte ich noch viele Socken für meine Kinder, früher für den geliebten Briten, heute für Tochter und Schwiegersohn und demnächst für unser Zwergle – das erste Enkelkind, das im März zur Welt kommen wird.
Die Fersen beherrsche ich inzwischen im Schlaf.
Ich habe für Socken niemehr andere Stricknadeln verwendet als dieses eine Spiel aus Bambus, obwohl ich ungefähr fünf Metall-Nadelspiele habe. In manchen Stricksets liegen sie ja bei, ich packe sie nicht einmal aus.
Bambus-Stricknadeln liegen warm in den Fingern und erzeugen beim Stricken nicht dieses leise Quietschen wie Metallnadeln. Vielmehr klingt es beim Aneinanderschlagen wie Holz und es fühlt sich lebendig an in meiner Hand. Deshalb kommt mir nichts anderes in den Strickkorb: Es müssen Bambusnadeln sein, und zwar diese hier.
(334 Wörter)
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Bambusnadeln habe ich noch nie ausprobiert. Aber vielleicht wäre es einmal ein Versuch wert?
Meine verstorbene Mutter hinterließ mir auch eine Menge intensiv gebrauchter Stricknadeln. Sie hatte sie sorgfältig nach Stärken sortiert, es waren auch einige Nadelspiele für Socken dabei und diverse Rundstricknadeln. Ich benutze sie immer wieder gerne und voller Liebe.
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Wer weiß, wieviele Stricknadeln im Umlauf sind, die Erinnerungen an die Mutter auslösen!
Ich frag mich, was unsere Kinder einst in der Hand halten werden, was sie an uns denken lässt. Stricknadeln jedenfalls nicht, meine Tochter kann gar nicht stricken. 😉
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Genau so ist es. Stricken ist nicht cool, denke ich.
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Die von mir gestrickten Socken nimmt sie allerdings gerne an, auch ihr Mann! Und für das neugeborene Baby (Ja! Ich bin jetzt Oma!!) hat sie schon Bestellungen aufgegeben. 😉
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Gratuliere! 🙂
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Danke! 😀
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Ich stricke lieber mit Metallnadeln. Die sind nicht so stumpf und ich mag das Geräusch. Stricken ist immer mit Erinnerungen an meine Mutter verbunden. Die Bambusnadeln verbiegen und zerbrechen bei mir.
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Interessant, wie unterschiedlich wir Objekte wahrnehmen, danke für deinen Kommentar! 🙂
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Wie schön! Socken zu stricken ist eine meiner Leidenschaften. Je aufwändiger desto besser. Nun habe ich so viel ausprobiert, meine Lieblingswolle entdeckt und vertiefe mich in komplizierten Mustern. Immer deshalb, weil es mich freut, so etwas Schönes und mit Liebe gearbeitetes zu verschenken. Glaubst du, ich wäre mal auf die Idee gekommen, Bambusnadeln zu verwenden? Dabei ärgere ich mich stets über die eine Nadel, die sich immer wieder unpraktisch verbiegt! Jetzt weiß ich, was zu tun ist. Danke dir 🙂
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Ich freu mich, dass du auch gerne Socken strickst und auf Bambus umsteigen willst! Wenn das so weitergeht, kann die Bambusnadelindustrie hoffentlich mit einem Umsatzplus rechnen. Man möchte der geplagten Wirtschaft in diesen Zeiten wirklich gönnen, dass sie Morgenluft wittert, egal aus welcher Ecke sie kommt (Hauptsache nicht von Amazon!) 😉
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Bambusnadeln sind wirklich viel besser! Ich habe davon Rundstricknadeln, die wirklich super sind. Ich freue mich schon darauf 🙂
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Ich freu mich mit dir mit! 😀
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Das finde ich schön, daß diese Erinnerung an deine Mutter dich beim Stricken nun immer begleitet und dazu noch die Generationen deiner Familie verbindet. Wie ein Faden, der sich nicht nur durch ein, sondern durch viele Leben zieht 🙂 Schön geschrieben! Und Bambus hat bereits als Wort einen schönen warmen Klang.
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Jetzt wo du es sagst: Ja! Bambus klingt schön, ich nehme das Wort in die Liste meiner Lieblingswörter auf. 🙂
Schön wäre es, wenn die Bambusnadeln zu einem Familien-Erbstück werden könnten. Aber meine Tochter kann gar nicht stricken. 😉
Man kann eben nichts festhalten, nur genießen, was man gerade hat. 🙂
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Wahre Worte! Vielleicht lernt sie es noch. Mit Kind stehen die Chancen doch gut 🙂
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Das stimmt! Vielleicht wird sie von der Online-Marketing-Expertin einer großen Firma zur Sockenstrickerin eines Familienunternehmens. Das Leben ist bunt! 😉
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Das klingt ziemlich plausibel für mich 😉
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Auch ich,
liebe Anhora,
habe das Sockenstricken wieder gelernt nach dem Tode meiner Mutter –
mit Hilfe und Unterstützung einer befreundeten Handarbeitslehrerin allerdings …
Ich wünsche dir schöne Stunden beim Stricken kleiner Babyfinkli (etc.) mit den Bambusnadeln deiner Mutter, der Urgrossmutter des bald zur Welt kommenden Kindes 🙂
Liebes Grüssle über die Grenze
Hausfrau Hanna
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Liebe Hausfrau Hanna, das Sockenstricken ist also noch für mehr Menschen eine Erinnerung an die Mutter! Interessant, was manchmal hängenbleibt.
Unser Zwergle wird jedenfalls bestrickt, was das Zeug hält. Mit Bambusnadeln natürlich. 🙂
Lieber Gruß zurück, Anhora
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Wenn ich Stricken könnte, würde ich aufgrund dieses Beitrags sofort Bambusstricknadeln bestellen. Aber Stricken hat man Jungen nie beigebracht, ich bin aber schon stolz, dass ich die Socken stopfen kann, die andere gestrickt haben …. im Haus liebe ich dicke Wollsocken ….
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Lieber Martin, es gibt in diesen Zeiten auch Frauen, die nicht stricken können. Meine Tochter zum Beispiel. Sie lernen es in der Schule (wie die Jungs inzwischen auch) und vergessen es wieder. Deshalb sind meine Stricksocken weithin begehrt. 😉
Es zaubert mir allerdings ein Lächeln ins Gesicht, dass du aufgrund meines Beitrags zu Bambusstricknadeln konvertiert wärst! 🙂
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Die liebevolle Geschichte des Bambus-Nadelspiels rührt mich, ich habe beim Aufraümen des Haushalts meiner verstorbenen Eltern ähnlich Angefangenes gefunden und auch das Fersenstricken erst viele Jahre nach dem Handarbeitsunterricht der Schule freiwillig und aus Liebe wieder gelernt.
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Wer weiß, wie viele angefangene Socken eine Geschichte erzählen könnten. 😉
Danke für deinen netten Kommentar! 🙂
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Vor allem, wenn man weiss, wieviele Gedanken jemandem beim Stricken durch den Kopf gehen. Die Vorstellung, davon wären Geschichten hineingestrickt, wie die früher die irischen Frauenhaare in die Aran-Pullover ihrer Fischer-Männer für Glück und Haltbaarkeit, könnten sie bestimmt oft bewegende Romane erzählen.
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Verstrickte Haare! Was für eine Idee, davon hab ich noch nie gehört. Aber schon beim Durchlesen spüre ich, dass das den Männern Glück brachte! (Daraus machen wir besser kein neues Projekt) 😉
Ja, es gibt viele Geschichten, die unerzählt bleiben. Die Zimmerreisen sind dafür eine schöne Plattform. 🙂
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schön, das zu lesen!
auch i habe in einer früheren lebensphase (gefühlt) tausende socken gestrickt, mit metall-, dann auch mit den, wie von dir beschrieben, viel angenehmeren bambusnadeln – und hab mir selber aus dieser strickphase eine angefangene socke hinterlassen, weiß sogar, wo sie liegt … 😀
besonders gefällt mir, wie du den bogen schlägst von deiner mutter zu deinem eigenen tun, dann zu deiner tochter und zum neuen leben, deinem enkelkind, urenkelchen deiner mutter – so geht der faden durch die generationenund verbindet altes und junges leben …
ein enkelkind ist etwas wunderbares, ein geschenk und große freude. ich hoffe, ihr lebt nicht allzu weit entfernt voneinander.
vielliebe sonntagsgrüße:
pega
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Liebe Pega, danke für deinen schönen Kommentar, ich freu mich darüber! 🙂
Meine Tochter lebt wieder in ihrer Heimatstadt, wenige km von mir entfernt. Ich werde mein Enkelkind also aufwachsen sehen, und ich freu mich so darauf. Das Leben geht weiter, besser kann man es nicht erfahren! 🙂
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wunderbar, das freut mich für dich!
ja, das leben geht weiter, trotz alledem und alledem! ❤
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