Archiv der Kategorie: Sommer

Zu heiß zu allem?

Bei anhaltenden Hitzephasen mit all ihren Begleiterscheinungen macht man sich schon mal Gedanken darüber, wie sich das Klima auf Menschen auswirkt.

Südländer mussten immer schon am Tag in der Hängematte liegen, um nicht beim Arbeiten in glühender Sonne an einem Hitzschlag zu sterben. Trotzdem hatten sie genug zu essen: Früchte fallen vom Baum, Gemüse wächst aus der Erde, Fische zappeln am Strand. Sowas in der Art.

Wir Nordländer hingegen mussten stets ackern und machen und tun, um nicht zu verhungern und zu erfrieren: Häuser bauen, Vorräte anlegen. Wenn wir aber im Herbst die Heugabel zur Seite legten, hatten wir Zeit zum Nachdenken, Neues erfinden, Erkenntnisse gewinnen.

Deshalb stammen die größten Bauwerke, Erfindungen, Dichter und Denker aus unseren Breitengraden.

Schmarres.

Die mächtigsten Bauwerke der Antike stehen in Ägypten, die ausgefeilteste Technik im alten Rom, die größten Philosophen lebten in Griechenland. Denen war es nicht zu heiß zum tüfteln und denken.

An dieser Stelle: Respekt.

Ab 32 Grad schmilzt mein Gehirn und ich will wie die Katzen nur noch herumliegen. Egal wo.

Aktuelles Kochstudio

Meine selbst eingemachten Zucchini sind die Hölle. 4 Esslöffel zerstoßener Pfeffer auf 1 Liter Aufguss ist zuviel. Ob es die Schärfe ist, die nicht ganz durchgekochten Zwiebelringe (5 Minuten sind zu wenig), oder der Essigsud, den ich nicht ja nicht wegschütte, sondern austrinke – wenn ich jedenfalls ein Schüsselchen von meinem ersten Zucchini-Einmachversuch verputzt habe, stoßen wenig später Feuerwellen durch meinen Körper. Schweiß bricht aus, Schnappatmung setzt ein, und selbst die entlegensten Zellen werden aus dem Schlaf gerissen.
Hat was.
Meine neue Hausmedizin gegen Kreislaufschwäche.

 

Rutenfest

Fahnenschwingergruppe St. Konrad

Kürzlich beim Aufmarsch der Trommler- und Fanfarenzüge in meiner Heimatstadt: Dumpfe Trommelschläge hallen von den Mauern der Altstadt und eilen den Zügen voraus, die nach und nach in die Bachstraße einziehen. Sie formieren sich vor einer Tribüne und es wird über eine halbe Stunde dauern, bis die letzte Gruppe angekommen ist.

Bis dahin verharren alle Trommler und Fahnenträger in Habtachtstellung. Es ist ihnen nicht erlaubt zu reden, zu lachen, sich zu rühren. Es ist heiß. Besorgte Freunde und Freundinnen dürfen ihnen Luft zufächeln, Schatten spenden oder eine Trinkflasche an ihre Lippen führen. Nach und nach hat jede Gruppe ihren Einsatz, während alle andern weiterhin strammstehen, stumm, starr. Sie blenden ihre Individualität aus und unterwerfen sich militärischem Drill. Warum nur?

Mein Sohn, selbst ein „Ehemaliger“, erklärt es mir. Zu einem Trommlerzug zu gehören, ist eine Ehre. Es ist cool. Man muss es aushalten, tagelang 12-16 Stunden im Einsatz zu sein, man will besser sein als die anderen Trommlerzüge, man hat eine Gemeinschaft mit festen Strukturen. Die klaren Anweisungen sind für die Vierzehn- bis Achtzehnjährigen mit ihrem pubertären Herummäandern hochwillkommen. (Das erklärt, warum es keine Mädchengruppen gibt. Feste Anweisungen und Vorgaben brauchen sie zu keinem Zeitpunkt in ihrem Leben.)

Nun kommt Bewegung in das Trommlercorps der Gymnasien, das direkt vor mir steht. Sie sind an der Reihe, die Trommelschläger fliegen, jede Bewegung ist bis in den kleinen Finger eingeübt, jedes Zucken im Gesicht unter Kontrolle. Tausende Menschen johlen, tanzen, klatschen. Vor allem die Mädchen.

 

Rutenfest

 

Frühere Beiträge

 

 

Zeitliches

(draufklick = groß)

Jemand hat mir mal gesagt, die Zeit würde uns wie ein Raubtier ein Leben lang verfolgen. Ich möchte viel lieber glauben, dass die Zeit unser Gefährte ist, der uns auf unserer Reise begleitet und uns daran erinnert, jeden Moment zu genießen, denn er wird nicht wiederkommen.

Captain Jean-Luc Picard – Star Trek 7

Ist das nützlich? Oder kann das weg?

 Da unter meinen LeserInnen einige Gartenexperten sind: Diese Tierchen habe ich in einem meiner Balkonkästen gefunden. Weiß jemand, was das ist? Ich vermute, es ist eine Wanzenart. Aber welche? Und tun die meinen Pflanzen was?

 

Dieses Exemplar hockt auf einer Schnittlauchblüte (es ist wohl eher schon der Fruchtstand) und das konnte ich identifizieren: es ist die Larve der Grünen Stinkwanze, deshalb hab ich sie in Ruh gelassen. Aber beim Schnittlauchschneiden werd ich aufpassen!

Ja, geh nur …

Kein Netz auf dem Balkon!

Unser WLAN ist ein Stubenhocker. Es funkt fleißig in der Wohnung herum, doch bis auf den Balkon schafft es nur eine winzige Abordnung an Datensignalen. Nicht genug jedenfalls, um am Internet Freude zu haben. Da aber Sommer ist und das Leben mehr im Freien stattfindet, lasse ich das Tablet eben drinnen und nehme lieber Bücher mit nach draußen (die Ladezeiten der Seiten sind unschlagbar, auch auf dem Balkon). Deshalb ist es zurzeit ruhig in meiner Bloghütte.

WLAN
Sonnige Sonntagsgrüße und bis demnächst!

Drehmoos II

Ich Dussel. Den Namen, den ich einer von mir entdeckt gelaubten rätselhaften, tanzenden Moosart verpasste – den gibt’s ja wirklich. Auf die Idee, meinen Fantasienamen zu googlen, war ich nicht gekommen, aber da haben wir es: Drehmoos gibt’s und bei Regenfall kann es sich ruckartig drehen, weiß Wikipedia, wenngleich sich „meines“ anmutig und feengleich schlängelt. Drehmoos verhält sich also nicht nur wie Drehmoos, sondern es heißt auch so, und damit nicht genug – es ist ein „Wetteranzeigendes Drehmoos“. Das ist mir noch nicht aufgefallen. Ganz sicher ist es ein gießkannenanzeigendes, wie meine Studien ergeben haben. Wenn es sich auch bei einsetzendem Regen dreht – nun ja, dann wissen wir … dass es regnet.

Wetteranzeigendes Drehmoos (Wikipedia)

Drehmoos I

Drehmoos

Drehmoos

Es ist noch nicht lange her, da fand ich auf dem Balkon einen tierisch schönen Gartenknödel. Jetzt hab ich wieder etwas entdeckt: Drehmoos im Balkonkasten. Die Besonderheit dieses Wesens lässt sich auf einem Bild nicht einfangen, deshalb habe ich ein Video hochgeladen (ich werd jetzt nämlich Youtube-Star!)

Habt ihr sowas schon einmal gesehen? Nicht einmal Google erwähnt irgendwo kreiselnde Moosstämmchen. Was tun die da?

Weiter zu Drehmoos II

Erlebnispark zum Nulltarif

Die Luft flirrt, Fliegen und anderes Gebrumm kämmen durch das Gras. Ich liege wieder einmal in der Wiese vor einem Wald-Weiher, weg vom Lärm der Autos und Motorräder, hier gibt es nur Vogelstimmen, Froschquaken, Blätterrauschen. Gerade wird vom angrenzenden Reiterhof ein Pferd gebracht wie jeden Nachmittag. Die Begleiterin führt es über die Wiese zum Wasser hin, da bleibt es plötzlich stehen und schaut zu mir herüber. Als hätte es eine Frage an mich. Dann ruckt der Kopf zur Seite, weil die junge Frau an der Leine gezogen hat, beide verschwinden im Ufergebüsch. Doch das Pferd will nicht schwimmen. Es kommt zurück, und zwar allein.

Mitten auf der Wiese bleibt es stehn und schaut wieder zu mir. Als wolle es etwas sagen. Kennt mich das Pferd aus einem früheren Leben? Sekundenlang starren wir uns an. Über alle Mystik hinweg rasen meine Gedanken in eine rationalere Richtung: Wie rette ich mich, wenn … „Tina, komm her“, ruft da die Begleiterin, bevor ich den Gedanken zu Ende denken muss. Sie holt das Tier ans Wasser zurück. Tina muss jetzt schwimmen.

Hier ist es spannender als beim Sonntags-Tatort.

Die Sommerstars

Die wahren Helden dieser Tage sehe ich auf der Fahrt über eine Brücke. Die wird gerade saniert und ich stehe im Stau, in der Hitze klebt mir die Bluse an den Leib und die Frisur beginnt zu tropfen. Ich beobachte die braun gebrannten Kerle auf der Baustelle. In der heißen Sonne schieben sie Rüttelmaschinen vorwärts und schreiten neben Walzen einher, es wird gefräst, gesprüht, gestampft, gedampft, die Schultern glänzen vom Schweiß und den einzigen Schatten spendet eine Schildmütze, die der Eine oder Andere sich tiefer ins Gesicht zieht.

Fast jede Arbeit kann von Männern wie Frauen verrichtet werden, selbst Fußballspieler sind keine Ausnahme, wie das Team von Silvia Neid vor kurzem wieder klar gemacht hat. Aber Straßenarbeiter, die wochenlang bei dreißig bis vierzig Grad Celsius schuften – ich würde mal sagen: Das können nur Männer. Also: richtige Männer. An dieser Stelle deshalb ein Gruß aus tiefster Bewunderung und ehrlicher Überzeugung: Jungs, ihr an den Straßen und anderen Baustellen: Ihr seid die Größten!

Mein lieber Schwan

An heißen Julitagen wie diesen muss ich gehn. Raus aus der Wohnung, weg von den Rasenmähern, weg von Heckenschneidern und dem Nachbarn mit dem bellenden Husten. Ich fahre mit dem Rad zu einem kleinen See in der Nähe, setze mich ins Gras und höre den Tieren zu. Es ist schon fast fünf, die Idylle noch makellos. Im Ufergebüsch singt eine Amsel, Enten ziehen über das Wasser und melden ein träges „Quack“, Grashüpfer rasseln, Käfer brummen, jetzt ist die Schwanenfamilie aus dem Weiher gestiegen. Ein paar Meter entfernt von mir rupfen die Elternvögel und ihre Jungen in der Wiese herum und lassen mit himmelwärts gerecktem Schnabel kleine Happen in den Hals rutschen. Das Männchen ist allen bekannt hier. Wenn man hinausschwimmt und der Brut zu nahe kommt, rennt der Schwanenvater flügelschlagend über das Wasser und versucht, den erschrockenen Badegast zu vertreiben.

Ich setze mich aufrecht hin, damit die Tiere mich sehen und nicht näher kommen. Vorsichtshalber strecke ich einen Arm hoch, um größer zu werden ohne aufstehen zu müssen, proforma halte ich mein Handy in den Fingern und knipse ein Bild. Doch es ist eh keiner mehr da, der mich sieht, die wenigen Besucher sind schon gegangen. Die Schwäne wackeln jetzt auf mich zu. Ich nehme den Arm rasch herunter. Aus der Nähe sieht man, dass ein Schwan durchaus die Größe eines Hundes erreicht. Ich nehme mein Buch und klappe es mehrmals laut knallend zusammen um zu sehen, was passiert. Sie sind entweder taub oder mutig, keins der Tiere reagiert, aber im Augenwinkel nehme ich eine Bewegung wahr. Ich stelle fest: Es ist doch noch jemand da. Hinter mir ist ein Mann aufgeschreckt.

Angelegentlich blättere ich in den Seiten herum und benehme mich wieder, die Schwäne zum Glück auch. Sie watscheln allmählich zum Wasser zurück, ein Bein vor das andere setzend, mit den dicken Leibern weit nach rechts oder links schlingernd. Ich lege mich ins Gras zurück und lasse mich vom warmen Sommerwind streicheln. Sie haben mir nichts getan. Ich bin ein Held.

 

Schwanensee

August

Die beste Zeit des Tages beginnt abends, so ab halb neun. Wenn ich den klebrigen Film von meiner Haut abgeduscht habe, wenn ich in einer weiten Bluse auf dem Balkon sitze und die Füße auf das Geländer lege, wenn warmer Wind die zentnerschweren Hitzebrocken abträgt, wenn das Thermometer unter 30°C anzeigt. 

Der Liebste stellt kühlen Wein auf den Tisch und sinkt in seinen Sessel. Er streckt die Beine aus, lässt die Arme hängen, wir warten auf die Nacht. Dann legen wir den Nacken über die Polsterlehne und zählen die Sterne. Sie schicken tausend Gutenachtgeschichten und alle beginnen mit „Es war einmal …“. Was wir sehen, gibt es mitunter schon nicht mehr, so lange sind die Lichtstrahlen gereist. Wer kam nur auf die Idee, ausgerechnet daraus die Geschicke der Gegenwart deuten zu wollen?

Gegen Mitternacht sinkt dieTemperatur auf 25°C, die Luft steht still. Ein paar Nachbarn unterhalten sich noch leise auf ihren Balkonen, Rolläden rasseln herunter, die Grillen werden müde und hören auf zu zirpen, ein Auto rollt in die Tiefgarage. Klack klack, das ist der Metallrost in der Einfahrt. Dann wird es still. Carpe noctem.

Bevor es Nacht wird

Wie früher ist es nicht. Der Rhythmus fehlt. Wir hocken an einem der wackligen Außentische vor dem Pub, Teller mit dampfenden Fish & Chips werden vorbeigetragen, Gerüche nach heißem Fett ziehen hinter ihnen her. Sie vermischen sich mit Zigarettenrauch und dem Duft nach Staub aus den Winkeln der Gasse, aus der die Hitze des Tages quillt. Junge Leute rufen, lachen oder ratschen mit iPhones – die Mauern werfen ihre Stimmen zurück. Paare schreiten die Schaufenster ab. Junge, ältere, Hand in Hand, von drinnen kreischt laute Musik. Freitagabend. Wieder eine Woche vorbei, eine wie die andere.

Jahrelang fühlte sich diese Zeit an, als sei ich gerade aus einer Sklavengaleere gekrochen, mit schmerzenden Schultern und einer Erstarrung, die sich nur langsam löste von der geprügelten Seele. Das ist vorbei. Das Wochenende fällt jetzt kaum anders aus als die Werktage. Wir richten uns ein in der neuen Wohnung, ich bereite ich mich darauf vor, selbständig zu arbeiten. Alles geht stockend voran, ich bin noch nicht soweit. Erst verdauen: die Angst nach dem Unfall meines Kindes, Angst um alle meine Kinder, Angst vor der Arbeitsstelle, die mich zerfraß und Angst vor dem was kommt, als ich sie aufgab.

Im Augenblick schiebe ich die nagende Frage nach Einnahmen, von denen wir leben können, erst einmal weg. Es ist doch Freitag. Ich lasse mir den warmen Nachtwind ins Gesicht wehen und reduziere alle Unklarheiten auf eine einzige: soll ich Weißwein bestellen oder Ramazotti?