Ich blicke aufs Meer und denke im erste Moment: Kardamena erwartet einen Terroranschlag. Der Tag begann wie die letzten Tage auch: Wir schlappen in Flipflops am Strand entlang, Salzluft bläst uns ins Gesicht und das Meer funkelt in der Morgensonne wie ein Silberteppich. Aber in diesem Glitzern zeichnet sich heute im Dunst des Horizonts die Silhouette eines Schiffs ab. Kein Ausflugsschiff oder Fischerkahn, auch kein Linienkreuzer ist hier vor Anker gegangen, sondern ein monströses Boot mit Radarschirmen an einem Mast, die die Umgebung scannen.
„Ist das ein Militärschiff?“ frage ich den geliebten Briten. Auch er starrt auf das Objekt in der Ferne und runzelt die Stirn.
„Aber nein“, murmelt er, „dann wäre es ja nicht weiß“. Ach so. Ich überlege, welchen Sinn Camouflagefarben auf dem Ozean haben. Müssten Kriegsschiffe nicht tiefblau sein, um schwerer entdeckt zu werden? Zumindest bei überwiegend sonnigem Wetter?
„Ich denke, es ist die Eclipse“, fährt er fort, „von Abramowitsch.“ Aha. Wer oder was ist Abramowitsch?

Den männlichen Lesern braucht man es wahrscheinlich nicht zu erläutern, aber die eine oder andere Leserin weiß vielleicht so viel über die Eclipse wie ich: nichts. Die Eclipse ist die zweitlängste Yacht der Welt (von innen sieht sie so aus) und sie gehört dem russischen Milliardär Roman Abramowitsch (10 Dinge über Roman Abramowitsch).
Im Ort erfährt man Widersprüchliches. Sicher ist nur, dass diese Yacht auf ihrer Kreuzfahrt durch die Ägäis etwa einmal im Jahr vor der Küste der Insel Kos auftaucht. Manche sagen, Abramowitsch komme hier in Kardamena an Land und hinterlasse enorme Trinkgelder. Andere meinen, jemand geht von oder an Bord, weil der Flughafen nur 10 km entfernt ist.

Später – die Yacht hat inzwischen gewendet – schwimme ich ein Stück aufs Meer hinaus, näher heran. Ich schaue zu, wie sich an der Seite ein zuvor unsichtbares Tor hebt. Dann fährt eine Art Plattform heraus, darauf ein Beiboot, das langsam ins Wasser abgesenkt wird. Es sieht aus wie in einem Science-Fiction- oder James-Bond-Film. Ich kann mich nicht losreißen.

Zur Strafe muss ich lange zurückschwimmen, weil ich ein gehöriges Stück hinausgetrieben worden bin. Zeit zum Nachdenken darüber, dass dieses Schiff über ein Raketenabwehrsystem verfügt, gepanzerte Fenster sowie ein U-Boot für eine mögliche Flucht.