Archiv der Kategorie: Kunst

Lichterfest in Ravensburg

„Das sind zu viele Lichter“, hat noch nie jemand gesagt!

Drachen, Astronautin und Raumschiff, Wolken, Engelsflügel und Kranich – über hundert Leuchtfiguren wurden gestern durch die Ravensburger Innenstadt getragen und strahlten eine Magie aus, der man sich nicht entziehen konnte.

Das Lichterfest ist ein Fest des Miteinanders. Jeder konnte bei diesem „Community Art-Projekt“ mitmachen, ob als Einzelperson oder in Gruppen.
Geht doch! Menschen können zusammen so viel Schönes erschaffen.

Eine Gruppe von ukrainischen Flüchtlingen hat u.a. diese Friedenstaube gebaut.

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Mehr dazu:
https://kapuziner.info/lichterfest-ravensburg-das-event/

Kunst? Oder Spaß?

Holzskulptur Penis

Diese ungewöhnliche Skulptur entdeckte ich neulich beim Spazierengehn, passenderweise am Vatertag. Sie steht in Taldorf bei Ravensburg. Niemand weiß, wer den Holzpenis geschaffen hat, niemand weiß, wer ihn aufgestellt hat, aber alle lachen.

Er ist nicht der einzige seiner Art. In der Bodenseeregion und im Allgäu wurden bereits mehrere der meterhohen Werke gesichtet, einer davon direkt in einem Kreisverkehr. Da alle unfallsicher verankert sind, wurden sie von den Gemeinden mit Humor aufgenommen und bleiben erst einmal stehen (kleines Wortspiel). 😉

Ich find’s lustig! Wem es nicht gefällt, der oder die muss es sich ja nicht anschauen, so ist es in der Kunst immer. Aber was würde ich meinem, sagen wir mal, zehnjährigen Kind sagen bei einem Wanderausflug? Für Jungs dürfte die Sache klar sein, aber Mädchen wissen wohl noch nicht, was ein erigierter Penis ist.
Vielleicht würde ich das Werk als Spargel-Denkmal deklarieren.

Wie findet ihr das?

Ich kenne keine bessere Definition für das Wort Kunst als diese: 
Kunst - das ist der Mensch
(Vincent van Gogh)

Kurioses aus Ravensburg

Heimenkirch – Erneut Holzpenis aufgetaucht

Zimmerreise 01/2021 – Collagen

Bei einer Zimmerreise geht es darum, die gewohnte Umgebung neu zu entdecken. Dazu werden Gegenstände in einem Zimmer nacheinander betrachtet und ihre Geschichte erzählt. Diese literarische Gattung gibt es seit dem 18. Jahrhundert. Zu meinen Zimmerreisen inspiriert mich ein Projekt von Pflanzwas und Puzzleblume, mehr dazu hier. Jeder kann teilnehmen und selbst auf die Reise gehen.

Im Januar soll das zu bereisende Objekt den Anfangsbuchstaben A, B oder C tragen.

Collage Feuerspeier

Es gibt nun doch eine Zimmerreise zu einer Station, die Erinnerungen an mein vergangenes Leben auslöst. Ich wollte das vermeiden, aber ich kann auch nicht so tun, als hätte es diese Zeit nicht gegeben. Außerdem habe ich nun einen Begriff mit C.

Es handelt sich um eine Collage, die ich niemals aufhängen würde. Sie liegt in einem Ordner im Wohnzimmer, zusammen mit anderen Werken, die davor und danach entstanden sind.

Auf der Rückseite steht: „Mein Leben geht in Flammen auf, meine Kraft verlodert, verglüht, es wird kalt.“

So war das letztes Jahr im Sommer.

Collagen halfen mir eine Zeitlang, das auszudrücken, was ich nicht in Worte fassen konnte. Wenn ein Bild fertig war, sah ich: „So ist es“, und konnte es ablegen.
Es tauchten neue Dämonen auf, auch diesen gab ich Gestalt in der gleichen Weise. Sie gaben Ruhe und die nächsten erschienen, immer wieder andere. Eine Zeitlang ging das so.

Am wichtigsten bei der Collagetechnik sind mir nicht die Motive, sondern der Hintergrund. Er bestimmt den Eindruck, die Stimmung. Es muss eine ruhige Fläche sein, damit sie nicht von den aufgeklebten Elementen ablenkt. Die Farbe muss der seelischen Verfassung entsprechen, in der ich mich gerade befinde, nur dann wirkt das Ergebnis „therapeutisch“.

Der Hintergrund war deshalb das Einzige, was ich später nicht mehr dem Zufall überließ, d.h. ich nahm nicht mehr das, was gerade da war. Man findet in Publikationen sowieso kaum etwas Ganzseitiges mit sparsamem Design und wenn, dann nicht in der Farbe, die gerade gebraucht wird.

Also stellte ich die Hintergründe selbst her. Ich kopierte dazu einen Ausschnitt aus einer Bilddatei mit Mauer, Himmel, Sand oder was immer, vergrößerte ihn auf A4 und druckte es aus. Dann schnitt ich aus Zeitschriften, Reklameblättchen, Flyern usw. Motive aus, die mich ansprachen.

Egal was man auf einen verhaltenen Hintergrund auflegt: es erzeugt immer einen Effekt, ein kleines Oh-Erlebnis, und auch das half mir: Etwas zu kreieren, was mich berührte.

Der Feuerspeier war meine letzte Collage mit Farben, ihre Einzelteile stammen aus einem Modeprospekt. Die nachfolgenden Werke wurden überwiegend grau und schwarz.

Eines Tages werden wieder Bilder entstehen, auf denen die Sonne scheint. Deshalb darf der Ordner mit diesen Bildern nicht in den Keller wandern, er muss im Wohnzimmer bleiben. Denn die Geschichte ist ja noch nicht zu Ende.

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(379 Wörter)

Ohne Worte

Wo viel Gefühl ist, ist auch viel Leid.
– Leonardo da Vinci

(c) Anhora

Bilder können zum Ausdruck bringen, was Worte nicht fassen können.
Diese Collage habe ich vor einigen Wochen angefertigt.

Kunst und Knödel

In welchem Museum steht diese Skulptur? Und wie kommt das Klopapier dahin?

Nein, es ist keine Installation moderner Kunst, und kein Witzbold hat eine Kunsthalle entweiht. Es war vielmehr eine aufmerksame Reinigungskraft, die diese Klopapierrolle dort deponiert hat, wo sie hingehört: In der Toilette.

Über eine Büste über dem Spülkasten kann man sich indessen Gedanken machen. Bei der nächsten Sitzung zum Beispiel.

Gesehen im ältesten Gasthaus Deutschlands: Dem Roten Bären in Freiburg. Teile davon gibt es schon seit dem 12. Jahrhundert.

Und so sieht in Corona-Zeiten das Frühstücksbuffet aus: Es kommt an den Tisch.

Dieses hier war allerdings schon halb aufgegessen, ehe ich an ein Bild für die Corona-Chronik dachte.

Kirchenkunst

Man muss schon suchen, um in der Kirchenkunst einigermaßen freundlich dreinblickende Heilige zu finden. Was ist das nur mit unserer christlichen Religion? Warum all die Qualen, der Schmerz, das Martyrium in den Darstellungen? Was macht es denn mit den Betrachterinnen und Betrachtern? Ich möchte das nicht sehen. Jesus wurde doch nicht mit dem Kreuz geboren, es gab dreißig Jahre davor. Davon hört man fast nichts. Ich will jedenfalls einen lachenden Jesus und Menschen, die ihm folgen und dabei ein Leuchten in den Augen haben. Ich will eine glückliche Maria mit ihrem Kind, einen lustigen Apostel, einen liebenden Gott.

In den asiatischen Religionen geht es doch auch, warum nicht bei uns?

Nachfolgend eine Auswahl aus dem Augustinermuseum in Freiburg, die ich nur empfehlen kann, schon aufgrund der spektakulären Propheten, die einst am Münster standen.

Waldstadion

Ein Waldstadion im wörtlichen Sinn: Im Stadion steht ein Wald. Schade, dass Klagenfurt so weit weg ist, sonst würd ich mir das ansehen.

Fast 300 Bäume sind dort mehrere Wochen lang im Wörthersee-Fußballstadion zu besichtigen. Sie sind um die 50 Jahre alt, stammen aus Baumschulen und seien an neue Standorte gewöhnt. Nach der Schau werden sie sozusagen ausgewildert und bleiben in der Nähe als lebende „Waldskulptur“ erhalten.

Ich überlege gerade, was solche Bäume über ihr Leben erzählen würden, wenn sie es könnten. Ob sie wohl froh sind, nach den „temporären Standorten“ einen Platz zum Bleiben bekommen? Oder ob sie sich nun langweilen?

Das Kunstprojekt „For Forest“ ist ein Mahnmal gegen  Klimawandel, Brandrodungen und Waldsterben.

Mehr dazu hier


Bildquelle: www.idowa.de

Wenn ich ein Baum wäre, dann wäre ich eine Zitterpappel und würde ganz gerne ein bisschen herumreisen. Auch wenn meine Wurzeln dann nicht so stark würden wie normalerweise.
Und ihr?

Natürlich!


Ich frage mich, ob der Anblick eines hochschwangeren Bauchs für kleine Kinder heutzutage normal ist, oder ob sie nicht doch etwas verstört reagieren könnten. Wo doch selbst Erwachsene sich über Frauen aufregen können, die in der Öffentlichkeit stillen.

Das Ding auf dem Bauch der jungen Mutter ist übrigens kein Hühnerbein, sondern der Stiel einer Blume.

Gesehen haben wir die eindrucksvolle Skulpturenausstellung des Künstlers Franco Alessandria bei unserer Wanderung im Piemont in La Morra.

Dem Nutellakönig zu Ehren

Jeder Deutsche und jede Deutsche muss man mindestens einmal im Leben eine Schachtel Mon Chéri geschenkt bekommen haben. Sonst kann einem die Staatsbürgerschaft aberkannt werden. Traditionsgemäß verschwindet die Schachtel in einer Schublade zum Weiterverschenken (sodass es insgesamt vielleicht gar nicht viele gibt), und wer hats erfunden? Ein Italiener. Michele Ferrero, König des Piemont, ihm verdanken wir Nutella, Duplo, Kinderschokolade, TicTac und vieles mehr. Stammsitz des Imperiums ist in Alba/Italien, und weil er so viele Menschen glücklich gemacht hat – egal ob durch Arbeitsplätze oder Überraschungseier – tragen viele Plätze und Straßen in dieser Region seinen Namen.

Wir entdeckten aber etwas anderes, das ihm gewidmet ist. Und das ist gleich in zweifacher Hinsicht einmalig:

1. Das Design – schaut es euch an!
2. Nichts, aber auch gar nichts ist darüber im Internet zu finden.

Wir wissen nur, dass es sich um ein optisch interessantes Haus in einem kleinen Ort namens Serravalle Langhe handelt, aber nicht, was es damit auf sich hat. Wer hat es gebaut? Wem gehört es? Neben dem Gebäude befinden sich Sportplätze – ist es ein Vereinsheim? Oder ein Museum? Ein Privathaus? Wir wissen es nicht, aber nunmehr ist dem Internet wenigstens bekannt, dass es dieses Haus gibt. Sollte also jemand dort aufschlagen und zufällig italienisch sprechen, könnte man ja mal nachfragen und Mrs Google aufklären.

Oh Europa! ❤

Gibt es etwas, was Menschen in Europa alle gemeinsam haben? Ja, es gibt etwas.

Diese Erkenntnis verdanken wir zwei Künstlern aus Großbritannien, die 30.000 km durch 33 europäische Länder mit 46 Sprachen tourten. Ausgerüstet waren Gemma Paintin und James Stenhouse mit einem alten Wohnmobil, in dem sich ein kleines Tonstudio befand.

Sie führten aber keine Interviews zu Sichtweisen europäischer Solidargemeinschaft, oh nein. Vielmehr baten sie die Menschen um – Liebeslieder! Wer wollte, bekam ein Mikrofon und durfte sein Lieblingslied singen. Dies wurde aufgezeichnet und nach 731 Songs wissen wir, dass es bei Liebe, Sehnsucht und Herzschmerz keine Unterschiede gibt.

„Gerade nach dem Referendum und dem Brexit-Chaos dachten wir: Das müssen wir machen!“ so Paintin. „Wir wollten wissen, was die Menschen in den Ländern verbindet. Egal ob UK in der EU bleibt oder nicht – wir müssen einen Weg des Miteinanders finden.“

Copyright: The Guardian

Die Spannweite reichte vom 7-jährigen griechischen Jungen, der „I Was Made for Lovin’ You“ von Kiss sang (einschließlich Gitarrensolo) bis zum EU-Parlamentsmitglied Peter Simon, dem ein deutsches Volkslied einfiel. Es gab einen singenden Security Guard in Madrid und ein paar Jungs aus Leeds, die „Angels“ von Robbie Williams grölten.

Die Lieder waren über verschiedene Radiosender zu hören und „wir staunten selbst, wie emotional das alles wurde“, so Paintin weiter. „Die Leute waren ergriffen, wenn wir ihnen sagten, dass ihre Lieder von Norwegen nach Athen gehen, von Finnland nach Spanien, dass ein syrischer Flüchtling in Deutschland bis zur russischen Grenze gehört werden kann. Sie realisierten, dass sie Teil von etwas Großem wurden.“


Copyright: The Guardian

Oh Europa!Hambacher Festival (deutsch)A love song for Europe (englisch)

Liebe Leute: Am Sonntag ist Europawahl. Die Anhänger rechtsgerichteter Parteien werden zur Wahl gehen. Das sind Menschen, die Europa als Einheit abschaffen wollen.

Europa ist aber zu wichtig, um es ihnen zu überlassen. Sicherheit gibt es nicht durch einfache, populistische Antworten. Sicherheit gibt es nur durch Solidarität, und das wollen diese Parteien nicht.

Haltet dagegen!
Geht zur Wahl!

Wählt eine etablierte Partei, egal welche. Jede Stimme von euch neutralisiert eine andere, die unsere europäische Einheit zerstören will. Denkt daran, wie lange wir schon in Frieden leben – wir verdanken es der Europäischen Union, die uns miteinander verbindet.

Wandschmuck

Impressionen, die nicht irgendwo in den Tiefen Italiens entstanden sind, sondern gestern in der Altstadt von Konstanz.

Die wie gemalt wirkenden Fensterläden des Wohnhauses auf dem ersten Bild wurden nicht wegen der Herbstsonne verschlossen, sondern weil das Gebäude derzeit unbewohnt ist. Es stammt aus dem 17. Jahrhundert, und soviel Zeit hat der davor stehende Roller noch nicht gesehen. Mit gefiel der Kontrast von Licht und Schatten, Alt und Neu, feststehend und mobil.

Die Graffitis darunter stammen von Tuk, einem Streetart-Künstler. Er arbeitet mit Schablonentechnik und die beiden hübschen Farbtupfer hätte ich im Vorbeigehen fast übersehen. Aber eben nur fast. 🙂

Eindrucksvoll

Dienstag: In Sevilla bei über 30 Grad in einer kleinen Plaza im Schatten gesessen. Vor uns ein kühles Glas Bier und Tapas, wir nehmen Anlauf für den Besuch im Alcázar-Palast.

Mittwoch: In München bei 1 Grad plus gelandet. Schnee- und Graupelschauer.

Da träum ich mich doch gleich wieder weg!

Weiter unten kommen ein paar Bilder des Alcázar von Sevilla, doch es sind nur Andeutungen. Man kann dieses Bauwerk weder beschreiben noch in Fotos zeigen, man muss durch die Räume, Innenhöfe, Gärten und Hallen geschritten sein und diese Pracht auf sich wirken lassen. Es ist beispiellos, ich habe so etwas noch nie gesehen.

Das Gebäude war einst eine maurische Festung, auf deren Ruinen im 14. Jahrhundert ein Palast für König Pedro I entstand. Dieser wurde im Lauf der Jahrhunderte immer weiter ausgebaut im Mudéjar-Baustil, der islamische und christliche Elemente harmonisch kombiniert (wenn das im modernen Leben nur auch so wäre). Ins Auge fallen vor allem die typischen geometrischen Muster der maurischen Kunst, die kaum einen Winkel auslässt.

Die Gemächer und Patios blieben trotz der Hitze kühl und wurden angenehm durchlüftet. Allerdings waren sie auch alle hoch, hatten dicke Mauern und keine Fenster. Ideal für eine Siesta also.

Wen’s interessiert: Die Gärten des Palastes waren u.a. Drehort für die Wassergärten von Dorne in der TV-Serie Game of Thrones.

Mehr:
Der Alcázar von Sevilla

Die Mudéjar-Baukunst

 

Petrus und der Hahn

Neulich beim Besuch der Otto-Dix-Ausstellung „Alles muss ich sehen“,
Zeppelin-Museum,  Friedrichshafen:

„Abermals krähte der Hahn“, Farblithografie von Otto Dix

Das Internetbild ist nichts im Vergleich zu der Lithografie in der Schau, auf der der Hahn seine Anklage noch gellender auszuspeien scheint: „Verraten hast du ihn! Du bist schuldig!“ Das ganze Bild zittert davon und der verzweifelte Petrus verbirgt sein Gesicht.

So etwas passt nicht in unsere Zeit, doch mich lässt das Bild nicht los. Was passt denn in unsere Zeit? Wie gehen wir heute mit Schuld um? Gibt es sie überhaupt noch? Oder tun wir nur deshalb das Nötige nicht und das Unnötige schon, weil wir Angst haben, fehlgeleitet wurden, nicht wussten dass und so weiter?

Ich bin lange vor dem Bild gestanden. Bis es auf einmal zu sprechen anfing und ich begriff: Ja, es gibt Schuld, auch heute noch. Und man kann sich ihr stellen. Vielleicht ist dann ein Weiterleben möglich ohne diese Last im Herzen.

Bildquelle: www.mutualart.com

Bruce

Ich mache mir nichts aus Rockkonzerten. Trotzdem waren wir am Freitag spontan in München bei Bruce Springsteen. Der geliebte Brite verehrt ihn, und als wir zwei Tage vorher zufällig sahen, dass er in München auftritt, waren tatsächlich noch Tickets zu haben. Gut, es waren die teuersten, aber auch die besten Plätze, alles andere war ausverkauft. Und bei solcherart hohen Ausgaben beschloss ich also, dass mir das gefällt.

Es war ein toller Tag, soviel vorab. Der Regen nahm sich ausgerechnet an diesem Tag eine Auszeit und wir verbrachten einen warmen, trockenen Abend im Olympiastadion, zusammen mit 57.000 Fans.

Meine Ohren sind für so etwas aber nicht geschaffen. Bruce Springsteen fetzte seine Musik herunter und es war so laut, dass ich überhaupt keine Lieder auseinander halten konnte. Es wurden auch keine Pausen gemacht zwischen den Songs, d.h. das eine ging über ein Gitarrensolo ins nächste über. Das klingt manchmal, als stehe man in einem Tunnel und ein schrill pfeifender Zug fährt ein. Die erste Stunde war für mich ein einziger Klangbrei.

Aber irgendwie war das auch egal. Die Abendsonne ließ den Olympiaturm im Hintergrund golden aufleuchten, ein stilles Bild inmitten des Lärms. Ich betrachtete die Stadionkonstruktion mit den mächtigen Stahlverstrebungen und fast schwebenden Dachmembranen, das grandiose Werk des Architekten Frei Otto. In zwei hohen, gerüstartigen Towern saßen angeseilte Männer und boten ein eigenartiges Bild. Gelegentlich flogen Hubschrauber vorbei oder Vögel.

Erst nach einer guten Stunde kam zwischendurch mal  eine Ballade. Später las ich, dass das vor allem wegen des Drummers geschieht. Er muss dann seine Hände schonen, denn es gibt da ein medizinisches Problem, sind ja alles alte Männer (Springsteen ist 66). Ich war dankbar für diesen Schlagzeuger, der übrigens phänomenal spielte und aussah wie ein Postbeamter, der am Schalter Briefmarken verkauft.

Die Menge tobte von Anfang an, und die Begeisterung riss schließlich auch mich mit. Bruce Springsteen ging immer wieder ins Publikum. Und er holte Menschen auf die Bühne. Ein paar durften mit ihm singen, mit ihm tanzen, hey, mir ging das Herz auf! Der Mann stand einfach da und spielte seine Songs, als habe das ganze Spektakel nichts mit ihm zu tun, sondern mit uns allen gemeinsam.

Die Musik klingt oft simpel, aber die Texte sind es nicht, wie ich inzwischen weiß. Sie handeln vom Kummer der ganz normalen Leute, der Arbeiter und Unterdrückten. Springsteen ist politisch und sozial engagiert, einer von uns, und dieser Hexenkessel vergöttert ihn. Kinder wurden auf den Schultern getragen, grauhaarige Männer und ältere Frauen tanzten sich in Ekstase. Die würde man sich als Großmutter oder Großvater wünschen.

Als endlich „Born in the USA“ und „Hungry Hearts“ losdröhnte, war nach einem über dreistündigen Konzert ohne jede Pause das Ende nahe nund eine neue Fänin geboren!

Fließender Beton

Werke der grandiosen Architektin Zaha Hadid:

London Aquatics Centre – Gebaut für die Schwimmwettbewerbe bei den Olympischen Spielen 2012, Stratford/London

Serpentine-Sackler-GallerySerpentine Sackler Gallery mit Restaurant-Anbau im Hyde Park, London

Die gebürtige Irakerin Zaha Hadid war die erste Frau, die den Nobelpreis der Architektur – den begehrten Pritzker-Preis erhielt. Sie lebte und arbeitete in London. Im Frühjahr 2016 starb sie im Alter von 65 Jahren.

Ich stehe ergriffen vor diesen Gebäuden. Ihre Form gleicht eleganten Rochen im Meer, die im nächsten Moment davongleiten. Als hätten sie kein Gewicht.