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Von Fall zu Fall

Der Liebste kann allein nicht Fernsehgucken. Das ist ein Problem, weil bei uns die das Zeitalter der Fernsehkrimis angebrochen ist. Seit er nämlich weiß, welche Sender wir empfangen und was detective story auf Deutsch heißt, entdeckt er im TV-Heft jeden Abend eine andere Folge. Manchmal auch zwei.

Ich würd ja lieber lesen, „Melnitz“ von Charles Lewnisky, eine Geschichte zum Hineinsinken: Anderes Leben, andere Zeit, ich kann nicht genug bekommen davon und freue mich jeden Tag auf den Sofa-Abend mit dem Buch.

Aber der Liebste braucht mich beim Fernsehen. Sein Deutsch ist nicht gut genug, um der oft verhedderten Krimi-Handlung folgen zu können, deshalb schauen wir zusammen Tatort, Lewis, die Kommissarin, Inspector Barneby, Luther und diverse schwedische Krimis an. Ich übersetze ihm dann ein paar Pfeiler, an denen er sich entlangtasten kann.

Leider bekomme ich so nicht mehr alles mit. Am Ende kann ich manchmal nicht sagen, woher die wissen, wer der Mörder ist. Dann kratzen wir uns am Kopf, nippen am Gläschen Wein und rätseln, wie es sein könnte. Stellen Vermutungen an, spielen Szenarien durch, konstruieren unseren eigenen Fall. Auch eine Art, den Abend zu verbringen.

Les ich halt später.

Ausgezählt

Noch vor einer Woche hätte es mich verdrossen, die kostbaren Stunden meines Wochenendes mit etwas anderem zu verbringen als Schlafen, Lesen, evtl. Spazierengehn. Heute hingegen habe ich in bester Laune aufgeräumt, eingekauft, Anrufe gemacht, Software getestet, Wäsche gebügelt, Mails beantwortet, Fahrrad geputzt. Lauter Mist, aber – mir egal. Ich habe ja keinen Count-down mehr. Es plärrt kein Miesmacher mehr im Ohr herum: „Der halbe Samstag weg und nix davon gehabt“, oder „Nur noch der Sonntag  übrig zum Erholen“, oder „Wochenende fast vorbei …“, und am Montagmorgen „ICH WILL NICHT!“

Fertig.

Kann ich mich heut nicht nett versorgen, verschiebe ich es halt auf morgen (oder so ähnlich).  Ohne Job hat man in mancherlei Hinsicht eine andere Wahrnehmung.

Horch

Wenn im Teekocher unserer Büroküche Wasser heiß wird, klingt das Blubbern, als ob jemand die Treppen hochpoltert. Das erschreckt mich jedes Mal, weil ich denke, der Boss ist auf dem Weg zu uns. Es sollte mir gleichgültig sein, in fünf Wochen bin ich auf freiem Fuß. Die letzten Jahre waschen sich aber nicht ab wie Staub im Frühlingsregen. Im Augenblick stehe ich jedenfalls in der Teeküche und halte die Luft an. Es ist aber nur das Wasser, das Krach macht.

Noch vierundzwanzigmal aufstehen.

Neigungen

Um uralte Fehleinschätzungen nachhaltig auszuräumen, sind Beweismittel dienlich, die den Sachverhalt von einer immer wieder anderen Seite beleuchten. Tatsächlich ist das Indiz, von dem ich hier spreche, schon eine Weile bekannt, aber doch nicht jedem. Es geht um zwei Störche. Irgendwo in den anliegenden Wiesen hier bewohnen sie ihr Nest.  Identifiziert, vermessen und registriert sind sie den Dorfbewohnern seit Jahren bekannt. Deshalb weiß man, dass auch in diesem Jahr keine Jungen zu erwarten sind. Es gab ja nie welche. Mit Impotenz hat das nichts zu tun und auch nicht mit Unfruchtbarkeit, die Vögel sind kerngesund. Der Grund für die Kinderlosigkeit ist etwas anderes: zwei Männchen turteln dort miteinander. Sie sind schwul. Untersuchungen haben längst entdeckt, dass gleichgeschlechtliche Paare auch im Tierreich vorkommen. Wir können also eine angeborene, natürliche Orientierung daraus ableiten.

Warum bewohnen die Jungs aber dasselbe Nest und nicht jeder ein eigenes, wenn kein Nachwuchs aufzuziehen ist? Vielleicht findet die Wissenschaft eines Tages heraus, dass es bei Tieren – egal welcher Neigung – auch Zuneigung gibt.

Wenn ich zum Bürofester rausschaue, sehe ich diese beiden. Heteros. Die beiden Schwulen leben nicht weit von hier.

Beschwerdemanagement auf jüdisch

Ein Jude kommt zum Rabbi und führt Klage gegen seinen betrügerischen Lieferanten. Der Rabbi hört aufmerksam zu und erklärt dann: „Du hast Recht“. Bald danach kommt der beschuldigte Lieferant und klagt seinerseits über den Ankläger. Der Rabbi hört wieder aufmerksam zu und sagt: „Du hast Recht“. Die Frau des Rabbiners hat beide Entscheide mit angehört, und als der Lieferant weggegangen ist, sagt sie vorwurfsvoll zu ihrem Mann: „Es können doch niemals beide Recht haben!“ Darauf der Rabbi: „Da hast du auch Recht.“

(Salcia Landmann, Jüdische Witze)

War der Rabbi weise oder konfliktscheu?

Gefunden in „Ich kann auch anders“

Wie ich zu meinem Weihnachtsgeschenk kam

Der Liebste hat einen Drucker gekauft. Wireless. Man klickt auf „Drucken“ und das Gerät beginnt zu rattern. Ohne Kabel. Ergriffen von der Vorstellung, wie Trillionen Pixel unsichtbar vom Computer zum Drucker wehen – auch wenn ich weiß, dass es irgendwie anders ist – las ich das Manual und befand: Hier finden ungeheuerliche Dinge statt. Ans Mobiltelefon hat sich meine Vorstellungswelt gewöhnt, aber ein kabelloser Drucker … Der Glaube an einen himmlischen Gott fällt mir leichter als solche Wunder zu begreifen.

Jedenfalls funktionierte es nicht. Der Liebste hockte nach dem Installieren der Software begeistert vor seinem Computer und der Drucker spuckte bunte Seiten aus. Wenn ich dagegen an meinem Laptop den unglaublichen Vorgang auslösen wollte, geschah nichts. Den Grund fand mein Liebster schnell: XP. Ach so. Mit XP kann es ja nicht gehn, wie ich jetzt weiß und nun befindet sich auf meinem Laptop nicht mehr XP, sondern Windows 7. Schon zwei Tagen später lief das Meiste wieder, und nun kann auch ich Druckvorgänge auslösen ohne Kabel. Der Hammer.

Freilich schnaufen meine Programme jetzt arg. Wenn ich den Taktstock hebe zum Einsatz, dauert es gefühlte Jahrtausende, bis sie in die Gänge kommen. Kein Wunder: Zu wenig RAM. Windows 7 braucht mehr RAM, erfahre ich. Das Weihnachtsgeschenk des Liebsten in diesem Jahr ist daher Arbeitsspeicher. Energieriegel für einen alten Laptop statt Ohrringe aus Rosenquarz. (Die Kette hab ich schon.)  Aber bald kommt ja mein Geburtstag.

Tierparks allerorten

Es sind nur noch zwei der Firmen-Störche da. Heute Morgen standen sie in ihrem Horst, den ich von meinem neuen Büro aus nun direkt sehen kann. Der dritte der Familie ist entweder mit Freunden unterwegs oder schon auf dem Weg in den Süden. Gestern in Salem stellten wir dagegen fest, dass der Reisetermin für die meisten noch nicht gekommen zu sein scheint.

Wo ist er also?

Fest angestellt sind in Salem jedenfalls die Affen. Die turnen sommers wie winters in den Bäumen des Affenbergs herum und man darf sie mit Popcorn füttern.

Hmmm … Popcorn …

Yummi yummi!

Hmmm … Popcorn …

… nehm ichs halt.

Störche, Affen, beides hatte ich auch heute noch. Urlaub ist vorbei, bin wieder beim Arbeiten.

Wieso verreist man eigentlich?

Natur aus der Nähe erleben könnte man auch in der heimatlichen Umgebung. Menschen anderer Herkunft findet man im türkischen Laden, Museen und Ausstellungen im Internet, Sommer gibt’s auch in Deutschland. Wegfahren ist also nicht nötig, kann man es sich schenken. Oder? Natürlich nicht, denn zu Hause fehlt der Impuls, sich mit Natur, Menschen, Ausstellungen usw. zu beschäftigen. Nun, dann beschäftigen wir uns eben mit anderem, reicht das nicht?

Ich glaube nein. Letzte Woche zum Beispiel erfuhren wir beim Bummel durch ein kleines Museum in Meran, wie aufgrund des milden Klimas in einem Kuhnest Fremdenverkehr entstand. Er entwickelte sich und explodierte, als Adel und Prominenz aus ganz Europa den Ort für sich entdeckten. Die Einheimnischen kamen zu mehr Wohlstand, doch ihre Traditionen verkamen zur Touristenattraktion. Später folgten Gespräche darüber, die es ohne den Besuch  in Meran nicht gegeben hätte. Das ist allemal besser als zu erörtern, welche Erledigungen im Haushalt und Alltag anstehen, besser als lästige Telefonanrufe, Wäsche, schwere Einkaufstaschen, Behördenkram.

Davon abgesehen geht es bei Urlaubsreisen nicht nur darum, wohin die Reise geht, sondern auch, mit wem man sie macht. Ist doch egal, ob ich durch einen botanischen Garten stiefle, mich in eine Seilbahn quetsche oder im Bahnhofscafe Züge beobachte, wenn der Mensch neben mir derjenige ist, mit dem ich all das sehen möchte. Ja, auch die Züge, wenn er sich nun einmal dafür begeistert.

Diesen Menschen erlebe ich in einem unvertrauten Rahmen und er enthüllt andere Facetten von sich, neue. Ich verfolge zum Beispiel jeden Morgen sein Ringen mit den Elektroanschlüssen: vom englischen Rasierer zum deutschen Adapter in die italienische Steckdose, nie ist das richtige Verbindungsstück parat, immerzu legt er es sonstwohin und vergisst es wieder, am nächsten Morgen geht die Sucherei von vorne los. Aber unterwegs in Städten wie in den Bergen findet derselbe Mann jedes Ziel, als hätte er einen Kompass gefrühstückt! Ich brauche nur hinterherzulaufen und Fotos zu machen von allem, was mir gefällt und von ihm, wenn sein Haar in der Sonne leuchtet wie ein Schönwetterwölkchen.

Erdachtes mag zu denken geben,
doch nur Erlebtes wird beleben.

Paul von Heyse

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Wiederherstellungsprogramm

Wochenlange  Anspannungen kann man in einer halben Stunde loswerden. Heute getestet. Nein, nicht mit Whisky oder Ramazotti, ich fand etwas Besseres. Jetzt sitze ich hier und mein Körper ist schwer. Der Rücken tut ein bisschen weh, die Muskeln haben sich aus der Verhärtung gelöst und fragen sich wohl, wie das kam. Vom Nacken her zieht es hoch in den Hinterkopf und auch dort wundert man sich. Auf einmal fließt es, nach all dem Stau schon sonderbar.

Ihr habt wohl erraten, was vor sich ging, es ist ja ganz einfach: Ich war heute bei einer Masseurin und sie hat aus Schultern und Rücken alles herausgewalkt, was  da nicht reingehört: den ganzen Kladderadatsch der letzten Zeit, eigentlich der von längerer Zeit. Keine Faser hat sie vergessen. Es war die vierte Massage in meinem Leben, und wenn ich drüber nachdenke, dann ist es gar nicht so schlecht. Die Muskeln entspannen sich, ob sie wollen oder nicht, und in einem entspannten Körper wohnt ein entspannter Geist. Ob er will oder nicht.

Jedenfalls geht’s mir gut. Und jetzt guck ich „Nachtcafe“.

Allen Lesern wünsche ich einen unverkrampften Abend!

Kulturunterschiede

Für drei Britische Pfund bekommt man eine wuchtige Portion Fish & Chips, die nicht schmeckt wie bei uns, sondern nach nichts. Deshalb schüttet der gelernte Engländer Salz und Essig (!) über alles, auch über die Pommes, die wie der Toast in England  daherkommen: weich und lommelig. Knusprig ist nur die Panade, die so viel Öl aufnimmt, dass einem hinterher ein bisschen schlecht werden kann. Trotz Essig, der angeblich bei der Verdauung hilft.

Wir saßen mit meinem Sohn vor einem Imbiss in der Sonne, aßen Fish & Chips und er plauderte von Freunden aus allerlei Kulturen und Ländern, die er hier fand. Von schrill aufgemachten Menschen berichtete er (Brighton ist gay), von freundlichen Busfahrern, frechen Mädchen in engen Klamotten, von seiner Mühe mit der Konzentration und von neun Fehltagen in der Sprachschule, weil er in Pubs und Clubs hängen geblieben war bis zum Morgen. Auf meine hochgezogenen Augenbrauen hin erinnerte er an die langen Monate, die er im Krankenhaus verbrachte, und dass er den Kurs um zwei Wochen verlängern werde, um das Zertifikat trotzdem zu schaffen. Am liebsten würde er hierbleiben, sagte er.

Mal sehn, was er vom Fußballspiel Deutschland gegen England am Sonntag erzählen wird! Natürlich brachten wir ihm eine deutsche Fahne mit.

Hauptsache gewonnen!

Wenn man ein Weltmeisterschaftsspiel mit der englischen Mannschaft in einem englischen Pub anschaut, fallen einem zwei Dinge auf:

  1. .Trotz Überfüllung steht man frei da. Niemand berührt einen. Es bleibt Luft zum Atmen,auch wenn sie dick und heiß ist.
  2. .Inmitten der Menschen nimmt man allerlei Düfte wahr. Deos, Parfums, aber keinen Schweißgeruch, von niemandem. Weder auf das eine noch auf das andere könnte man sich in einer deutschen Kneipe verlassen.

Während des Spiel s unserer eigenen Jungs gegen Ghana war es hingegen nicht überfüllt, in keinem Pub. Das macht aber nix. Hauptsache gewonnen. 🙂

Herzliche Grüße aus London, bei Strongbow und Hotspot!

Rätselhaftes Fußball

Wie Millionen andere Frauen werde ich pünktlich zur Weltmeisterschaft  Fußball-Fan. Natürlich bin ich morgen dabei, wenn Deutschland den Australiern zeigt, wo der Hammer hängt. Es war aber auch keine Frage, welches Spiel ich als erstes sehen würde: England gegen USA. Heute.

Ich gebe zu, wenn ein Tor fällt, tu ich mich manchmal schwer zu erkennen, ob es das richtige war. Deshalb prüfe ich immer  erst die Umgebung, bevor ich anfange zu jubeln oder zu trauern. Als heute nach wenigen Minuten der Ball schon ins Tor traf, wandte ich mich daher zu meinem Liebsten. Der blickte mit halb geschlossenen Augen und hochgezogenen Augenbrauen vor sich hin und ich gab mich also enttäuscht. Offenbar hatte ein Amerikaner das Tor geschossen. Die Wahrheit ist aber: Es war ein Engländer. Mein Darling ist eben nicht nur fußballbesessen, sondern auch – very British. Erst die Einblendung im Fernseher gab mir die Sicherheit, die Arme hochwerfen zu können. Da war es dann aber irgendwie zu spät.

Das zweite Tor fiel eine halbe Stunde später und jetzt schüttelte er den Kopf und lachte. Das irritierte mich, denn auf dem Bildschirm war nicht derselbe Torwart zu sehen wie beim ersten Mal und mein Scharfsinn gab mir Recht: ein Amerikaner war diesmal der Schütze. Was daran den Briten neben mir amüsierte, verstand ich wieder nicht.

Engländer lachen und schweigen an ganz anderen Stellen als Deutsche.