Seit einem Jahr hält eine Pflanze durch, ohne gegossen zu werden. Sie lebt bei mir im Treppenhaus und besitzt noch ein einziges Blatt besitzt: klein, grün, weich. Bewerben wir uns fürs Guinness-Buch der Rekorde? Wer hätte gedacht, dass eine Amaryllis sich als solches Monstrum an Nicht-Loslassenkönnen zeigt. Schon im Herbst letzten Jahres sollte sie in feine, frische Erde kommen und bald wieder Wasser erhalten, nachdem ich im August das Gießen eingestellt hatte. Damit sie Kraft für die nächste Blüte schöpfen kann, sollte sie sich nämlich ein paar Wochen lang ausruhen und – in Pflanzenratgebern so nachzulesen – ihr Laub einziehen. Tat sie aber nicht. Trotzig blieb sie auch ohne Wasser im Saft wie ein kleines Mädchen, das nicht Schlafen gehen will. Als gäbe es sonst keinen nächsten Tag.
Auch bei Kindern lenkt man gelegentlich ein, selbst wenn sie nicht Recht haben, und bei der widerspenstigen Amaryllis gebe ich mich nun ebenfalls geschlagen. Mit dem Rest-Laub vom vorigen Jahr kommt sie in einen neuen Topf und wird wieder gegossen. Ich kann es nicht mehr mitansehn.