Aus den Laustprechern der Küche heraus erzählt ein Akkordeon. Sie rührt im Linsencurry, die Töne dringen nicht gleich in ihre Wahrnehmung. Erst nach Sekunden lässt sie den Kochlöffel sinken, schaltet den Herd herunter und dreht das Radio etwas lauter. Das Warmlaufen der Finger fällt ihr ein, die täglichen Übungen, nachgespielte Unterhaltungsmusik, immer dieselbe, mit immer denselben Fehlern, Finger, die über Akkordeontasten hüpfen wie eine Krabbe. Die Wochenenden fallen ihr ein, die Abende, wenn er endlich das Haus verließ. Er stellte sich dann auf kleine Bühnen in Tanzlokalen, um zum Fabriklohn ein paar Mark dazuzuverdienen.
Am Tag danach durften sie nicht laut sein. Meist erst gegen Mittag tappte er im Schlafanzug zum Badezimmer, und wenig später trat man zum Essen an. Die beiden Geschwister hofften, es passierte nichts, der Stock lag immer bereit und verlangte Gehorsam. Ihr Bruder blies mit vorgeschobener Unterlippe zur Nase hinauf, wie er es ständig tat, und sie stach mit angefaultem Grinsen im Teller herum. Sie redeten wenig. Sie redeten aber nicht zu wenig, denn das duldete er nicht. Unbefangenes Geplauder verlangte er, glückliche Kinder, die nicht widersprechen und wissen, was sich gehört. Diese Aufgabe erledigten sie schlecht. Die Kabbeleien wurden daher jäh beendet, und erst als sie älter wurden, lernten sie still zu sein. Sie versuchten zu entkommen, auf die Straße oder zu Freunden, aber nicht oft, denn auch das erlaubte er nicht. Eine Familie hat beieinander zu sein. Und Abend für Abend begann das Üben, die Tonleiter, auf und ab, zum Warmwerden.
Sie reibt die Hände am Geschirrtuch ab, eine Frau singt jetzt. Es ist jiddische Musik, Klezmer, und arglos kommentiert das Akkordeon, worum immer es geht in dem Lied. Sie hätte abgeschalten, doch ein Gedanke springt auf: Da spielt jemand anders. Es ist nicht der Vater.