Archiv der Kategorie: Schweiz

Wer machts nach?

Ein Mann ist heute mehrere Minuten lang im Rhein geschwommen!
Wassertemperatur: 6 Grad
Außentemperatur: um die 0 Grad

Diese spektakuläre Aktion haben wir in Basel gesehen.

Der Mann sprach uns an und bat freundlich darum, bei seiner Schwimmstrecke am Ufer neben ihm herzugehen für den Fall, dass es medizinische Probleme gebe. Dann solle man den Notarzt rufen. Unbedarft ging ich darauf ein, er zog sich aus und stieg ins Wasser. Die Strecke über 4 Minuten schaffte er mühelos, sogar ein zweites Mal.

Als er sich abschließend bedankte und mir die Hand gab (er stand noch in der Badehose da), drückte ich eine ganz warme Hand, während meine – trotz Handschuhen – eiskalt war.

Erst danach ging mir durch den Sinn, was ich eigentlich gemacht hätte, wenn er tatsächlich in Not gekommen wäre. Ein Ambulanzwagen steht ja nicht am Ufer geparkt. Also hinterherspringen?
Gut, dass man manchmal nicht so viel nachdenkt. 😉

 

Die Bilder werden mit dem Einverständnis des tapferen Schwimmers veröffentlicht.
Das Urheberrecht liegt bei ihm, eine weitere Verwendung ist nicht gestattet.

Nochmal etwas Landwirtschaft!

Da staunt die Schrebergärtnerin: In Zürich, gleich neben dem Hauptbahnhof, entdeckte ich am Wochenende diese Kleingartenanlage.

Gibt es zu wenig Gemüse-Anbauflächen in der Stadt? In mehreren Hochbeeten wachsen hier Salat, Tomaten, Zwiebeln, Gewürze. Angesichts der großen Masse an Menschen unterschiedlichster Coluleur im direkten Umfeld ist es erwähnenswert, dass offenbar niemand je ein Hälmlein verbogen hat. Schweiz halt.

Ich frage mich ja, wer das gepflanzt hat. Und wer ernten wird. Bis dahin ist es auf jeden ein hübscher Blickfang!

Kulturaspekte

Auf einer Bahnhofstoilette in Basel erlebte ich kürzlich die weibliche Mentalität im Allgemeinen und die schweizerische im Besonderen: Nach der Ankunft mit dem Zug musste ich nämlich aufs stille Örtchen, wo allerdings schon etwa zehn Frauen vor vier besetzten Kabinen warteten. In dem engen Vorraum war Schlangestehen unmöglich und so stellte man sich irgendwo hin. Ich merkte mir nur die Frau, die vor mir eingetreten war, eine Inderin im roten Sari.

Wenn eine Kabine frei wurde, löste sich aus dem ungeordneten Haufen immer genau eine Frau und begab sich zur Toilette. Anscheinend wusste jede, wann sie an der Reihe war. Doch einmal geriet der Ablauf ins Stocken: eine Kabine war frei geworden, und keine Frau trat vor. Nach wenigen Augenblicken richteten sich ein paar Augenpaare auf die Inderin neben mir und deuteten freundlich auf die offen stehende Tür. Verschämt lächelnd huschte sie hinein.

Wenig später kam sie wieder heraus, trat zum einzigen Waschbecken und wusch sich die Hände. Als ich fertig war und die Kabine verließ, wusch sie sich die Hände immer noch. Ich stellte mich hinter sie und wartete, aber sie rieb und knetete ihre Finger unter dem Wasserstrahl und wollte nicht aufhören. Kein Mensch kann so schmutzig sein, dass man so lange ein Waschbecken belegen muss, dachte ich und sah etwas ungehalten zu.

Das bemerkte eine andere Frau. Sie wandte sich diskret an die Inderin und sagte mit Schweizerischem Akzent: „Nehmen Sie die Hände einfach vom Hahn weg, dann hört das Wasser auf.“ Die Inderin zog ihre Hände zurück, betrachtete kurz das Wunder des versiegenden Wasserstrahls und lachte schüchtern auf.

Während ich nun ans Waschbecken trat, erklärte die Frau der Inderin noch unauffällig das Gebläse zum Händetrocknen.

Liebe Schweizerinnen, ich bin derart beeindruckt, dass ich hier davon erzählen wollte. Nicht nur die Inderin hat an diesem Tag etwas gelernt, sondern auch eine Deutsche. 🙂

Helvetia

Verschiebebahnhof

Neulich in Zürich Oerlikon vor dem Bistro und Restaurant „Gleis 9“, direkt neben den Gleisen: Es ist kaum glauben, das Gebäude ist länger und größer als gedacht. Wir gehen einmal darum herum, betrachten es von oben bis unten und versuchen uns vorzustellen, wie das technische Wunder vor ein paar Jahren möglich war. Schweizer Leserinnen und Leser wissen sicher, wovon ich rede.

Ich aber hatte noch nie davon gehört, dass der einstige Verwaltungssitz einer Schweizer Maschinenfabrik (MFO) vor ein paar Jahren um 60 Meter verschoben wurde! Das Areal war für den Ausbau des Bahnhofs benötigt worden, und da hatte man ihn „einfach“ (kleiner Scherz) ausgegraben, Stahlträger unterbaut, diese mit Beton fixiert, darunter Bodenplatten verlegt und ein Hydraulikschienensystem angebracht. Innerhalb von zwei Tagen bewegte man dann den kompletten Bau zu seinem neuen Standort, der übrgens auch 17 cm höher liegt.

Überall sonst hätte man das hübsche Gebäude wahrscheinlich abgerissen, aber die Schweizer mit ihrer Innovation und Präzision hatten eine bessere Idee. Der Welt fiel vor Staunen die Kinnlade herunter, und nun – etwas verspätet – auch mir.

Zehn Fragen und zehn Antworten zur MFO-Verschiebung

Gleis 9 – Videos

Erinnerungen

Diese Geschichte liegt lange zurück, und doch fällt sie mir einmal im Jahr wieder ein. Als sie begann, war ich dreizehn Jahre alt und kurz zuvor von einer Bodensee-Sommerwoche mit meiner Schulklasse zurückgekommen. Wir hatten dort ein paar Jungs kennengelernt und einer davon, ein siebzehnjähriger Schweizer, kam kurze Zeit später in unsere Heimatstadt. Er war sehr cool, ein richtiger Hippie mit langen Haaren, ausgefransten Jeans und Turnschuhen. Alle Mädchen in meiner Klasse verknallten sich in ihn. Ich auch.

Der Junge trieb sich ohne feste Bleibe in unserer Stadt herum und wir brachten ihm abwechselnd zu essen, zu trinken und was er sonst noch brauchte. Mich bat er einmal um eine Haarbürste. Ich war ein verschüchtertes Kind und hatte nicht damit gerechnet, vom Pop-Star der ganzen Mädchenschule angesprochen zu werden. Ich nahm aber noch am selben Tag die familieneigene Haarbürste aus der Schublade und hätte das Geschimpfe meiner Stiefmutter, weil die Bürste wieder einmal nicht an ihrem Platz lag, klaglos in Kauf genommen. Seltsamerweise sagte sie dieses Mal aber nichts, sondern kaufte am nächsten Tag eine neue. Es war mir ein Zeichen, dass ich richtig gehandelt hatte.

Einen Tag später, es war ein Sonntag, verließ ich mit einer komplizierten Ausrede das Elternhaus, um ihm die Haarürste zu bringen. Ich fand ihn im Park, und kein anderes Mädchen aus meiner Klasse war dort. Wir redeten ein bisschen. Mir fiel nichts Bedeutendes zu sagen ein, doch das war egal. Er bestritt die Unterhaltung auch ohne mich.

Wir bummelten ein wenig durch die Stadt. Es waren wenig Menschen unterwegs, aber das merkte ich kaum – ich lief neben ihm her wie in Trance. Dann betraten wir die Schaufensterpassage eines Modegeschäfts, die wie ein Gang ein Stück weit ins Innere des Gebäudes führte. In den beleuchteten Fenstern waren Batik-Shirts, Maxiröcke und Hüfthosen ausgestellt, die meine Eltern mir sowieso nicht kauften. Ich wandte mich also um und wollte zurückgehen, aber der Junge war dicht hinter mir gestanden und ich lief auf ihn auf. Da legte er seinen Mund auf meinen.

Es war der erste Kuss in meinem Leben, und er schmeckte ein bisschen nach dem Wurstbrot, das ich ihm mitgebracht hatte. Ich stand da wie in Beton gegossen und ließ es einfach geschehen. Danach gingen wir weiter und ich versuchte herauszufinden, wer da auf einmal in meiner Haut steckte. Das Würmchen von vorher war es jedenfalls nicht mehr.

Wir trafen uns wieder. Nie fielen mir bessere Gründe ein, um mich von zu Hause fortzustehlen, und ein ums andere Mal lagen wir im Park beieinander im Gras. Ich verstand und verstehe ich bis heute nicht, was er an mir fand. All die geschminkten, witzigen und frechen Mädchen aus meiner Klasse wählte er nicht. Sondern mich.

Er blieb ungefähr zwei Wochen, und das reichte aus, um im Himmel ein gewaltiges Geigenkonzert zu veranstalten und mich aus der Klassengemeinschaft zu stoßen. Selbst meine Freundin giftete mich an und wir hatten ständig Streit. Manche redeten überhaupt nicht mehr mit mir, weil ich mit einem Gammler herumzog, wie sie es nannten. Dabei hatten sie wenige Tage zuvor alle von ihm geschwärmt.

Er reiste wieder ab, wir schrieben uns noch ein paar Briefe und begegneten uns nie wieder. Die Freundschaften zu den anderen Mädchen bauten sich allmählich wieder auf, wurden aber nicht mehr ganz so wie vorher.

Sein Name war Manfred und er stammte aus Stein am Rhein. Auch an seinen Nachnamen erinnere ich mich, und noch etwas habe ich nie vergessen. Ich denke jedes Jahr daran, seit über vierzig Jahren. Es ist nicht der Jahrestag des ersten Kusses, dieses Datum habe ich völlig vergessen. Seltsamerweise erinnere ich mich aber an seinen Geburtstag, den er mir einmal nannte und den wir nie zusammen erlebten. Er ist vier Jahre älter als ich und feiert am 8. März. Heute.

Grüezi in London

Auch das gibts in London: Eine Schweizer Sehenswürdigkeit mitten in der Stadt. Es sitzt auf einer hohen Säule und umfasst elf Holzfiguren, 26 Kanton-Wappen, 27 Glocken und vier Figuren in Schweizertracht, die für jede Sprachregion stehen. Dies war ursprünglich ein Geschenk der Schweiz und Liechtenstein. Es schmückte die Fassade des Swiss Centre, eines Touristen- und Handelszentrums, das die Schweiz bewarb. Das Zentrum wurde 2008 abgerissen und seit November 2011 steht das Glockenspiel frisch renoviert als freistehendes Bauwerk am Leicester Square (sprich: Läster Skwär).

An der Stelle des einstigen Schweizer Zentrums präsentiert sich nun ein anderer, eher zweifelhafter kultureller Höhepunkt: Ein M&M-Shop. Um die Ecke finden wir den berühmten pagodenartigen Torbogen, der den chinesischen Teil Sohos markiert. Alles beieinander also.

 

Mehr darüber

Fahrt ins Weiße

Wir sind ja nicht die Jüngsten. Deshalb sind wir keine Alpinskifahrer, in unserem Alter lässt man von sowas die Finger, wenn man es praktisch noch nie gemacht hat. Schlittenfahren dagegen – oder wie der Schweizer sagt: Schlittelfahren – schien uns ein maßvoller Wintersport, aber wenn, dann richtig. Nicht irgendeinen Buckel hinunterholpern, sondern eine 6 km lange Piste und dann mit der Bahn wieder nach oben, am besten (warum nicht?) eine UNCESCO-Welterbe-Strecke, damit man auch von der Zugfahrt etwas hat. Mit anderen Worten: von Preda nach Bergün. Wir sind in Graubünden in der Schweiz und freuen uns auf einen beschaulichen Ausflug.

Ab der 4. Fahrt schaffen wir die Abfahrt unfallfrei. Da haben wir begriffen, dass das Lenken mit diesen Zügelleinen, die wohl funktionieren sollen wie bei einem Pferd, nicht zuverlässig ist. In den Kurven hilft nämlich kein Hü und kein Hott, der Schlitten fährt einfach nicht so scharf hinein wie er sollte. Man braucht entweder sehr viel Vertrauen in physikalische Gesetze und fährt halb auf die vereiste Schneemauer am Pistenrand auf, die einen nach der Kurve auch wieder abschüttelt und auf die Bahn zurückwirft. Meistens. Oder man hängt einfach ein  Bein heraus und lenkt mit der Ferse, das funktioniert immer. Vorausgesetzt man entscheidet sich für das richtige Bein.  Entscheidet man sich vor Schreck für das falsche, steuert man im Bruchteil von Sekunden frontal in die Schneemauer und die Folge sind filmreife Überschläge oder ein Steckenbleiben, das jeder Eleganz entbehrt.

Die Schlitten werden jedenfalls an manchen Stellen zu Geschossen. Schnee stiebt auf, Fahrwind pfeift, ohne dickste Mützen und Handschuhe fallen einem binnen Sekunden Ohren oder Hände ab, aber was für ein Halligalli! Was für ein Spaß, um in 5-7 Minuten etwa 400 Höhenmeter zu überwinden! Ich gebe zu, am Abend fühlten wir uns wie vom Lastwagen überfahren, aber wir flirten schon mit der angrenzenden Rodelbahn: Darlux – Bergün. Da sind es 600 Höhenmeter auf 4 km und es besteht Helmpflicht. Das machen wir beim nächsten Mal.

http://www.berguen-filisur.ch/erlebnisse-aktivitaeten/schlitten-rodeln/schlittelbahn-darlux-berguen.html

http://www.berguen-filisur.ch/erlebnisse-aktivitaeten

Beweglich bleiben

Zum Glück war mir aufgefallen, dass die Luftpumpe noch im Wagen lag. Ich schloss den Kofferraum wieder auf, schob Sachen in einem Korb hin und her und fischte das Utensil heraus. Dann griff ich nach dem Autoschlüssel, den ich hineingeworfen hatte und schlug die Heckklappe wieder zu. In den Händen hielt ich nun die Luftpumpe und – den Hausschlüssel. Das Auto: verschlossen. Der Autoschlüssel: Im Korb. Wir: In Tägerwilen. In der Schweiz. So fing es an.

Vier Leute fröstelten ratlos in der Morgenkälte herum, während Hunderte von anderen Radfahrern wie die Bienen von dem Posten hier ausschwärmten. Schließlich starteten auch wir (mit mehr Adrenalin im Blut als erwartet) zu unserem 80-km-Bodensee-Radmarathon, und zum Glück hatten wir die Pumpe. Auf halber Strecke nämlich hatte einer unserer Mitradler eine Reifenpanne. Nur ich fuhr wie er ein Mountainbike und kein Rennrad wie die meisten Teilnehmer. Und nur ich hatte den passenden Ersatzschlauch im Satteltäschchen UND die passende Luftpumpe! Erleichtert und mit fröhlichem Lachen wurde das Rad wieder in Gang gebracht, und bei herrlichem Spätsommerwetter konnten wir den Bodensee mit seinen idyllischen Ausblicken und einladenden Dörfern weiter genießen.

Zurück am Ausgangspunkt rief ich dann eine Nummer an, und eine halbe Stunde später bog ein gelber Wagen in den Parkplatz ein. Ein freundlicher Schweizer stieg aus und brachte einen flachen Kochlöffel, ein aufpumpbares Luftkissen und ein Plastikband mit. In weniger als einer Minute öffnete er damit meinen Toyota. Nicht gerade vertrauensstiftend, aber wer klaut schon eine 20 Jahre alte Karre? Weiß ja niemand, dass die läuft wie ein “Örgele” und kaum Reparaturen braucht. An dieser Stelle will ich jedenfalls heftig werben für den ADAC, der auch grenzübergreifend rettet, und zwar ohne Zusatzkosten.

So war es also ein toller Tag: Mal wieder rausgekommen und Problemchen gehabt, die sich lösen ließen!

 


 

Bronze!