Archiv der Kategorie: Tiergeschichten

Fundstück

Das haben wir in der Gerätekammer unserer Gartenhütte entdeckt!

Es handelt sich um ein Wespennest und Google behauptet, dass man bis zu 50.000 EUR Strafe zahlt, wenn ein solches ohne Genehmigung entfernt wird. Na gut. Ich hätte es auch ohne Strafandrohung gelassen, allerdings ist der Raum dort nur etwa 2 qm groß. Ich hoffe also, dass die Viecher werden nicht nervös werden, wenn ich Hacke oder Rasenmäher brauche. Und dass der Nestbautrieb nicht ausufert und im Sommer etwas Kürbisgroßes in der Hütte hängt!


Hat von euch jemand Erfahrung mit einem Wespennest im oder am Haus?

Der Schatten des Esels

Ein Zahnarzt mietete einen Esel für eine Tagesreise. Als er sich in der Mittagshitze in den Schatten des Tiers legte, hinderte ihn der Eselstreiber daran. Er habe ihm wohl den Esel vermietet, nicht aber dessen Schatten. Dafür seien zusätzliche Gebühren fällig. Es folgte ein unangenehmer Streit, die Sache kam vor Gericht, die Bürger der Stadt mischten sich ein, dann das ganze Land und schließlich kam es zur Spaltung des Volks und Bürgerkrieg. „Esel oder Schatten?“ wurde zur Glaubensfrage.

Diese Geschichte schrieb ein Dichter aus Biberach im 18. Jahrhundert, angelehnt an ein Grundmotiv aus der Antike. Es ist eine Satire auf die Macht der Deutung und das Spiel der Advokaten. Wer seinen Standpunkt nicht aufgibt, und wer sich von geschäftstüchtigen Juristen oder anderen Leuten mit eigenen Absichten dabei noch befeuern lässt, der riskiert den Frieden.

(Spontan fallen mir dazu die lieben Engländer mit ihrem Brexit-Chaos ein.)

Biberacher Marktplatz: Skulptur von Peter Lenk nach „Der Prozess um des Esels Schatten“ von Christoph Martin Wieland (1733-1813) aus Oberholzheim bei Biberach.

Was gibt es sonst noch in Biberach?
Es lebe die Vielfalt!

Heiligs Blechle!
(Skulptur vor dem Museum Biberach)

Einblicke (in den Museums-Innenhof)

Übrigens:
In Biberach fand die erste Shakespeare-Aufführung in deutscher Sprache statt, und ihre mächtige gotische Kirche nutzen die Gläubigen beider christlichen Konfessionen schon seit dem 16. Jahrhundert gemeinsam.

Mir gefällts hier! 🙂

Die drei ???

Als ich kürzlich zur Arbeit fuhr, stand ein Bernhardiner am Zebrastreifen. Er schaute nach links, schaute nach rechts und durch meinen Kopf schossen drei Fragen:
1.) Muss man am Zebrastreifen auch für einen Hund bremsen? 2.) Kann ein Hund Verkehrsregeln begreifen? und 3.) Wo ist Herrchen?

Ich hatte noch keine einzige Antwort gefunden, da erledigte sich die erste Frage schon von selbst: Ich hielt an, denn der Hund war einfach losgetrabt und überquerte die Straße.
Als ich weiterfuhr, schlappte ein verschlafenes Frauchen um die Ecke, somit war auch die dritte Frage beantwortet.

Aber nun die zweite Frage an alle Hundebesitzerinnen und -besitzer: Kann ein Hund die Bedeutung von Zebrastreifen verstehen? Oder hatte ich eine Halluzination?

 

Fragespiel

Es ist nicht so, dass ich auf alles eine Antwort haben muss. Es ist nur so, dass mich ungelöste Phänomene nicht loslassen. Heute zum Beispiel beschäftigte mich die Frage, warum die Spinnenbabys auf dem Balkon gestern Abend noch friedlich zusammengeknödelt an einem Zweiglein hingen, und heute Morgen waren sie woanders. Sie sind mindestens 30 cm weitergezogen, für ein knapp 1 mm großes Spinnenbaby ein langer Weg. Wieso machen sie das? Und wie finden sie wieder zusammen?

Nicht dass es in meinem Leben nichts anderes gäbe, was mich beschäftigt, das gibt es wohl. Vielleicht ist es gerade deshalb so attraktiv, mir über die Kinderstube einer kleinen Spinnenstaffel den Kopf zu zerbrechen. Es ist so angenehm unwichtig, und doch auch ein wenig aufregend – gerade recht, um auf andere Gedanken zu kommen.

Damit ich heute Nacht aber schlafen kann, habe ich mir folgende Lösungen ausgedacht:

Sie machen das, weil ich zu oft mit einem Stöckchen an ihrem Kokon gezupft habe (es ist zu lustig, wenn dann alle auseinanderrennen). Es ging ihnen auf die Nerven.

Der Umzug erfolgt so, dass ein Spinnlein einen kleinen Faden produziert und sich vom Wind ein Stück forttragen lässt, zum Beispiel zwei Blätter weiter. Dort wird geankert, und es produziert wieder ein Fädchen und lässt sich wieder ein Stück weitertragen. Das macht es so lange, bis es einen Platz ohne stöckchenschwingende Frauen mittleren Alters gefunden zu haben glaubt. Die andern krabbeln einfach an den Fäden entlang hinterher bis zum neuen Parkplatz, schon ist die Umsiedlung abgeschlossen.

So entstand der Begriff „Leitfaden“.

Und ich verspreche: ich lass die Krabbelbabys jetzt in Ruhe.

Spinnennest-4_Wo der Pfeil ist, waren sie vorher! (Das Blatt ist zwecks besserer Aufnahmetechnik nach unten gebogen)

Was bisher geschah

Tierisch schöner Gartenknödel

Auf meinem Balkon wächst auch dieses Jahr wieder ein sonderbarer Blütenschmuck. Er ist allerdings nicht der Flora zuzuordnen, sondern der Fauna, denn bei näherem Hinsehen erkennt man ein kleines Ballongespinst mit zahllosen Krabbeltierchen. Dabei handelt es sich um Gartenkreuzspinnen in einer frühen Lebensphase, und wenn man mit einem Stöckchen die Fäden berührt oder ein bisschen am Pflanztrog rüttelt, dann rennen alle auseinander. Die Eier dieser Spinnenart werden schon im Herbst abgelegt und die Babys schlüpfen noch vor dem Winter. Geschützt in ihrem Kokon überstehen sie im Winter Temperaturen bis zu -20 Grad. Kreuzspinnen kommen übrigens nie ins Haus. So mag ich sie am liebsten.

Spinnennest-1

Spinnennest-2

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Perspektivenwechsel

Spinne (10)

Graust’s euch?

Mich schon.

Spinne (11)

Dieselbe Spinne, derselbe Ort, derselbe Tag.

Distanz schafft ein größeres Sichtfeld. Ein Schritt rückwärts, und mehr Elemente werden sichtbar. Größenordnungen relativieren sich, der Kontext wird klar, es ist nur eine vollgefressene Kreuzspinne auf dem Balkon. Keine 3 cm groß. Sie kann nicht springen, auch wenn es mir fast unmöglich scheint, das zu glauben. Sie wird keinen Satz machen, niemals in meinem Gesicht landen und mich nicht auffressen. Sie kann es nicht, es ist so. Ich sage es mir immer wieder auf.

Jeden Tag trainiere ich, indem ich sie anschaue, mich sogar mit der Kamera ran traue. Ich will das untere Exemplar sehen, nicht das obere. Es funktioniert, aber nur draußen.

 

Und bei anderen Ungeheuern des Alltags manchmal auch gar nicht.

 

Vom richtigen Gespür

Jemand erzählte mir neulich die wahre Geschichte einer Katze, die nicht nur über sieben Leben, sondern auch über sieben Antennen verfügte. Noch heute ärgert er sich, wenn er an sie denkt. Es begann wie unzählige Geschichten mit Kindern, die sich ein kleines süßes Schmusekätzchen wünschen. Mein Bekannter wusste aber, wer dann für Futter, Tierarzt und Katzenklo zuständig sein würde, und sagte Nein.

Die Kinder hörten indes nicht auf zu bitten und zu flehen, und als alles nichts nützte, brachten sie eines Tages ein Katzenjunges vom Nachbarn, wo es zu ungewolltem Nachwuchs gekommen war. Ob man es eine Weile behalten dürfe, bettelten sie, nur ein halbes Jahr. Das kleine Pelzknäuel maunzte leise und blickte meinen Bekannten mit großen Augen an als wolle es sagen: So herzlos kannst du nicht sein, dass du mich zu Leuten zurückschickst, die mich loswerden müssen. Man einigte sich auf vier Wochen, bis der Nachbar einen Platz gefunden hat, wo es bleiben kann.

Fortan schlich das Kätzchen meinem Bekannten um die Beine, schnurrte, wenn er es auf seinen Schoß hob, rieb behaglich das Köpfchen in seine Armbeuge, wenn er am Abend auf dem Sofa saß, ließ sich die Samtpfötchen kraulen. Eine bezaubernde Liebschaft entstand. Mein Bekannter mochte sich ein Leben ohne Miezchen bald nicht mehr vorstellen und sagte den Kindern, es dürfe bleiben.

Von diesem Tag an begab sich die Katze wieder auf ihre eigenen Wege. Vorbei wars mit den Kuschelstunden. Streicheln ließ sie sich nur dann und wann und meist nicht von ihm. Wenn er sie zu fassen versuchte, fauchte sie und krallte, und was meinem Bekannten blieb, war die Zuständigkeit für Futter, Tierarzt und Katzenklo.

Zuwendung entsteht schon immer fast wie von selbst, wenn ein Ziel im Hintergrund steht. Das ist nicht nur bei Katzen so.

Mutig, mutig!

Ungläubig blicke ich an die Wand. Ich halte den den Abluftschlauch des Trockners in der Hand und wie ich so zum Fenster schaue, zeichnet sich darunter auf der Mauer das Schattenbild des Schlauchs ab und mit ihm etwas, das aussieht wie eine monströse Spinne. Mein Blick flattert auf den Schlauch, aber da ist nichts. Natürlich nicht. Die Spinne hängt ja auch unten dran. Der Schlauch klatscht auf den Boden, daneben die Spinne. Sie ist längst verstorben.  Deshalb geht sie auch nicht ab, als ich sie mit dem Fuß abschütteln will.

Zum Glück ist die Zeit vorbei, da ich einen Raum, in dem sich wissentlich eine Spinne aufhält – egal ob lebend oder tot – überhaupt nicht betreten hätte. Das Leben hat mich hart gemacht. Als Frau eines Geschäftsreisenden und Mutter mehrerer Kinder blieb mir nichts übrig, als gelegentlich das Treppenhaus oder Esszimmer von solchen Ungeheuern zu befreien, meist durch das Werfen von Gegenständen.

Mit den Jahren fühlte es sich dann nicht mehr an, als ob das Tier seine Größe in der nächsten Sekunde um ein Vielfaches explodieren lassen könnte, um mich mit behaarten Fängen festzukrallen und mir den Kopf abzubeißen. Lächerlich. Ha! Tapfer hacke ich jetzt mit einem Kleiderbügel auf den Schlauch ein, um das Viech abzubekommen. Da bewegt es sich.

Im nächsten Moment hänge ich an der Tür und spähe mit pochendem Herzen zurück. Die Spinne ist tot. Es war nur ein Windzug.

Neigungen

Um uralte Fehleinschätzungen nachhaltig auszuräumen, sind Beweismittel dienlich, die den Sachverhalt von einer immer wieder anderen Seite beleuchten. Tatsächlich ist das Indiz, von dem ich hier spreche, schon eine Weile bekannt, aber doch nicht jedem. Es geht um zwei Störche. Irgendwo in den anliegenden Wiesen hier bewohnen sie ihr Nest.  Identifiziert, vermessen und registriert sind sie den Dorfbewohnern seit Jahren bekannt. Deshalb weiß man, dass auch in diesem Jahr keine Jungen zu erwarten sind. Es gab ja nie welche. Mit Impotenz hat das nichts zu tun und auch nicht mit Unfruchtbarkeit, die Vögel sind kerngesund. Der Grund für die Kinderlosigkeit ist etwas anderes: zwei Männchen turteln dort miteinander. Sie sind schwul. Untersuchungen haben längst entdeckt, dass gleichgeschlechtliche Paare auch im Tierreich vorkommen. Wir können also eine angeborene, natürliche Orientierung daraus ableiten.

Warum bewohnen die Jungs aber dasselbe Nest und nicht jeder ein eigenes, wenn kein Nachwuchs aufzuziehen ist? Vielleicht findet die Wissenschaft eines Tages heraus, dass es bei Tieren – egal welcher Neigung – auch Zuneigung gibt.

Wenn ich zum Bürofester rausschaue, sehe ich diese beiden. Heteros. Die beiden Schwulen leben nicht weit von hier.

Ländergrenzen? Nicht dass ich wüsste, sagte der Storch.

Sie sind weg. Seit über einer Woche habe ich die beiden Störche im Nest auf der anderen Straßenseite nicht mehr gesehn. Vielleicht sammeln sie sich irgendwo, wahrscheinlicher sind sie schon auf dem Weg, als ungeordneter Schwarm am Himmel. Das würde ich gerne einmal sehn. Wie kommen sie wohl über die Alpen? Als Segelflieger schaffen sie angeblich bis zu 500 km am Tag, dann wären sie längst in Afrika. Oder haben sie Pausen eingelegt? Ein paar Tage Italien vielleicht?  Schön, einfach wegfliegen zu können.

Tierparks allerorten

Es sind nur noch zwei der Firmen-Störche da. Heute Morgen standen sie in ihrem Horst, den ich von meinem neuen Büro aus nun direkt sehen kann. Der dritte der Familie ist entweder mit Freunden unterwegs oder schon auf dem Weg in den Süden. Gestern in Salem stellten wir dagegen fest, dass der Reisetermin für die meisten noch nicht gekommen zu sein scheint.

Wo ist er also?

Fest angestellt sind in Salem jedenfalls die Affen. Die turnen sommers wie winters in den Bäumen des Affenbergs herum und man darf sie mit Popcorn füttern.

Hmmm … Popcorn …

Yummi yummi!

Hmmm … Popcorn …

… nehm ichs halt.

Störche, Affen, beides hatte ich auch heute noch. Urlaub ist vorbei, bin wieder beim Arbeiten.

Familienidylle

In der Nähe der Firma beobachte ich manchmal drei Störche auf einer Wiese. Es sind „unsere“ Störche, ihr Nest befindet sich neben dem Gebäude, in dem ich arbeite. Das Junge ist von den Eltern nicht mehr zu unterscheiden, so groß ist es geworden. Die Familie bleibt noch zusammen und stakst auf immer demselben Flecken herum, weiße Vögel im nassen Gras. Und in der Nacht? Verbringen sie sie zu dritt im Nest? Passen die da alle noch rein?

Gestern hat eine Kollegin ihr erstes Baby bekommen. Eine weitere ist schwanger. Die dritte wurde vor einem Jahr Mutter und ist für die Firma nicht mehr verfügbar. Die Chefin sagt, die Störche werden jetzt erschossen.

😉

Storch allein im Nest

Unberührt von den Niederungen eines Büroalltags oder Gespenstern aus der Vergangenheit steht ein vereinsamter Storch hoch oben im Strommasten-Nest. Von drei Geschwistern überlebte nur er. Groß ist er geworden, das Gefieder nun weiß mit schwarzen Schwanzfedern. Fast erwachsen steht er da, stundenlang und ganz allein, mit offenem Schnabel wegen der Hitze. Was für ein Leben, mit nichts zu tun als zu verharren, bis der Herbst kommt. Oder die Eltern mit einem Frosch. Angestrengt schaut er in die Ferne, als warte er auf den Bus. Was windet sich wohl durch sein Storchengehirn? Ob er schon fliegen kann? Ob er es will?

C‘est la vie

Von drei geschlüpften Storchenjungen ist allem Anschein nach nur noch eines da. Manchmal sehe ich es – größer geworden und inzwischen weiß gefiedert – über dem Zweiggeflecht des Horsts in die Welt hinausblicken. Noch immer wird es fortwährend bewacht von seinen Eltern. Ob oben auf dem Strommast noch jemand an die Geschwister denkt? Wohl nicht. Nur ich erinnere mich an sie, eine Weile lang, bis auch ich sie vergesse. So ist das Leben eben.

Man sieht schon das Köpfchen!

Genau gesagt drei Köpfchen sind es geworden. Wie kleine U-Boot-Periskope tauchen sie auf und besichtigen die Welt. Die besteht vorerst aus einer Dorfstraße, ein paar Häuserreihen, Wiesen und am heutigen Tag aus einem leuchtend blauen Himmel.

Über den dunkel-flaumigen Zwerglein ragt mächtig und weiß die Storchenmutter. Jetzt biegt sie den Hals weit zurück, bis der Kopf am Rücken ankommt und ihr Schnabel in die Luft zeigt. Unter lautem Geklapper richtet sie sich elegant wieder auf, hält einen Moment inne und stupst dann eins der Federköpfchen, die vor ihr herumwackeln.

Nur wenn der Sommer feucht bleibt, wenn Frösche, Schnecken und Würmer sich nicht ins Erdreich vergraben – nur dann werden die hungrigen Hälschen gestopft. Bei Futternot stoßen die Eltern ihren Nachwuchs aus dem Nest. Die Küken zählt man erst im Herbst.

Lange Stunden

Im Storchennest tut sich nicht viel. Manchmal steht einer der Vögel darin, meistens schaut nur etwas Weißes hinter dem Rand aus Zweigen hervor. Es gehört zu dem Storch, der auf dem Gelege kauert. Der andere watet durch nasses Gras und jagt Mäuse oder Frösche, beim Mittagsspaziergang sehe ich ihn manchmal.

Vom Brütenden erkennt man nur das Gefieder. Kein Kopf reckt sich hoch und erforscht die Straße, kein neugieriges Storchenaugenpaar späht über Häuser hinweg, kein Schnabel klappert. Träge dehnt sich der Vogel über den Eiern und ich frage mich: wie lange schon. Eine Stunde? Zwei? Sechs? Wir mit unseren überdrehten Gehirnen können uns nicht vorstellen, untätig zu verharren. Menschen in Pflegeheimen vielleicht. Demenzkranke. Oder der Herr in Loriot’s Cartoon. „Möchtest du nicht spazieren gehn?“ „Nein. Ich möchte nur hier sitzen.“

Stunden. Tage. Wochen. Etwa einen Monat lang wechseln die Eltern sich ab mit dem Warmhalten der Eier. Was nehmen sie wahr während langer Nachmittagsstunden? Es tun doch mal die Glieder weh. Die Knochen. Der Hintern. Macht ein Storch sich Gedanken, ob er bald ausfliegen darf? Träumt er von Würmern und fetten Wiesen? Wie lang ist eine Storchenstunde?

Ich könnte das nicht. Ich meine, nichts zu tun. Nie hört mein Hirn auf zu suchen, zu fragen, Beschlüsse zu fassen und Dinge voranzutreiben. Ohne Nahrung schlägt es Purzelbäume. Wie machen die Störche das?

Vielleicht schlafen sie einfach.

.

Loriot – Hier sitzen

 

Ausblicke

Vor ein paar Tagen stand ich am Kopierer und beobachtete wie immer  durchs Fenster den Strommasten draußen. Ich wollte wissen, was unser Storchenpärchen tut. Mal stehen beide Vögel oben auf ihrem Lager aus Zweigen, mal nur einer von ihnen, mal keiner. Was ich diesmal sah, war jedoch so ungeheuerlich, dass ich es kaum glauben mochte: Ein Riesenvogel besetzte das Nest! Mit ausgebreiteten Flügeln zappelte dort ein weißes Ungetüm prähistorischen Ausmaßes.

Ich vergaß die Kopien und trat zum Fenster, um besser zu sehn, was da vor sich ging. Es war natürlich keine Überraschung, was ich entdeckte, und ich lachte. Ist es nicht Frühling? Unser Storch versuchte gerade, sich auf die Störchin zu setzen, und die Beine von Adebar sind lang, aber nicht so lang. Also musste er ohne festes Nest unter den Füßen mit Flügelhilfe seine Position auf der Dame halten. Wie ein Schwimmer, der im Wasser auf der Stelle hampelt. Die Spannweite von Storchenflügeln kommt auf bis zu zwei Metern, und von weitem erschienen die beiden Körper wie ein einziger.  Als ich zum Fenster hinausgeblickt hatte, sah es deshalb aus, als steige ein gewaltiger Phönix aus der Asche. Besser gesagt aus dem Strommast.

Nun, wir können uns denken, wie es mit unseren ganz normal gebauten Störchen dort oben weiter geht!

Sie ist da!

Vielleicht traf sie eine Freundin und es gab viel zu bereden. Vielleicht machte sie Pause um sich zu erholen nach dem langen Flug. Oder sie hatte einfach keine Eile. Aber nun – zwei Wochen nach ihm – ist sie da. Er hatte rechtzeitig die Wohnung besetzt, das eine oder andere ausgebessert nach dem langen Winter, Erdklumpen, Gras und Moos herangetragen. Hübsch hergerichtet ist alles.

Mit kalten Zehen steht er nun bei ihr, und sie betrachten die feuchten, saftigen Wiesen nicht weit von hier, den Bach unter ihnen, das Dorf, in dem sie jeden Sommer verbringen. Zwei Weißstörche sind bereit für eine neue Geschichte im Buch des Lebens.

Storch, Storch, Schnibel, Schnabel

*

Storch, Storch, Schnibel, Schnabel,
mit der langen Heugabel,
mit den langen Beinen.
Wenn die Sonn tut scheinen,
sitzt er auf dem Kirchendach,
klappert laut, bis alles wach!

*

Diesen Reim kenn ich auswendig. Ich las ihn meinen Kindern vor, als sie noch klein waren.

„Mein“ Storch lebt nicht auf dem Kirchendach, sondern auf einem Strommasten. Die letzten Tage sah ich ihn oft im Nest. Reglos stand er da in der Frühlingssonne, stundenlang. Gelegentlich pickte er an den Zweigen, als sortiere er etwas. Er hatte keine Eile damit. Was für ein Leben, dachte ich, ein Mensch kann sich das nicht vorstellen. In Deutschland schon gar nicht. Zeit ist kostbar, wir wollen sie nutzen, müssen etwas tun. Was alten Menschen wohl durch den Kopf geht, wenn sie nichts mehr tun können? Wie lange dauert es, bis man sich daran gewöhnt? Der Storch hingegen kennt es nicht anders. Er steht einfach da und das genügt.

*

Storch hat sich aufs Nest gestellt,
guckt herab auf Dorf und Feld,
wird bald Ostern sein?
Kommt hervor, ihr Blümelein,
komm hervor, du grünes Gras,
komm herein, du Osterhas!
Komm bald fein und fehl mir nit,
bring auch viele Eier mit!

*