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Sonntagsgejammer

Wenigstens fiel heute kein Schnee. Als ich gestern in der Früh den Rolladen hochzog, lag eine dünne weiße Decke auf der Erde, aber ich lasse mir die Mallorca-Sonne in meiner Seele nicht ausreden. Dabei endete der Urlaub am Donnerstag abrupt mit einem großen Übersetzungsauftrag, bis gestern Abend war ich viele Stunden lang an den Schreibtisch getuckert. Mein Nacken tut weh. Ich träume von der verglasten Hotelsauna in Alcudia, einer halben Stunde Schwimmen danach, vom langen Spaziergang am Strand.

Es wird bei einem kürzeren Gang um die Häuser bleiben heute, warm eingepackt. Das hübsche Strandkleid aus einer der Straßenboutiquen hängt am Schrank und fühlt sich nutzlos. Ich kann mich nicht entschließen es wegzuräumen und rede ihm gut zu, dass es schon noch was werden wird in Deutschland. Keine Wolke dauert ewig.

Schlusswort

Hier sitze ich nun, am Ende meines letzten Strandspaziergangs in Alcudia. Das Wasser, das meine Füße umspült, ist deutlich wärmer geworden als bei der ersten Wanderung. Das Meer wird mir fehlen. Die Buffets irgendwie auch, das heißt – nein. Eigentlich nicht. Denn wenn man sich etwas auf den Teller gelegt hat und es entspricht nicht ganz dem, was man erwartet hat und man ist froh darüber, weil es die Qual der Wahl am nächsten Tag um dieses Eine verringert – dann kann das nicht richtig sein. Und ich will auch gar nicht wissen, wie viel jeden Tag weggeworfen wird und wie viele Menschen vor Hunger krank sind oder sterben.

Beim Meer ist das anders. Man kann nicht genug davon haben, und es gibt nichts, was an diesem Gedanken stört. Auf den Strandspaziergängen der letzten Woche tauchte in meinem Kopf viel auf und verebbte auch wieder, wie im Rhythmus der Brandung, die die Stimmchen einzelner Touristen übertönt. Wenn man aber auf einen der Bootsstege hinausgeht, wird es ganz still und man hört nur das Glucksen um die Pfähle herum. Dann ist man der Tiefe und Unergründlichkeit des Meeres oder auch des Lebens ganz nah.

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Ende der Veranstaltung. Morgen gehts heim. Danke euch allen fürs Vorbeischauen und Mitlesen hier!

Ein erstes Mal!

Auch im fortgeschrittenen Alter erlebt man gelegentlich noch etwas vollkommen Neues: hier in Mallorca hielt ich mich zum Beispiel das erste Mal in meinem Leben in einer Sauna auf, wenn auch zunächst nur aus Versehen. Bevor das abendliche Buffet eröffnet wird, entspannen wir uns nämlich immer im Spa-Bereich des Hotels, zusammen mit anderen Radfahrern, die in Badehose lustig ausschauen: als hätte ihnen jemand Arme und Beine abgeschraubt und durch rot bis braun gefärbten Ersatzglieder ausgetauscht, die dann mit deutlich sichtbarem Schnitt auf dem käsigen Torso sitzen.

Hier schwimme ich also jeden Tag für eine halbe Stunde im 50 m langen Salzwasserbecken und lasse meine Muskeln anschließend in den Warmwasserpools vor Massagedüsen flattern. Auch in die Sauna marschierte ich wacker hinein, weil ich sie für einen Dampfraum hielt. Den Unterschied merkte ich erst, als ich mich niedersetzte und den Eindruck hatte, dass beim Atmen gar nichts ankommt in den Lungenflügeln, weil die Verästelungen gerade am Verschmoren sind. Der Grund, warum ich nicht augenblicklich wieder nach draußen stürzte war, dass sich noch andere Gäste hier aufhielten und am Leben waren, und dass die Längsseite der Sauna komplett aus Glas ist, so dass man auf die Pools hinaus sieht und – noch wichtiger – von den Pools aus sieht man uns. Würde ich Hilfe brauchen, müsste ich nur schreien oder mit den Armen fuchteln oder herumhüpfen, und der Bademeister würde sofort zur Rettung herbeieilen (wenn er nicht gerade in sein Handy versunken ist).

Länger als fünf Minuten bleibe ich zwar nie, aber gegen Schulterverspannungen hilft es tatsächlich. Ich kann jetzt schon fast wieder ganz nach rechts schauen!

Beobachtungen

Die Nachmittage am Strand. Schlafen. Schlafen vor allem, allmählich geht aber auch Lesen, ohne sofort einzudösen. Als ich heute von meinem Buch aufsehe, blicke ich in die Gesichter eines älteren Paares, das ein paar Meter vor mir im Sand sitzt. Sie singen ein spanisches Lied und starren mit gefurchter Stirn unverwandt zu mir herüber. Ich realisiere, dass sie sich auf den Text besinnen und mein Liegestuhl steht einfach in ihrem Blickfeld. Hinter der Sonnenbrille versteckt starre ich ungeniert zurück, mit gesenktem Kopf, als lese ich weiter. Die Frau trägt das Haar streng zurückgekämmt, die Augen in ihrem dunklen Gesicht sind zu schmalen Schlitzen zusammengekniffen. Der Mann schaut erst zur Seite und dann in den Himmel. Vielleicht gehören sie zu einer Band und probieren ein neues Stück? Sie singen noch ein paar Takte weiter, auf einmal brechen sie ihr Lied ab. Sie erheben sich langsam, stehen noch eine Weile wie zufällig herum und schlendern schließlich davon.

Erst jetzt sehe ich neben mir meine Sonnenbrille liegen. Ich habe die Lesebrille auf.

Der Morgen macht den Tag

Um Omelett, Müsli, Orangen-Melonen-Ananas-Trauben-Berge und einen halben Liter Kaffee in einem einzigen Magen – man isst sich blöd an diesen Buffets – ein bisschen zu verteilen, mache ich nach dem Frühstück immer einen Spaziergang am Strand. Während der geliebte Brite wie die meisten andern hier auf dem Fahrrad durch das mallorcinische Hinterland tourt, wandere ich durch feuchten, jungfräulichen Sand, von dem alle Spuren weggespült sind, und auch meine Fußtapper werden nach mir sogleich wieder eingeebnet. In der Ferne steigt feiner Dunst aus dem türkisfarbenen Wasser und verwischt die Bergketten der Bucht von Alcudia.

Das Meer schnauft lärmend vor sich hin, schiebt flache Wellen zum Strand, auf denen die Sonne tanzt. Ich schaue zu, wie sich das Wasser an meinen nackten Füßen bricht und überlege, ob das eine Blasenentzündung nach sich zieht. Ach was, ich bewege mich ja, und so pflatsche ich weiter, über zwei Stunden jeden Tag, und halte das Gesicht in den Wind, bis meine Lippen salzig schmecken.

Das ist das wahre Leben.

Es gibt für alles eine Zeit

Der Tag beginnt mit einem mächtigen Frühstück. In unserem Hotel halten sich üblicherweise ja – ein paar Wochen früher freilich – die Stars der Radlerszene auf, um zu trainieren und irgendein Rennen zu fahren. Das Sky Team zum Beispiel wandelt regelmäßig in diesen heiligen Hallen, und wenn man weiß, wer Bradley Wiggins ist, dann will man auf die Knie sinken vor Ehrfurcht, wenn man sich für Radfahrer interessiert.

Ich interessiere mich aber mehr für das Buffet, auf dem sich Fitnesskost in allen Farben, Formen und Bestandteilen türmt, denn die Gäste hier sind praktisch alle zum Radfahren gekommen. Außer mir. Ich bin zum Essen und nicht Nachdenken gekommen. Zum Maßhalten wäre derzeit der falsche Zeitpunkt, schließlich zahlen wir für diese spektakulären Leckereien und mein schwäbisches Herz sowie auch das halbschottische des geliebten Briten neben mir geben ein klares Signal zum Angriff.