Schade um das Essen. Die Fleischscheibe, die ich mir in der Küche eines Sternekochs vor ein paar Tagen auf den Teller legte, zerging auf der Zunge, ein fantastisch zarter Gaumenkuss mit Meerrettichsoße, etwas so Feines habe ich lange nicht bekommen. Das Personal zahlt hier einen geringen Monatsbetrag und kann sich dann nehmen, was das Haus zu bieten hat. Jeden Tag essen in einem Spitzenrestaurant, das wär schon was gewesen! Dennoch entschied ich mich dagegen.
Dabei machte der Probetag richtig Spaß. Im dazugehörenden Hotel spazierten Geschäftsleute hin und her, Amerikaner vor allem, spannend. Sympathische Mitarbeiter wuselten herum wie in einem Ameisennest, es wurde gerufen, gelacht, gelärmt, auf vornehme Zimmerlautstärke heruntergedreht, wenn ein Gast in der Nähe war. Die Anmeldung duckt sich ein wenig zerschrammt in eine Nische, wir befinden uns in einem fast tausend Jahre alten Gebäude. Es ist natürlich aufgefrischt worden, aber so hochglanzpoliert und leblos wie viele moderne Häuser kann es nie sein, man findet Spuren eines langen Daseins. Ich mag das. Ein kleines Familienunternehmen hat es hier jedenfalls geschafft, zu einer großen Adresse zu werden, und es sucht jemanden für den Empfang.
An die Schichtarbeit hätte ich mich gewöhnen müssen, und nein, Geld gibts auch nicht viel. Gastronomie eben. Aber wenn man sich am Arbeitsplatz fühlt wie ein Fisch im Wasser, dann verschwimmt mancher Einwand. Trotzdem werde ich hier nicht arbeiten, denn heute traf ich einen Freund, der die Inhaber kennt. Er bestätigte, was ich von anderen Quellen schon weiß: Man wird hier nicht gut behandelt. Überhaupt nicht gut.
Es ist schwer, so etwas ernst zu nehmen, wenn man sich in eine Stelle verliebt hat und Ausflüchte sucht: irgendwas ist überall. Ich weiß doch, was ich kann, und ich werde mich behaupten, bin schließlich ein Profi, der Job ist es wert. In diese Falle tappte ich vor drei Jahren schon einmal. Ich hatte bei einer neuen Stelle dieselben Warnungen erhalten, sagte trotzdem zu und heute weiß ich nicht mehr, was ich kann und ob ich überhaupt etwas kann, und ein Profi bin ich auch nicht mehr. Das ist kein Job wert.
Verflixt. Es ist trotzdem schwer, sich von einer Möglichkeit zu verabschieden, bevor man sie richtig kennt. Aber … nein. Ich werde dort nicht arbeiten.