Fernreisen sind derzeit kaum möglich, deshalb ruft puzzleblume seit einiger Zeit zu Zimmerreisen auf. Bei genauer Betrachtung gibt es nämlich auch zu Hause viel zu entdecken und Spannendes zu erzählen. In der momentanten Etappe sind Reiseziele mit dem Anfangsbuchstaben J oder K vorgesehen. Ich freue mich, wenn du mich begleitest.
Vom Klabautermann hat man schon gehört. Seefahrer vergangener Jahrhunderte glaubten an einen guten Geist oder Kobold, der das Schiff in Ordnung hält, vor Gefahren warnt und gelegentlich Schabernack treibt. Der Klabautermann sitzt meist im Laderaum, wo er sich an Kisten und Fässern zu schaffen macht. Es knarrt, hämmert und klopft. Man sieht ihn nie, und das ist gut so. Wenn er sich nämlich blicken lässt, ist es zu spät: Es kommt schlechtes Wetter und das Schiff wird untergehen.
Doch wer ist die Klabauterfrau?
Dieses Bild entstand im Dezember 2019. Ich malte es in den Stunden, die ich allein in meinem Zimmer verbrachte, damals befand ich mich in einer Reha. Die Maltechnik geht so, dass man Linien zeichnet, die sich überkreuzen. Dadurch bilden sich kleine Flächen, die man ausmalt. Man weiß nie, was daraus entsteht, und es ist auch nicht wichtig. Das Malen ist eine Entspannungsübung, im Kopf kehrt Ruhe ein.
Bei meinem Bild kam nach und nach eine Figur zum Vorschein, die ich immer weiter ausarbeitete. Am Ende blickte mich ein gnomhaftes Wesen an, dem ich das weibliche Geschlecht zuordnete. Sie steht auf einem schwankendem Untergrund, hinter ihr türmen sich Wellen, fertig war die Klabauterfrau. So stellte sie sich jedenfalls vor, als ich das Werk zum Schluss betrachtete.
Wenn ich mein Leben als Schiff auf hoher Fahrt betrachte, dann passt sie auch, die Klabauterfrau. Sie zeigte sich auf dem sinkenden Schiff, das ein halbes Jahr später in Form meines bisherigen Lebens unterging. Ein neuer Lebensabschnitt begann, wieder einmal, und ich frage mich: War die Klabauterfrau eine Vorbotin?
Wenn man das Bild umdreht, zeigt sich übrigens ein anderes Motiv: der Kopf einer Frau mit Hut.
Es fehlen die Augen, sie sieht also nichts. Sie schaut nicht hin und das – es gruselt mich selbst – hat etwas mit dem plötzlichen Auseinanderbrechen meines Lebensschiffs zu tun. Mir gefiel das Gesicht damals nicht und ich hängte das Bild wieder „richtig“ herum auf.
Laut einem alten Seemannsbrauch gehört auf jedes Schiff ein Huhn zur Abschreckung des Klabautermanns. Wenn ich das gewusst hätte! Ich hätte ein Huhn malen können, oder zwei, oder einen ganzen Hühnerstall. Ich hätte auf einer meiner Wanderungen ein Huhn stehlen und auf dem Balkon verstecken können, oder bei Edeka eins aus der Tiefkühltheke kaufen, wenn dadurch alles anders gekommen wäre. Aber es kam, wie es kam.
Den Klabautermann gab es, als noch Segelschiffe durch die Meere pflügten. Auf ihnen waren wohl viele Geräusche zu hören, die niemand anders als der Kobold verursachte und die es später auf Dampfschiffen nicht mehr gab. Deshalb wurde es von da an ruhig um den kleinen Schiffsgeist und er war fast vergessen, bis der berühmteste „Nachfahre der Klabauter“ die Bühne betrat, und zwar ganz ohne Schiff: Pumuckl.
Die Klabauterfrau hängt seit meinem Umzug im Wohnzimmer, denn ich schau sie gerne an. Sie ist stark, hält sich über Wasser und aus ihrem Gesichtsausdruck schließe ich: wenn jemand Ärger macht, gibts eins auf die Nuss.
Meine tägliche Inspiration.