Schlagwort-Archive: Dies und das

Leckt mich doch alle, sagte der Hintern

Seit heute streckt mir zu Hause ein blauer Elefant den Hintern entgegen. Kein echter Elefant natürlich, schon weil Elefanten gar nicht blau sind. Es ist vielmehr eine Geschichte, die an der Wand hängt. Nein, mehrere Geschichten.

Der Elefant ist auf Alu-Dibond gedruckt und erzählt von meinem Blog, durch den ich Sofasophia kennenlernte. Er erzählt von ihrem Blog und ihrem Link zu Irgendlink. Und davon, wie dieser 7000 km ums Meer herum radelte und dabei in Dänemark vor einem blauen Elefanten anhielt, um ihn zu fotografieren. Es ist eins der Bilder, die er in seinem Kunstprojekt alle 10 km aufnahm.

Das Bild kam zu mir, weil ich während dieser Tour einen kleinen Text übersetzt hatte, als er durch England radelte.

Ganz schön viel, was dieses Bild zu erzählen hat. Und die Geschichte um den Elefanten selbst ist noch nicht einmal dabei, weil ich sie nicht kenne.  Aber der Standpunkt gefällt mir, jedenfalls der, den ich darin sehe: „Ihr könnt mich alle mal.“ Genau.

Elefant© Irgendlink

Noch mehr tolle Bilder!
SoSo appt die Welt
pixartix

Und so sieht der Elefant von vorne aus

Kartenspenden

England hat ja dieses Ding mit Weihnachtskarten. Familie, Freund, Nachbar – jeder schickt eine Weihnachtskarte. Es steht meist nur der Name und ein paar hingemalte Kreuzchen unter den eingedruckten guten Wünschen. Persönliche Worte finden sich in der Post von Verwandten auf der Insel kaum. Ein paar Karten haben wir bekommen, alle von Engländern, nur eine aus Deutschland. Die kam von der Bank.

Hinterher jedenfalls, nach dem Fest, lege ich die schönsten Exemplare in eine Schachtel und bewahre sie auf. In England aber gibt man sie: der Charity. Einer mildtätigen Organisation. Da fragt sich der verblüffte Deutsche, worin der Wert beschriebener und abgelaufener Weihnachtskarten liegen könnte. Der Engländer an meiner Seite – in der Regel weiß er auf alles eine Antwort – zieht auf meine Frage hin die Schultern hoch und furcht die Stirn. Es fällt ihm schwer zu sagen: „I don’t know.“ Also sagt er es auch nicht. Sondern wendet sich dem Büffet zu und arrangiert Weihnachtskarten.

 

Auch ’n Hobby

Blau kommt der Fluss daher und lacht. Deshalb. Du stehst in verschwiegenen Schleiern aus Dunst oder im blanken Glitzerwerk des Gewässers und wartest. Deine Seele blättert sich auf.

Wir reden vom Fliegenfischen und ich hatte gefragt, warum man das macht: Mit nachgebastelten Fliegen Fische fangen oder überhaupt Fische fangen. Die meisten werden behutsam zurückgesetzt, außer man hat in Schottland einen Wildlachs gefangen. Der Geschmack sei mit nichts zu vergleichen, beteuert mein Bekannter, und für den Preis einer Angelerlaubnis (angeblich bis zu mehreren hundert Pfund für ein paar Tage) darf man ein mit nichts zu vergleichendes Abendessen wohl erwarten. Ansonsten wird gefangen, herumgezeigt, fotografiert vielleicht und ins Wasser zurückgelassen.

Wieso man das macht? Männer verstehen es eher als Frauen. Ich sehe nur, dass die Augen des Fliegenfischers neben mir blau aufleuchten wie der Fluss, von dem er sprach.

Küchenkünstler

„Oh,“ meinte der Kellner mit den schwarzen Augen, „was drin ist, weiß nur unser Koch.“ Ob es wohl möglich sei, ihn zu fragen, erkundigte ich mich. Ich habe mich nämlich in eine Soße verliebt. Weiß und leicht kam sie daher in einem Schüsselchen, ich schleckte davon und in meinem Mund ging eine Tür auf. Es war, als zeige darin ein himmlisches Wesen aufs Paradies. Verblüfft versuchte ich das Geheimnis des Aromas zu ergründen. War es Ananas? War es Mango?

Der Kellner brachte ein Handy. „Sehen Sie, ein Foto aus der Küche. Hier Joghurt, das Weiße in der Schüssel. Darauf Mango Chutney,“ erläuterte er und strich mit seinem dunklen Finger auf dem Bildschirm herum. „Garam Massala, Zucker, Mint paste…“ Mint! Das war es, worauf ich nicht gekommen war. Ein Hauch Mint fügt sich zusammen mit dem Rest zur kulinarischen Kunst.

Ich gab ein Trinkgeld, da erschien der Koch. Ohne Zweifel war er an unseren Tisch geschickt worden war und wusste nun nicht, wohin er schauen und was er sagen sollte. Dann kam der Manager (soviel Trinkgeld war es wirklich nicht!) und wir plauderten über Bangladesh, der Heimat der meisten Menschen in dieser Gegend. Wir waren die letzten Gäste, die das Lokal verließen, und zum Abschied bekamen wir eine Tüte: Mit der göttlichen Mintsauce!

 

Wer nach London kommt und Lust hat auf nette Menschen und eine unglaubliche Soße:

Saffron Restaurant, 53 Brick Lane, London, E1 6PU

 

Hier das Rezept:

Mango-Mint-Soße

• Yoghurt (ca. 2/3)
• Mango Chutney (ca. 1/3)
• Kashmiri Masala (oder sonst irgendein Masala)
• Mint paste (Das ist ein Problem, ich suche noch danach. Werds mal mit getrocknetem Minz-Gewürz versuchen)
• Zucker
• Zitronensaft (wenig)

Bad & Wellness

Ein Brite betritt die Ankunftshalle eines Flughafens und an der Wand hängt ein Plakat, auf dem steht: „Bad & Wellness“. Was mag es bedeuten, rätselt der Mann. Bad and Wellness, bad and well. Himmel und Hölle? Unerleuchtet geht er weiter. Aber Englischsprachige sind natürlich nicht die Zielgruppe des Herstellers von Badezimmermöbeln, der mit dieser Anzeige auf sich aufmerksam macht. Wellness ist übrigens kein britisches Wort, da staunt der Laie. Amerikaner verwenden es vielleicht, vor allem aber wohl Deutsche. Allerdings komme auch ich ins Grübeln: Bei „Wellness“ erwarte ich mindestens einen kleinen Pool samt Saunabereich und hübschem Masseur. Es wäre glatter Betrug, würde ein Spa-Hotel mit Wellness locken und es stellte sich heraus: Gemeint ist nur die Badewanne.

Frage: Wozu brauchen Deutsche eigentlich englische Werbesprüche? Ich find das … uncool.

Grennitsch

Dass man sich in Greenwich* mit dem linken Fuß in der britischen und mit dem rechten Fuß in der kontinentalen Zeitzone befinden kann, liest man in Reiseführern immer wieder. Das ist natürlich Quatsch, wie soll denn das gehen? Egal wie oft ich über die Linie des Längengrads Null hüpfe: es bleibt immer halb eins.

Was stimmt ist, dass man mit der Linie zwischen den Füßen halb im Osten, halb im Westen steht. Satelliten haben zwar errechnet, dass der Nullmeridian tatsächlich etwa 100 m weiter drüben im Park durchgeht, aber da sind die Engländer nicht so kleinlich. Touristen werden weiterhin an die ursprünglich errechnete Linie geführt. Sie verläuft für alle sichtbar in Messing auf dem Boden des Königlichen Oberservatoriums, von einem kleinen Vorplatz direkt ins Gebäude unter einen riesigen Laser, der sie nachts am Himmel zeigt.

Die Bedeutung des Ortes kommt mir nicht recht zu Bewusstsein, es ist zu stürmisch. Wir stellen uns hinter ein paar Touristen an und machen un-originelle Bilder, mit zerzausten Haaren über der Linie stehend. Um diese Zeit des Jahres ist nicht viel los hier. Kleine Gruppen in bunten Jacken stehen herum, spanisch sprechend oder sonstwie. Eine Schulklasse stürmt die drei Fernrohre am Rand des Platzes, kleine Jungs in Anzügen und mit Nike-Rucksäcken. Eine Frau zeigt mit dem Finger auf jedes Kind und bewegt leise die Lippen. Schließlich hört sie auf damit, alle da. Sie schauen jetzt den Hügel hinunter in die Ferne, auf die riesige Silhouette Londons.

 

 

*Greenwich, ein Stadtteil von London, spricht sich als Grennitsch aus nach dem sächsischen Wort Grenevic = grünes Dorf. Hier wurden wichtige astronomische Erkenntnisse für die Seefahrt entwickelt.

 

Nach dem Sprung

Ratlos stehen wir vor der Anzeigentafel: Unser Bus fehlt. In zehn Minuten fährt er ab, der nächste kommt … irgendwann, und wir entdecken keine Linie, die uns auch nur in die grobe Richtung bringt. Der Flughafen ist groß, gibt es noch einen anderen Busbahnhof? Haben wir falsch reserviert? Wir hasten in ein Ticket Office in der Nähe der Haltestellen, winken mit dem Ausdruck unserer online-Buchung, Liverpool Street! Wo ist der Bus? Der Mann am Schalter lehnt sich zurück, studiert das Blatt, kratzt sich am Kopf.
„Ah,“ meint er endlich, „I see. Gate 6.“
„It’s not on the board!“
Freundlich lächelt er uns an.
„The board is rubbish.”

Wir rennen zur Haltestelle 6 und erwischen unseren Bus. Gerade noch.

Welcome in Britain!

Sock‘n Woll

Ich habe drei Socken gestrickt. Die Tochter klagte über kalte Füße im Bett, und obwohl der Abschluss einer besessenen Sockenstrickphase 25 Jahre her ist,  überfiel mich spontan die Lust, es wieder zu versuchen. Etwas Einfaches wollte ich tun. Etwas, das hübsch aussieht und Freude macht, etwas Befriedigendes eben. Und mit dem Sockenstricken ist es ja wie mit dem Fahrradfahren: Man verlernt es nie.
Dachte ich.

Wenn ich etwas tue, dann ordentlich, sagte ich mir, auch wenns länger dauert. Deshalb trennte ich den Bund wieder auf, weil er zu weit geworden war.  Dann brauchte die Ferse drei Versuche, um nicht auszusehen wie eine Pappnase oder als leide die Socke an Beulenpest. Der Fuß dagegen gelang mühelos (man strickt nur geradeaus), aber die Fußspitze glich einem mittelalterlichen Schnabelschuh. Auftrennen und nochmal.

Die erste Socke war also wie zwei Socken stricken, die dritte (physisch die zweite) lief wie geschmiert. Bei der Anprobe stellte sich aber heraus, dass die Fersen zurechtgezupft werden müssen, damit sie nicht schief sitzen. Mir unerklärlich. Auch die aufgenähten Häkelblümchen könnten gleichmäßiger sein. Aber ich wollte jetzt fertig sein, stickte noch ein paar Perlchen an und gut.

„Ich mag Dinge mit Ungereimtheiten“, rief meine Tochter, als sie das pinkfarbene Sockenwunder in den Händen hielt. Vielleicht sagte sie das nur. Aber die Socken sehen witzig aus und fürs Bett sind sie wohl gut genug. Für eine einfache, befriedigende Tätigkeit werde ich mir dennoch etwas anderes suchen. Vielleicht ein Schal.

Gesprächsstoff

Ich habs genau gesehn: Er hat – wenn auch nur leicht – die Augen nach oben gerollt. „Das hatte ich vorhin ja schon ausgeführt,“ näselt er, „ich erkläre es Ihnen aber gerne noch einmal.“

Man sitzt da wie ein Depp. Der Mann haspelt nun so undeutlich wie zuvor irgendwelche Bestimmungen herunter. Wir erfahren nicht, welchen gewaltigen Aufwand die Bank denn hat, dass sie derart hohe Gebühren erhebt für ein Konto, das außer Euro auch Britische Pfund verwaltet. Fragen nach Einzelheiten, die mit dem Konto möglich sein sollen, beantwortet er fast alle glattgebügelt mit Nein.

Manschettenknöpfe funkeln an seinem Hemd. Sieht man ja nicht oft. Wie kleine Metallkäppchen einer Pepsi-Flasche sehen sie aus, aber sehr edel. Seine Hände ruhen jetzt auf einer teuren Ledermappe, und in diesem Augenblick wünsche ich mir, über dem Stuhl läge nicht mein Steppmantel von C&A, sondern ein Pelz oder so. Würde dieser Anzugaffe mit einer Pelzträgerin auch so reden?

Wegen eines Gesprächs mit dem Bankberater lohnt sich die Anschaffung teuren Fummels natürlich nicht. Ob man aber auch sonst respektvoller behandelt würde? Ich könnte mir ja einen Zobel leihen und über den Bürostuhl hängen. Mal sehen, ob es den Chef beeindruckt.

Während ich darüber nachgrüble, ob  Leute mit Pelz besser behandelt werden, oder ob Leute, die bessere Behandlung einfordern eher einen Pelz tragen, geben wir uns artig die Hand. Das Konto werden wir bei dieser Bank nicht eröffnen. Und nächste Woche kauf ich mir was zum Anziehn.

Körperwelten

Da geht man durchs Leben und denkt, man kennt sich aus. Bis im Schnellrestaurant eines Baumarkts jemand am Nebentisch sagt: „…ich finde der hat Flaschenschultern.“ Einen Moment lang vergesse ich, den Kaffee weiterzurühren, noch nie habe ich eine solche Bezeichnung gehört. Meine Ohren werden lang und wachsen bis zu der jungen Frau, von der dieser Befund stammt. Es geht um  Jogi Löw. Sein Bild liegt in einer aufgeschlagenen Zeitschrift groß auf dem Tisch, und was ich nie gesehen habe, fällt mir nun auch auf: Die Schultern. Sie fallen tatsächlich ein wenig ab, der Hals erscheint dadurch länger. Ein Flaschenhals sozusagen, auslaufend in Flaschenschultern. Könnte das der Grund sein, warum Jogi Löw stets einen Schal trägt? Ist mehr Hals da, der frieren kann? Vielleicht versucht er auch einen optischen Trick: Der Blick wird auf den Schal gelenkt und verweilt nicht auf den Flaschenschultern.

Nachdem ich diesen Aspekt der menschlichen Anatomie staunend zur Kenntnis genommen habe, begegnen mir später beim Streifzug an Glühbirnen und Steckschlüsseln vorbei vereinzelt Menschen mit Flaschenschultern. Als wären die nach einem Knopfdruck soeben nach unten gerutscht. Plopp!

Zu den Schultern

Wenn man will, dass das Jahr gut wird …

Was ist denn das Komische, Helle am Himmel? Ah, die Sonne! Man erinnert sich kaum nach gefühlten Jahren der Wetter-Tristesse. Doch als ich im Auto auf der Laderampe eines Möbelhauses warte, ist sie da. Der Liebste turnt auf dem Rücksitz herum und rückt ein Regal hin- und her, während verloren geglaubte Sonnenstrahlen den Wagen aufheizen. Frühling im Gesicht. Schwere Wärme, die dösig macht. Ich schließe die Augen und überlege, wie sonderbar es ist, dass keine Hektik treibt. Wenn man will, dass das Jahr gut wird, muss man im Januar damit beginnen, hatte ich mir gesagt und so ist heute mein erster Urlaubstag. Die Nerven wimmern noch und ich ängstige mich vor dem Gespräch nach der Rückkehr. Ich möchte nämlich die Arbeitszeit verkürzen, Geld ist ja nicht das Wichtigste. Aber das kommt erst in ein paar Wochen. Der Liebste steigt jetzt vorne ein und lacht, als er mich sieht. Ich klappe die Sonnenblende herunter und im Spiegel leuchten mich rote Apfelbäckchen an. So heiß ist meine Haut. Jetzt lachen wir beide.

Das Phantomregiment

Der Klang der Orgel schmettert gegen die Kirchenwände und wird zurückgeschmissen, dass es bebt in unseren Ohren. Wuchtig taucht ein Regiment aus dem Nebel auf. Erst hören wir fern die Fanfare, dann kommen Stiefelschritte näher und jetzt ziehen Schemen an uns vorbei. Eisern. Wie das Leben. Wir betrachten es halb mit Angst vor dem, was es bringt, halb mit Lust zu sehen, wohin es geht.

Die Musik wird getragen von Moll, wenn auch die Hauptmelodie gern harmlos spielt in Dur. Doch dahinter bleibt es ungenau, dunkel, melancholisch. Die Töne schwellen an und ich folge dem Takt der Marschierenden, die blicklos nach vorne stapfen, weiter und weiter, dann verschwinden sie. Es hallt nurmehr dünn, leise, ein einzelner Ton führt jetzt das Stück. Noch einmal wird er an die Hand genommen durch weitere Orgelstimmen, dann die Fanfare, ein letztes Mal und weit weg – vorbei.

Leroy Anderson, lese ich im Programm. Nie gehört den Namen. Grandios. Beim Silvesterkonzert in der Kirche, das im örtlichen Veranstaltungskalender noch nicht mal erwähnt worden war.

Morgenstund ist ungesund

Gewöhnungsbedürftig ist es schon, einen toten Vogel mit fünf Kilo Gewicht schon vor dem Frühstück mal auf dem Rücken, mal auf der Seite und mal auf der Brust vor sich liegen zu haben. Aber die Haut musste mit Gewürzen eingerieben werden. Überall. Ich wusste gar nicht, dass Truthähne so lange Beine haben. Die sahen auch ohne Federn lebendig aus und ein bisschen hatte ich Angst, sie würden plötzlich aufstehn und davonrennen.

Grauslig war es, den Hals abzutrennen. Ich führ mal nicht weiter aus, an welches Körperteil am Männchen der Gattung Mensch er mich erinnerte, als ich ihn packte und das Messer ansetzte. Er ging dann auch nur schwer ab, der Hals. Vielleicht war ich zu erschrocken, denn solche martialischen Gedanken will man in der Früh nicht haben. Auch sonst nur selten.

Jedenfalls passte das Tier in den Ofen, wurde gegen Mittag knusprig und die Füllung nach einem Rezept aus dem 17. Jahrhundert duftete nach Thymian. Pastinaken, Kartoffeln und Rosenkohl wurden dann auch aufgefahren und wir hauten uns die Bäuche voll. Was übrig blieb, nahmen die Kinder mit, und ich konnte gerade noch einen Rest Fleisch und Füllung retten. Das gibts heute abend als Sandwich, mit Chutney, und Weihnachten ist gegessen.

Morgen wieder arbeiten.

Wie ich zu meinem Weihnachtsgeschenk kam

Der Liebste hat einen Drucker gekauft. Wireless. Man klickt auf „Drucken“ und das Gerät beginnt zu rattern. Ohne Kabel. Ergriffen von der Vorstellung, wie Trillionen Pixel unsichtbar vom Computer zum Drucker wehen – auch wenn ich weiß, dass es irgendwie anders ist – las ich das Manual und befand: Hier finden ungeheuerliche Dinge statt. Ans Mobiltelefon hat sich meine Vorstellungswelt gewöhnt, aber ein kabelloser Drucker … Der Glaube an einen himmlischen Gott fällt mir leichter als solche Wunder zu begreifen.

Jedenfalls funktionierte es nicht. Der Liebste hockte nach dem Installieren der Software begeistert vor seinem Computer und der Drucker spuckte bunte Seiten aus. Wenn ich dagegen an meinem Laptop den unglaublichen Vorgang auslösen wollte, geschah nichts. Den Grund fand mein Liebster schnell: XP. Ach so. Mit XP kann es ja nicht gehn, wie ich jetzt weiß und nun befindet sich auf meinem Laptop nicht mehr XP, sondern Windows 7. Schon zwei Tagen später lief das Meiste wieder, und nun kann auch ich Druckvorgänge auslösen ohne Kabel. Der Hammer.

Freilich schnaufen meine Programme jetzt arg. Wenn ich den Taktstock hebe zum Einsatz, dauert es gefühlte Jahrtausende, bis sie in die Gänge kommen. Kein Wunder: Zu wenig RAM. Windows 7 braucht mehr RAM, erfahre ich. Das Weihnachtsgeschenk des Liebsten in diesem Jahr ist daher Arbeitsspeicher. Energieriegel für einen alten Laptop statt Ohrringe aus Rosenquarz. (Die Kette hab ich schon.)  Aber bald kommt ja mein Geburtstag.

Luftsäcke oder Prallkissen

Irgendwo gelesen neulich: Luftsäcke oder Prallkissen. Hört sich nicht so bedeutsam an wie Airbags, doch um die Bezeichnung geht es nicht. Einer davon schützte das Leben meines Sohnes. Daran denke ich wieder jeden Tag, wenn ich bei Eis und Schnee zur Arbeit oder nach Hause fahre. Mein Auto hat nämlich keine.

Aber man fährt ja auch langsamer. Die andern hoffentlich auch.

Schmeckt nicht gibt’s nicht

In unserem Getränke-Vorrat fand ich kürzlich eine Weinflasche mit brauner Flüssigkeit drin. Halbvoll. Meine Mutter gab sie mir vor einiger Zeit zusammen mit ein paar anderen alkoholischen Getränken, die sie nicht mehr haben wollte. Den offenbar vergessenen und sauer gewordenen Wein wollte ich wegschütten damals, aber sie hatte gerufen, etwas anderes sei in die Flasche gefüllt worden, kein Wein.

Was immer es war – es befand sich auf unserem Wohnzimmertisch. Wir hielten die Nase über den Flaschenhals und rätselten. Schnaps könnte es sein, doch die Farbe passt nicht dazu. Verdorbener Schnaps? Unmöglich bei Spirituosen, wusste mein Liebster und füllte zwei Schlückchen in Gläser. „Cheers,“ hauchten wir uns zu uns nippten. Zum Glück nur genippt. Es schmeckte wie Sidolin und hinterließ einen fauligen Nachgeschmack. Ich schob das Glas weg.

Den größten Teil seines Lebens verbrachte mein Liebster übrigens im Norden Englands,  halber Schotte also. Ein Schotte aber verschmäht etwas, das nichts gekostet hat, noch weniger als ein Schwabe. Er ließ das Getränk also nicht stehen, sondern kostete mit spitzen Lippen ein weiteres Mal. Nach dem dritten Mal hustete er und meinte: „Smeckt Okay“. Meins blieb verdorben und ich goss es – nein, nicht in den Ausguss, bin Schwabe – zurück in die die Flasche.

In der folgenden Zeit nahm er immer wieder mal ein Schlückchen und lobte den fruchtigen Geschmack. Ich nippte gelegentlich an seinem Glas und merkte jetzt auch: Es duftete nach Pflaumen. Oder Äpfel? Obst jedenfalls. Wir tippten auf Calvados oder Armagnac.  Der Nachgeschmack wurde merkwürdigerweise schwächer und war eines Abends ganz verschwunden. Aber was mochte es sein? Etwas Edles? Das feine Aroma und der pikante Geschmack ließen es vermuten.

Was es tatsächlich war, wusste nur meine Mutter. Als ich endlich einmal daran dachte zu fragen, erzählte sie von der Flasche, die heruntergefallen war und einen Sprung bekommen hatte, so dass der Inhalt in eine Weinflasche umgefüllt worden war. Es ist Cognac. Kein teurer, kein billiger, kein verdorbener und kein auserlesener, sondern ein ganz  normaler Haus-Cognac. Und jetzt – schmecke ich es auch!

Die Viertelbelohnung

Heute habe ich eine viertel Zigarre geraucht. Schmeckte toll. Mild und auf den Lippen zuckrig. Meine Tochter schenkte sie mir zum letzten (oder vorletzten?) Geburtstag, aber niemand hat sie geraucht mit mir. Inzwischen habe ich das Rauchen sowieso aufgegeben.

Und heute zündete ich sie an. Nach der Arbeit setzte ich mich in die Dunkelheit auf dem Balkon und zog daran. Die ersten Rauchkringel trugen etwas vom Tag in die Nacht. Komplizierte Kunden, Zeitdruck, Übersetzersuche in exotische Sprachen für riesige Textmengen in wenigen Tagen. Nochmal ziehn – und wieder löst sich etwas auf. PAFF.

Ein paar Sterne schauen mir zu und den weißen Schwaden, die übers Geländer kriechen. Es gefällt mir immer besser. Ich betrachte die geschlossenen gelben Köpfchen der Strohblumen auf dem Tisch. Beim Nachbarn geht Licht an. Ausatmen, noch ein Wölkchen. Alles löst sich und vergeht. Irgendwo quietscht ein Garagentor, ein Motor wird angelassen, das Geräusch eines sich entfernenden Fahrzeugs. Stöckelschuhe kommen näher, Rufen, Lachen, Menschen, die keine Sorgen haben. Nicht in diesem Augenblick. Ein Viertel der Zigarre ist geraucht, ein Zug noch.

Dann drücke ich sie vorsichtig aus. Man muss sich mal etwas Gutes tun. Eine Viertelstunde lang nicht nachdenken, nur Rauchkringeln hinterher schauen. Deshalb fang ich ja nicht das Rauchen wieder an. Eine Zigarre ist wie ein Joint. Das gilt nicht.

Stillleben

Kennt ihr das? Man hat keine Lust zu reden, und jemand stellt eine Frage. Es quält sich eine Antwort durch und schon während des Antwortens weiß man: der Fragende fragt nach. Weil er nichts verstanden hat. Man ist eben grad ungesprächig, da feuert die Stimme kein Hossa ab, es schmettert nicht lustig das Horn. Stattdessen wurschtelt ein Murmeltier verschlafen in seinem Bau und grummelt „Hmpff.“ „Wo sagtest du steht das Salz?“  „Im Schrank.“ „Ich seh es nicht, wo denn im Schrank?“ „In däinnentür..“ „WO?“ Kein Wunder: während des Antwortens wusste ich bereits, dass er nachfragt.

„Mami wer hat mein rotes Auto genommen?“  „… auf’m fensersims stes.“ „WO?“ Schon bei den Kindern hat mich das früher genervt. „Um wieviel Uhr fängt das Konzert morgen an?“- „‘m hal ach glab..“ „WANN?“ „Wie heißt dein Grafikprogramm nochmal?“ „..Paintshbr..“ „WIE?“

„Sprich deutlich“, ermahnten mich schon in Jugendtagen meine Schulfreunde, auch damals hatte ich nicht immer Lust zu reden. Doch man kann nicht immerzu etwas sagen wollen. Man muss auch mal still sein. Pscht.

Das ist kein Ufo …

… sondern ein Kürbis von oben.

Diese phantastischen, kreisrund herausgeschnittenen Rauchabzugslöcher sind mein Werk. Dazu saß ich lange in der warmen Nachmittagssonne, schnitzte und schwitzte. Geduldig besserte ich nach, bis nichts mehr zu verbessern war. Nicht meine Art eigentlich, schon gar nicht wegen ein paar Löchern in einem Kürbis. Aber ich hatte nichts anderes zu tun und musste mir Zeit lassen. Seltener Umstand.

Auf dem Kürbisfest im Garten eines Freundes hockten wir also gestern auf Bierbänken wie viele andere Gäste, mit riesigen orangefarbenen Früchten zwischen den Schenkeln. Alle perforierten Zeichnungen aus Internet-Vorlagen auf die glänzenden Schalen, sägten und höhlten aus und warfen Glibberiges in Plastikwannen. Mehr als eine Stunde lang bohrte ich an fünf Löchern herum, während der Liebste ein Vampir-Gesicht ins Kürbisfleisch stanzte. Ich arbeitete ohne Hast und ohne Ziel, denn zu jeder Zeit hätte ich damit aufhören können. Aber dann hätte ich mich gelangweilt. Deshalb wurden die Löcher immer runder, und der Krampf einer ganzen Arbeitswoche fiel mir von der Seele, bis nur noch Kürbisraspel darauf übrig waren.

Auch der Rest kann sich sehen lassen:

Erst Recht im Dunkeln.

Man sieht’s net richtig, meine Kamera ist nicht so leistungsfähig wie meine Hände. In meinem nächsten Leben werd ich Holzschnitzer.