Nun sagt: Wie habt ihr’s mit euren Schwingungen?
Was mich immer wieder beschäftigt ist, was man in Artikeln über spirituelle Lebensführung zu Themen wie Energien, Kraftfeldern und Achtsamkeit liest. Dabei geht es häufig um positive Schwingungen: „Tu, was dein Herz zum Lachen bringt. Tu, was deine Seele leuchten lässt. Nur dann bist du in deiner Wahrheit und schöpfst dein volles Potenzial.“ Die essenzielle Frage ist deshalb: „Was muss ich tun, um heute Abend glücklich ins Bett zu sinken?“ oder „Wie kann ich fühlen, was mein Herz mir sagt?“ usw. Der spirituelle Mensch macht sich frei von Dingen, Speisen, Situationen und Menschen mit negativen Energien. Gesunder Egoismus tut gut, steht in edel aufgemachten Esoterikheftchen, im Internet oder in Achtsamkeits-Apps.
Was man selten liest: Die Konzentration auf sich selbst und auf die Schwingungen im eigenen Umfeld haben Nebenwirkungen.
Ich male mir gerade ein abgelegenes Dorf aus, in dem nur vier Menschen leben. Vor einem Haus sitzt eine einsame alte Frau auf einer Bank. Man sieht sie jeden Tag, sie ist dürr und ganz gelb im Gesicht, das Gehen fällt ihr schwer. Eine andere Frau kommt vorbei und sieht das. Sie schaudert. Sie spürt die Schwingungen der Krankheit, der Angst vor Verpflichtung und gestohlenen Zeit, deshalb eilt sie davon und benutzt diesen Weg nicht mehr.
Dann nähert sich ein Mann. Auch ihm wird beim Anblick der Frau unwohl und er gerät in einen seelischen Aufruhr. Um sich zu schützen, verlässt er das Dorf und kehrt nicht mehr zurück.
Als Letztes kommt eine andere Frau. Auch sie spürt die Angst vor der Krankheit, der Verpflichtung, der gestohlenen Zeit und ihre Energie gerät durcheinander. Da aber sonst niemand da ist, setzt sie sich zu ihr und fragt, was sie braucht. Sie hilft ihr nun regelmäßig, obwohl es ihr schwerfällt, aber sie bringt es nicht übers Herz, die alte Frau sich selbst zu überlassen.
Wer macht es richtig? Die achtsamen Esoteriker, die lieber Mandalas in den Sand zeichnen? Oder die Frau, die nun einen Menschen an der Backe hat?