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Alltag Reloaded

In der Regel bewegt sich der Mensch Tag für Tag zwischen zwei Orten hin und her: dem Zuhause und der Arbeitsstelle. Ich mache das nicht. Ich bleibe jetzt immer zu Hause, tue aber alles, dass es sich wie Arbeiten anfühlt: Ich stehe früh auf, setze mich an den Schreibtisch, wenn Übersetzungsaufträge kommen, räume ansonsten ein Zimmer nach dem andern aus und wieder ein, damit alles sauber und ordentlich ist. Das muss schon sein, ich bin ja gerade erst eingezogen.

Außerdem habe ich Zeit. Danach sehnen sich alle, ich Glückskind. Gestattet mir aber den Hinweis, dass viel Zeit mit wenig Geld einhergeht, wenn eine derart freie Tagesplanung damit zu tun hat, dass man „dem Arbeitsmarkt zur Verfügung steht“. Gestattet mir den zweiten Hinweis, dass eine Arbeitsstelle nicht nur eine Einnahmequelle ist, sondern auch ein Gerüst, an dem Rosen hochklettern und die Zwischenräume mit Blüten und Blättern füllen: also strikt einzuhaltende Vorgaben zum täglichen Handeln, aber auch der gelungene Arbeitsschritt, das nette Wort, der Spaß in der Kaffeepause. Das Gerüst zu Hause ist dagegen dünn, wackelig, und höchstens ein paar magere Trichterwinden versuchen, daran hochzukommen.

Jetzt brauche ich Freunde. Zum Reden, zum Lachen. Glücklicherweise habe ich sie.
Und euch, mit denen ich das Eine oder Andere teilen kann.
DANKE!

Bregenz_Pfaender

Störfall

Ich versuche, mich nicht ablenken zu lassen. Schau nicht auf das Blinken da unten, man muss mal was zu Ende bringen.

Klein und digital taucht ein Briefumschlag auf und verblasst, taucht auf und verblasst wie das Licht eines Leuchtturms. E-Mail-Eingang. Nicht jetzt. Mein Blick bohrt sich weiter in Wörter auf dem Bildschirm, Hunderte, Tausende. Sie müssen geprüft werden, ergänzt, formatiert, bevor sie an den Kunden gehen. Der trommelt mit den Fingern am andern Ende der Datenleitung und wartet.

Es könnte ein Eilauftrag sein. Die E-Mail. Das haben wir häufig, und während ich andere Arbeiten mache, verrinnt kostbare Zeit. Vielleicht. Entspann dich, ruf ich mir zu. Sieh später nach. Wer nicht bei der Sache bleibt, macht Fehler.

Vielleicht sind es zwei Posteingänge. Oder mehrere. Ist etwas dringender als das, was ich gerade tue? Na gut, unterbreche ich meine Arbeit eben. Aber nur Eiliges wird beantwortet.

Nichts dabei, diesmal. Informationen zu anderen Aufträgen. Wo war ich stehen geblieben?

Blinkt das schon wieder?

Albern geht die Welt zugrunde!

Am Nachmittag hat meine Kollegin – ich war gerade eine Weile am Kopierer beschäftigt – meinen Bürostuhl heruntergeschraubt. Als ich zurück kam mit Blick auf den Computermonitor, um die neuesten E-Mail-Einträge schon während des Hinsetzens einzufangen, plumpste ich also unerwartet auf den zu niedrigen Stuhl. Ich kreischte vor Schreck und die Kollegin prustete los. Kleinigkeit, was Kinder freut, dachte ich, sie ist halt noch jung. Eine andere (noch jüngere) Kollegin schlenderte herbei und warf eine Plastikspinne in meinen Schoß. Ich schrie und fuchtelte, kein Wunder, braucht man hier Entspannungstee, schimpfte ich in gekünsteltem Ernst. Tief gesunken hockte ich einen halben Meter über dem Fußboden und hielt ein ekliges Ding in den Händen, während zwei Frauen sich wegschmissen vor Lachen. Nicht mal deprimiert sein kann man hier in Ruhe.

😉

Es war einmal eine ganz Schlaue

Wenn man glaubt, es läuft alles rund, dann kommt eine Reklamation. Das hat der liebe Gott so eingerichtet, damit das Menschlein bescheiden bleibt. Wenn man glaubt, man sei schlau, dann sagt der Kunde: „Wir müssen Ihnen leider mitteilen …“ Schade, wenn der Chef dann nicht hinter einem steht, aber er darf sich gerne jemanden suchen, der noch viel schlauer ist.

Was mich wirklich ärgert ist, dass ich diesen Mist um halb sechs in die Schublade meines Schreibtischs schließe – und er bleibt nicht drin. Stattdessen begleitet er mich getreulich nach Hause: „Habe ich nicht sorgfältig gearbeitet? Warum hat der Chef nicht zugehört? War es überhaupt unser Fehler?“ Mies gelaunt stoße ich die Wohnungstür auf, gedankenverloren überhöre ich, was mein Liebster zu sagen hat, und in der Nacht träume ich von schreienden Sprachpaaren. Unerholt kehre ich am nächsten Morgen zurück und warte auf den nächsten Kläffer.

Vage erinnere ich mich, früher um fünf den Bleistift fallen gelassen zu haben, und zwar auch im Kopf. Das ist lange her. Bevor Computer erfunden wurden wahrscheinlich, da hatte man noch mehr Zeit für weniger Aufgaben. Weniger Reklamationen hatte man auch. Glaub ich jedenfalls.

Mein Job ist mein Leben

„Ist es nicht schön?“ ruft die Abteilungsleiterin und genießt den Blick in die Runde. Zwanzig Leute sitzen in einem ungemütlichen Besprechungsraum um einen Tisch herum. Sachbearbeiter, Sekretärinnen, BA-Studenten und Aushilfskräfte beugen sich über Teller mit geschmelzten Maultaschen, der Cateringservice lässt sie jetzt allein. Vollversammlung im Vertrieb. Der Nachmittag steht an mit Entwicklungen, Ausblicken, Zahlendatenfakten.

Das Haar der Abteilungsleiterin ist zu einem borstigen Dutt geknotet, was nichts Gutes verheißt. „Zeig mir deine Frisur, und ich sag dir, wie du  drauf bist“, wird gelegentlich über sie gespottet, wenn Angst und der tägliche Überdruss die Lust am Spotten noch zulässt. Beim Dutt ist Vorsicht geboten. Ein paar Köpfe schauen daher vom Teller auf, zweifelnd. Hat sie das eben gesagt? Tatsächlich. Da vorne sitzt sie, beim Flipchart, aufgeräumt und voller Leben. „Ist es nicht schön?“ ruft sie, „wir alle zusammen an einem Tisch? Das ist ja wie in einer Familie!“

Die sich den Wolf managt

Der Inhaber einer Firma schielt vor allem auf eins – aufs Geld. Schließlich hat alles, was im Unternehmen geschieht oder auch nicht, etwas mit der Zahl auf seinem Bankkonto zu tun.  Der Angestellte dagegen will seinen Job nicht verlieren. Er schuftet deshalb wie ein Pferd, und jeder meint, das Richtige im Auge zu haben. Dennoch können Chef- Entscheidungen dazu führen, dass Mitarbeiter im Innern kündigen, und Mitarbeiter können sich wie wild durch ihr Pensum wühlen , aber es fällt kein Gold ins Firmensäckel. In beiden Fällen ging der Blick auf das Ganze verloren, und ich verlor ihn während der letzten Wochen.

Da wuchsen der Zeitdruck und die Arbeitsberge ins Gewaltige, und ich verbiss mich in deren Abwicklung. Dass die Anforderungen eines meiner Kunden immer komplexer, ihre Bearbeitung immer aufwendiger wurde, dass etwas nicht stimmte – das schmerzte nur im Bauch. Im Kopf jagten sich die enorme Orderflut, schwierige Abläufe und Techniken, es dennoch zu schaffen. Dazwischen verbarrikadierte eine Wand aus Verkrampfungen jeden Austausch.

Dann kam der Chef zurück von einer Reise. Ich hatte Angst vor seinen Attacken und dass er merken würde, was mir selbst nicht klar war. Doch er – hörte mir zu. Fragte nach, erfasste das Wichtige und statuierte: Die Projekte dieses Kunden rentieren sich nicht. Er wird deshalb die Preise neu verhandeln und erst danach sind weitere Aufträge anzunehmen. Kollegen haben mich dann zu unterstützen. Was mich aber umwarf und was nie zuvor geschehen war: Er lächelte wie eine Mutter und sagte: „Beruhige dich. Der Schlamassel hat jetzt ein Ende.“ Es war, als legte sich eine weiche Decke um meine zitternden Nerven, und dieser Moment prägte sich tief ein.

Zum Warmwerden

Bevor wir gestern Abend ins Pub gingen, haben wir zu Hause einen Whiskey getrunken. Wie die Kids, die sich zum „Vorglühen“ bei irgendeinem von ihnen treffen und zusammen bechern, weil’s Stimmung macht und billiger ist. Danach geht’s auf die Gass. Wie die Kids also standen wir gestern in der Küche herum, fühlten uns aber wie James Bond, denn wir schütteten nicht Wodka oder Jägermeister in uns rein, sondern hielten lässig ein Glas mit teurem Whiskey in der Hand. Schlückchen für  Schlückchen spülte das goldene Getränk den Stress des Tages hinunter und schon nach wenigen Minuten interessierte mich, was mein Partner zu erzählen hatte. Eine für Freitagabend  ungewöhnliche Freundlichkeit strömte aus mir heraus. Ich wurde gesprächig, wir unterhielten uns, lachten, der Abend fing ganz anders an als sonst.  Es war, als hätte ich an einem Wintertag im Hemd draußen gestanden und dann einen Mantel angezogen:  Ich spürte  keine Kälte mehr.

Wenn ich schon nicht rauchen darf, dann werd ich halt Alkoholiker, dachte ich. Nein, natürlich nicht, das war ein Scherz. Ich beginne nur gerade zu verstehen, wie es dazu kommen kann.



Schlüsselerlebnis

Ich drehe den Schlüssel im Schloss, drücke gegen die Tür, drücke noch einmal, drehe den Schlüssel nach rechts und nach links, drücke wieder, die Tür bleibt zu. Ich ziehe den Schlüssel ab, prüfe ihn, mir fällt nichts auf. Ich stelle den Rucksack ab, tu so, als käme ich gerade nach Hause, spiele ein wenig herum. Bestimmt hat die Tür nun vergessen, dass sie klemmt. Beiläufig stecke ich ihn nun ins Schloss, drehe, werfe mich mit der Schulter gegen die Tür. Nichts.

Ich klingle beim Nachbarn. Er ist fast immer zu Hause. Ich klingle noch einmal. Vielleicht macht er gerade ein Nickerchen. Nochmal. Dann drehe ich den Schlüssel wieder herum und trete mit dem Fuß gegen die Tür, dass es kracht. Sonst passiert nichts. Mein Mann ist verreist und kommt erst morgen zurück.

Im Mietblock neben unserem Haus lege ich den Finger auf irgendeine Türklingel und bitte darum, telefonieren zu dürfen, als wären Handys noch nicht erfunden. Meins liegt zu Hause, unerreichbar. Eine ältere Frau schafft ein Telefonbuch herbei. Ich habe keine Brille bei mir und kann nichts erkennen, sie lässt mich in die Stube ans Fenster. Das Buch weit von mir haltend kann ich nun die Nummer meiner Vermieterin entziffern. Zwanzig Minuten später ist sie da. Auch ihr Schlüssel öffnet das Schloss nicht.

„Haben Sie beim Nachbarn geklingelt?“
„Aber ja.“
„Haben Sie schon unten geklingelt? Den unteren Knopf?“
Wenn ich jetzt etwas sage, wird es das Falsche sein, also sage ich nichts und drücke noch einmal auf den Knopf. Dann mache ich mich auf den Weg zurück zum Mietsblock und rufe bei der älteren Frau den Schlüsseldienst an. Sie begleitet mich danach zu meiner Haustür mit einem Fläschchen Öl in der Hand. „Vielleicht geht es damit“, meint sie. Wir stehen vor dem Haus, ich gebe ihr den Schlüssel und noch bevor sie das Ölfläschchen öffnet, steckt sie den Schlüssel ins Schloss und schließt auf.

Ich starre in unser Treppenhaus.
„Wie haben Sie das gemacht?“
„Einfach die Tür fest hergezogen.“
Ich schwöre: Bisher musste man drücken!
Ich versichere außerdem:  Beim Versuch, die Tür zu öffnen, habe ich sie – schlüsseldrehenderweise –  nach rechts geschoben, nach links, ich habe sie angehoben, nach unten gedrückt, mich dagegen gestemmt – habe ich wirklich vergessen, sie heranzuziehen?

Minuten später steht jemand vom Schlüsseldienst da und verlangt 30 EUR für die Anfahrt.

Ganz ruhig

Am liebsten wär ich gar nicht zurückgekommen. Wir verbrachten das Wochenende in einem gepflegten Hotel im Bayerischen Wald, Schnäppchenangebot von Kaufland, so günstig kommt man nicht oft zu zwei entspannten Tagen. Zum Abschluss einer Wandertour saßen  wir heute Nachmittag in der „Simmereinöde“  vor frisch gebrautem Bier, und es ging mir so durch den Kopf: Ich könnte mich beruflich neu orientieren. Ich könnte als Bedienung arbeiten, hier in diesem Ausfluglokal mit all den Geranien vor den Fenstern. Was für ein Leben wäre das! Ich würde älteren Leuten, die vom Parkplatz bis zur Gartenwirtschaft gewandert sind, eins dieser riesigen Kuchenstücke bringen und Kaffee und mich mit ihnen übers Wetter unterhalten. Um mich herum gäbe es nur Wildblumen, Wald und den Duft frisch gemähter Wiesen. Ob die Sonne scheinen würde wie heute, ob Nebel über den Hügeln läge oder Regenschleier niedergingen – egal. Hauptsache Frieden. Ich malte es mir aus in allen Details, und als ich mein Bier ausgetrunken hatte, wäre ich auch bereit gewesen, ein Dirndl anzuziehn wie die Bedienungen hier. Womöglich würde ich bayerisch lernen. „Grüß Gott“ kann ich ja schon.

Ein Tagesbeginn

Wenn ich morgens aufwache, saust manchmal ein Hammer auf mich nieder. Da steht einer neben dem Bett und gibt mir eins drauf, und noch eins und noch eins und noch eins. Nicht dass es mir die Besinnung rauben würde – das wäre schön, dann wär’s ja vorbei. Nein, ich werde im Gegenteil immer wacher. „Hoffentlich kommt kein komplizierter Auftrag heute“, heißt so ein Hammerschlag. Oder: „Hoffentlich liefert der Übersetzer gute Qualität“. “Hoffentlich liefert er überhaupt.“ „Hoffentlich gibt es keine Reklamation“. “Hoffentlich schaffe ich das Pensum“. “Hoffentlich vergesse ich nichts.“ Als hätte ich sonst nichts, über das ich nachdenken müsste, als wäre das Büro das Wichtigste. So liege ich am Morgen schon erschöpft in den Laken und versuche zu zählen, zu beten, langsam zu atmen, doch mein wild gewordenes Herz schlägt gegen den engen Brustkorb, dass es weh tut. Dann denke ich: Mit fünfzig ist man nicht mehr so stark. Daran muss es liegen, die Hammerüberfälle fingen im letzten Jahr erst an. Vielleicht muss man Firmen verstehn, wenn sie ältere Menschen nicht mehr einstellen wollen.

Ich war einmal eine Tomate

Als ich heute das Abendessen zubereitete, entdeckte ich ein weiteres Entspannungs- und Belohnungsstandbein (als Ex-Raucher braucht man das), und es ist: Abendessen zubereiten. Ich bin nämlich gerade dabei, das Kochen zu einer meditativen Tätigkeit zu entwickeln. Also werfe ich nicht einfach ein paar Tomaten in die Pfanne und rühr um, sondern ich schau mir die Tomaten erst einmal an. Ich versuche zu spüren, was sie brauchen: welche Gewürze, welche Temperatur, für wie lange sie in die Pfanne wollen und vor allem: mit wem. Ich werde praktisch zur Tomate.

Bei dieser Tätigkeit rücke ich weit weg vom Druck im Büro, von allerlei Ängsten um Kinder und Zukunft, auch die Bügelwäsche ist egal. Ich schnipple und kombiniere, koste und verliere mich in mein Werk, bis am Ende zwei duftende Teller da stehen. Man schmeckt dann nicht nur die Zutaten, sondern auch das Einsgewordensein mit den Tomaten. Oder was es eben ist.

Schmeckt die Speise fad – auch das kommt vor -, ist es mir nicht gelungen abzuschalten. Dann schenk ich mir einen Ramazotti ein.

Die Zurückgelassenen

Bei meiner Mutter stapeln sich Kartons mit Büchern. Sie wird sie nicht mitnehmen in die neue Wohnung. Ich besitze selbst viele Bücher, wie Geliebte, Freunde oder Bekannte erzählen sie davon, was irgendwann einmal Bedeutung hatte für mich und niemals will ich mich von ihnen trennen. Ich glaube, so dachte meine Mutter einst auch. Es zieht mir die Seele zusammen beim Gedanken an all diese Schachteln und dass die Bücher darin nicht mehr zu meiner Mutter gehören dürfen. Romane, Gedichte, Rezepte, Kunst, von Simmel bis Kaffka ist alles da. Für alle habe ich leider nicht den Platz, aber immer wieder fische ich das eine oder andere heraus, um es zu retten.

Eins davon habe ich gerade gelesen, „Zwei alte Frauen“ von Velma Wallis. Es handelt von einem Nomadenstamm in Alaska, lange bevor die Zivilisation kam mit Autos und TV-Geräten. Zu jener Zeit fanden die Menschen in besonders langen Wintern nichts mehr zu essen, sie starben an Entkräftung und Hoffnungslosigkeit. So mussten die Häuptlinge von Zeit zu Zeit eine fürchterliche Entscheidung treffen: Sie trennten sich von den Alten. Zum einen, weil sie nutzlose Esser waren, zum andern vielleicht dargebracht als Opfer an Geister, die in die hungernden Menschen gedrungen waren und sie wild und unberechenbar werden ließen.

Der Stamm zog weiter und war einen Moment lang erleichtert darüber, besser dran zu sein als zwei alten Frauen, die zurückgelassen wurden. Doch statt sich mit indianischem Stolz ihrem Schicksal zu ergeben, weinten die Frauen, verzagten, sie barsten vor Wut auf jene, die ihnen das antaten. Wir erfahren vom eisigen Weg, der vor ihnen liegt, von Angst und der Entschlossenheit, ihn zu gehen. Das Buch ist eine Geschichte von Grenzen und wie man sie hinter sich lässt.

Meine Mutter zeigt auf ein weiteres Fach, in dem Bücher stehn, und noch eins und noch eins.  Früher erwarb sie ein Buch nach dem andern und gelegentlich meinte sie: „Was ich jetzt nicht lese, lese ich später. Wenn ich in Rente bin, ist genug Zeit.“ Und sie hat viel gelesen seither, aber auch vor ihrer Pensionierung, immer schon. Jetzt liest sie nicht mehr. Ihre Gedanken zusammen zu halten bei längeren Texten ist anstrengend geworden für sie. Buch um Buch ziehe ich aus dem Schrank und reiche es meiner Mutter. Ungerührt versenkt sie jedes einzelne in einem Karton. Ich weiß noch nicht was tun mit ihnen, schaurig, sie einfach wegzugeben.