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Jedem Anfang wohnt ein Zauber inne

Wie jede Blüte welkt und jede Jugend
Dem Alter weicht, blüht jede Lebensstufe,
Blüht jede Weisheit auch und jede Tugend
Zu ihrer Zeit und darf nicht ewig dauern.

Es muss das Herz bei jedem Lebensrufe
Bereit zum Abschied sein und Neubeginne,
Um sich in Tapferkeit und ohne Trauern
In andre, neue Bindungen zu geben.

Und jedem Anfang wohnt ein Zauber inne,
Der uns beschützt und der uns hilft, zu leben.

aus: „Stufen“ von Hermann Hesse

 

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Nach langer Pause wieder einmal ein lieber Gruß an meine Leser. Ich wünsche euch ein beherztes Hinaufsteigen auf die Stufen, die in diesem Jahr auf euch warten und die euch weiterbringen werden. Habt ein gesundes, zufriedenes und glückliches neues Jahr!

In den Ring steigen …

… drei junge Männer.

Einer davon ist mein jüngster Sohn, er hat seine Schulzeit abgeschlossen. Heute beginnt er als Fahrer in einem Zentrum für körperbehinderte Menschen den Zivildienst. Ich bin so gespannt, wen und was er kennen lernen wird, welche Impulse ihn bereichern werden und ich freue mich schon jetzt auf die Gespräche mit ihm.

Zurück in die Normalität kehrt mein mittlerer Sohn. 15 Monate nach dem schweren Verkehrsunfall ist er wieder gesund genug fürs Arbeitsleben. Da er seinen früheren Beruf nicht mehr ausüben kann – er setzt körperliche Belastbarkeit voraus – startet heute eine zweite Ausbildung im kaufmännischen Bereich. Jeden Tag danke ich Gott, dass es so sein darf.

Schließlich steht auch der Sohn meines Lebenspartners vor einem neuen Anfang. Nach Universität und halbjährigem Armee-Einsatz in Afghanistan steht er vor dem ersten Arbeitstag in seinem Leben, zumindest im zivilen. In einem großen Warenhaus in Newcastle beginnt seine Tätigkeit als Management Trainee.

Soviele Ziele, soviele Hoffnungen, soviele Erwartungen wohl auch. Spannung steckt in allen dreien, eine Menge Energie und ganz viel Jungsein. Was sie sich vorgenommen haben, möge ihnen gelingen.

Ins Ungewisse

Mit all dem Metall im Körper hätte der Flughafendetektor Funken sprühen müssen. Aber mein Sohn ging durchs Tor und es kam kein Piep. In Ruhe steckte er seine Geldbörse wieder ein, die in einer Wanne zusammen mit anderem Zeug durchleuchtet worden war. Er nahm seine Sachen wieder an sich, schnallte den Gürtel um und schaute zu uns. Ich streckte den Daumen nach oben und er winkte scheu, lud seinen Rucksack über die Schulter und verschwand. Na Bravo, dachte ich. Wenn ein Terrorist erfährt, dass die Detektoren an diesem Flughafen heute falsch oder gar nicht eingestellt sind, kann er mit einem Gewehr an Bord gelangen.

Die Maschine wurde dann doch nicht entführt, Gott sei Dank. Knapp eineinhalb Stunden später landete sie in London und der Junge schaffte es mit Taxi und Zug nach Brighton, wo er die nächsten drei Monate leben wird. Dieses Abenteuer war lange sein Traum. Er war ausgelöscht worden vor einem Jahr, als dieser Audi in den Alpha fuhr, in dem mein Sohn als Beifahrer saß. Danach konnte er sich monatelang nicht einmal erinnern, einen Traum je gehabt zu haben. Wichtig war da nur, dass er lebte. Dass die Hirnblutungen abheilten und zahllose Nägel und Platten ihn so zusammenhielten, dass er eines Tages aus dem Rollstuhl wieder aufstehen konnte. Aber irgendwann, als Operationen und Rehabilitation hinter ihm lagen, kam er zurück: Der Wunsch, Neues kennen zu lernen, ein anderes Land, England. Da fing er an zu planen.

Wir telefonierten heute kurz mit der Familie, in der er untergebracht sein wird während des Sprachkurses. Es beruhigt mich zu wissen, dass diese Leute wirklich existieren und er in Sicherheit ist. Ich weiß, es klingt blöd, der Junge ist 21 und er findet sich zurecht. Auch seine Geschwister haben Auslandsaufenthalte hinter sich und in Gefahr ist man zu Hause sowieso nicht weniger. Trotzdem. Ihn gehen zu lassen ins Ungewisse, war schwer. Ich habe das Vertrauen nicht mehr, dass immer alles gut geht. Manchmal geht es auch schief, wie wir jetzt wissen,  und ich  kann ich nur beten, ganz fest, dass keinem der Kinder je wieder etwas zustoßen wird.