Meine Mutter schenkte mir vor ein paar Tagen Backpapier. Gleich mehrere Rollen fielen ihr beim Ausräumen in die Hände, sie will sie nicht behalten. Die Kuchen, die sie in ihrem Leben zu backen hatte, sind längst gegessen.
Als ich noch klein war, gab es gelegentlich welchen am Sonntag, ich weiß nicht mehr was für Kuchen es waren. Meine Mutter stand dann in der Küche am Spülstein und schöpfte langsam heißes Wasser in den irdenen Trichter, der auf einer Porzellankanne saß. An solchen Tagen kam meine Großmutter. Meine Mutter hatte dann keinen Blick für mich, sie eilte nervös hin und her, bis der Kaffeetisch bereit war. Dann saßen sie beieinander, die beiden Frauen. Sie unterhielten sich und es kam mir vor, als wüssten sie nicht recht, was anfangen miteinander. Ich verhielt mich meist mucksmäuschenstill. Ein bisschen fürchtete ich mich vor der Großmutter, weil sie stets schwarz gekleidet war.
Jahre später entwickelte sich die Backkunst meiner Mutter zu etwas Eindrücklichem. Wir waren daran gewöhnt, dass sie ihre Werke präsentierte mit den Worten: „Sieht ein bissel missraten (vrgrôda) aus, macht aber nix. Hauptsach, s‘schmeckt!“ Frei nach einem ausgefallenen Rezept oder nach einem eigenen oder auch gar keinem außer ihrer Fantasie kamen die Zutaten in dieser Zusammenfindung meist nur ein einziges Mal aufs Blech: Kirschen, Zwetschgen, Beeren, mit Gewürzen experimentierte sie auch. Was dabei heraus kam, war üppig und fruchtig, auf jeden Fall saftig und gelegentlich von unerwarteter Beschaffenheit. Manche ihrer unvergesslichen Kreationen sahen aus, als hätte sie Knallfrösche drauf geworfen, andere mussten wir mit dem Suppenlöffel essen. Niemals wäre etwas Vergleichbares beim Konditor zu haben gewesen, es ist nur die Familie, die solche Kuchen kennt.
„Da, nimm, ich brauchs nicht mehr“, sagte sie. In der Küche der neuen Wohnung will sie nicht einmal einen Backofen. Es gibt eine Cafeteria im selben Gebäude, da wird sie jeden Tag sitzen können, plaudern und Kuchen essen. Andere dürfen jetzt backen. Und sie kann beobachten, wir ihre Freude am Ausprobieren in den Kindern und Enkeln am Leben bleibt.