Da Reisen wegen Corona lange kompliziert oder unmöglich waren, ruft puzzleblume seit einiger Zeit zu Zimmerreisen auf. Wenn man genau hinschaut, gibt es nämlich auch zu Hause viel zu entdecken und Spannendes zu erzählen. In der momentanen Etappe sind Reiseziele mit dem Anfangsbuchstaben N oder O an der Reihe.
In meinem früheren Büro stand eine Orchidee. Die Eltern eines Kollegen hatten sie vorbeigebracht, als Dank an das Team für die große Anteilnahme. Ihr Sohn – unser Kollege, der öfters unter einem Schreibtisch zu finden gewesen war, schnaufend, in Kabel verheddert, bis er irgendwann hervorkroch und fröhlich rief: „Jetzt sollte der Computer funktionieren!“ – dieser Sohn und Kollege war tot. Er starb von einem auf den anderen Tag an Herzversagen, Mitte Vierzig war er geworden.
Die Orchidee stand also auf der Emfpangstheke, wunderschön anzusehen. Ich dachte bei ihrem Anblick immer an die Eltern und wie es ihnen wohl geht, und an den Kollegen, der aus einem blühenden Leben gerissen worden war.
Dann hatte ich Urlaub. Als ich zurückkam, bestand die Orchidee noch aus fast kahlen Stengeln und matschigen Blättern, sie lag im Sterben, das war klar. Die Auszubildende hatte es mit dem Gießen zu gut gemeint.
Dass diese Pflanze dem Kollegen nachfolgt, konnte ich nicht hinnehmen. Nicht die auch noch. Ich holte sie zu mir auf den Schreibtisch, ließ sie in Ruhe, zwei Blätter überlebten. Das war im Sommer 2018. In allen künftigen Abwesenheitszeiten nahm ich sie mit nach Hause und brachte sie danach wieder zurück.
Nach einem Jahr lebte die Orchidee immer noch, sie hatte sogar ein neues Blatt bekommen. Als ich Ende 2020 wegen Rationalisierung meinen Arbeitsplatz räumen musste, war sie über dem Berg. Sie hatte drei Blätter und sah gesund aus. Damit es so bleibt, nahm ich die Pflanze mit.
Und dann geschah es: wenige Wochen nach meinem Ausscheiden schob sich ein Blütenstiel ans Licht. Heute, einige Monate später, sieht sie so aus:



Gegen das Vergessen.
Warum sind Zimmerpflanzen gesund?
Zimmerpflanzen sehen nicht nur hübsch aus, sie tun auch unserem Organismus gut. Wir müssen sie nicht gleich essen, aber sie reinigen die Luft von Schadstoffen, produzieren Sauerstoff und regulieren die Luftfeuchtigkeit (man könnte auch einen Luftbefeuchter anschaffen, der sieht aber nicht halb so gut aus).
Auch mental wirken Zimmerpflanzen: Die meisten Menschen verbinden mit Pflanzen Natur, Entspannung und Harmonie. Das gilt für draußen wie für drinnen: Zimmerpflanzen beruhigen die Nerven, fördern die Kreativität und erhöhen die Konzentrationsfähigkeit. Ob das schon bei einem einzelnen Töpfchen funktioniert, weiß ich nicht. Meine Empfehlung: Besser mehr.
Zimmerpflanzen gegen depressive Phasen
Selbst therapeutisch sind Zimmerpflanzen einsetzbar:
Das Pflegen und Hantieren mit Pflanzen wirkt wie eine Meditation und beruhigt.
Einer Pflanze beim Wachsen zu zuzusehen, kann wieder ein Gefühl von Selbstwirksamkeit erzeugen.
Das Recherchieren zur Pflege verschiedener Pflanzen lenkt die Gedanken in eine neue Richtung.
Gedeihende Zimmerpflanzen sorgen für das eine oder andere Dopamin-Schüblein, also Glücksgefühle.
Wer sich über soziale Medien über Zimmerpflanzen austauscht, kann wieder Kontakt zur Außenwelt finden.
Vom Statussymbol zum Massengeschäft
Bereits im alten Ägypten und Rom wurden Pflanzen in Behältern gezogen, um ihre Schönheit zu genießen oder als Statussymbol, wenn es sich um exotische Pflanzen handelte.
Auch bei uns waren Zimmerpflanzen vor hunderten Jahren noch Repräsentationsobjekte, denn nur Reiche konnten sich ihre Anschaffung und Pflege leisten.
Im Internet-Zeitalter ist das nicht mehr vorstellbar, aber ich erinnere mich an stunden-, tage-, wochenlanges Blättern in Pflanzenbüchern und Bildbänden. Oh, wie ich träumte, was aus meinem dreiblättrigen Ableger werden könnte! Nicht alle Träume wurden wahr, aber die Vorfreude konnte mir niemand nehmen.
Das gibt es heute nicht mehr, Zimmerpflanzen sind ein Massengeschäft geworden. Es gibt sie schon für wenig Geld, und in jedem Topf steckt eine Pflegeanleitung: knapp, bequem, kurzlebig.
Positive Energien – der Pflanzenkult in Asien
In Asien spielen Zimmerpflanzen eine bedeutende Rolle, man denke nur an Bonsai und Ikebana. Als Feng-Shui-Anhängerin weiß ich natürlich, dass eine gesunde Pflanze Glück ins Haus bringt.
Feng Shui sagt: Wenn eine Pflanze gedeiht, entsteht positive Energie im Raum. Kränkelnde und sterbende Pflanzen müssen deshalb entsorgt werden (bei der Orchidee musste ich eine Ausnahme machen). Gesunde Pflanzen hingegen stehen für Wachstum, Freude, Erneuerung und Vitalität.
Fazit
Unabhängig von all den positiven Auswirkungen: Wenn eine Pflanze an einem Platz steht, an dem sie atmen und bewundert werden kann, schaut man gerne hin. Schon deshalb gibt es selbst in meiner kleinen Wohnung mehrere grüne Mitbewohner.
Pingback: Einladung zu den Zimmerreisen 08/2021 – Puzzleblume ❀
Schau bitte nach oben, da steht der Ping vom Zwischenstand der vorigen Woche für diese Geschichte.
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Danke für den Hinweis! Aus irgendeinem Grund erscheinen Pingbacks bei mir nicht in den Benachrichtigungen, ich muss direkt auf die Seite klicken.
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Pingback: Zwischenstand zu den Zimmerreisen 07/2021 – Puzzleblume ❀
Das du die Orchidee nach dem Erlebnis mit dem Kollegen retten wollltest, kann ich verstehen. Ach ja, wenigstens die Erinnerung soll weiterleben. Schön, daß du sie retten konntest. Vielleicht muß man kranke Pflanzen nicht gleich entsorgen. Auch sie haben eine Chance verdient und wenn es mit dem Aufpäppeln klappt, ist die Freude besonders groß. Wenn nicht, kann man sich immer noch trennen. Orchideen sind wirklich tapfere Pflanzen. Pflanzen habe ich draußen wie drinnen jede Menge. Ohne könnte ich nicht leben und sie machen mir immer Freude. Wieder eine schöne Geschichte! Vielen Dank dafür!
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Danke für deinen Kommentar! Ich freu mich, dass dir die Geschichte gefällt.
Ich mag den Anblick von siechenden und kranken Pflanzen eher nicht, mache lieber einen Ableger und werfe den Rest auf den Kompost. Aber bei der Orchidee kam das nicht in Frage – als wäre der Geist des Kollegen in sie gefahren. 🙂
Ohne Pflanzen könnte ich auch nicht leben, selbst in der kleinsten Wohnung findet sich Plätzchen.
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Der Geist des Kollegen wohnt bestimmt in dieser Pflanze 🙂 Ein schöner Gedanke. Mir wäre es ähnlich gegangen, vom Gefühl her. Ich finde auch, ein bißchen geht immer. Mir ist es eher suspekt, wenn jemand gar keine Pflanzen hat! Nee, da fehlt definitiv was!!!
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Berührende Geschichte – herzlichen Dank.
Jetzt wo ich’s bei dir gelesen habe. Stimmt wohl mit der therapeutischen Wirkung von Pflanzen. Wenn’s dunkel, grau und unfreundlich ist, verfalle ich in einen Kaufrausch und besorge mit Blumen und Pflanzen, die ich als Stimmungsaufheller in der Wohnung aufstelle.
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Das ist doch eine gute Idee! Blühende Farbtupfer oder dekoratives Grün helfen bestens gegen dunkle Zeiten!
Bei mir steht immer irgendwo ein Blumenstrauß herum, meist irgendwo gepflückt. 🙂
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Eine berührende Geschichte,
liebe Anhora,
diese deine 7.Zimmerreise!
Du hast nebst einem grünen Daumen (wie man zu sagen pflegt) auch eine empathische, den Menschen zugewandte Art.
Hab einen guten Tag!
Liebes Grüssle über die Grenze
Hausfrau Hanna
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Liebe Hausfrau Hanna,
danke für deinen netten Kommentar. Ob Zimmerpflanzen oder Menschen – wer sich einfühlen kann, wird in den meisten Fällen belohnt! 🙂
Blühendes Grüßle in die Schwyz!
Anhora
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Wie wunderbar und hilfreich wurde diese Orchidee doch nun, wie eine Hilfe zum Weiterleben von dem Verstorbenen, der offenbar unsichtbar noch nicht ganz fern war … Nun freut er sich „drüben“ wohl mit an der Freude, dem seelischen Gleichgewicht, den neuen Kontakten… Und dies Helfen macht ihm auch Freude, weil er spürt, daß er noch geliebt wird und sich hier nützlich machen kann. So etwa kommen mir die Gedanken dazu.
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Liebe Gisela, danke für deine liebevollen Gedanken zu dieser Orchidee. Ich sehe tatsächlich auch eine Verbindung zwischen dem verstorbenen Kollegen und dem Leben. Etwas von ihm ist noch da und wird auch da bleiben. Die Orchidee symbolisiert das, deshalb war und ist sie ein Trost. 🙂
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😊
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Ihr habt einen tollen Ausblick, die Pflanze & Du.
Und – sie hat es offensichtlich gut bei dir.
L.G. 🙂
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Ja, der 7. Stock entschädigt dafür, dass ich keinen Balkon habe. Der Orchidee gefällts auch. 🙂
Hab einen schönen Tag!
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Eine emotionale Geschichte, wie schön! Ich habe sie gleich auch meine Tochter lesen lassen, die mich sah und fragte, warum ich gerade Tränen in den Augen habe. Sie selbst, gerade vierzehn, ist seit ein paar Monaten zu einer wahren „Zimmerpflanzentante“ geworden. Auch von ihr ein dickes Kompliment für deinen Beitrag! 😊
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Liebe Anke, es berührt mich, dass mein Beitrag dir und deiner Tochter zu Herzen gegangen ist. Danke für deinen Kommentar und ein lieber Gruß an deine Tochter! Sie wird mit Zimmerpflanzen viel Freude erleben. 🙂
Die Geschichte an sich ist tatsächlich emotional. Der Tod des Kollegen war ein Schock, den ich mit der Orchidee im Lauf der Zeit verarbeitet habe.
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Orchideen sind erstaunlich.
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