Auf dem Sofa in unserem Empfangsbereich sitzen zwei Kursteilnehmer: ein großer, kräftig gebauter Mann aus Afrika, und eine magere Frau um die Vierzig mit asiatischen Gesichtszügen. Sie unterhalten sich leise. Da es ansonsten still ist, höre ich vom Schreibtisch aus unfreiwillig zu. Der Mann sagt:
„Wie geht es hoidde?“
„Guut,“, zirpt sie mit hoher, gepresster Stimme und verbeugt sich leicht. Dann – mit dem Blick geradeaus, ohne sich umzuwenden:
„Wie | geht | es | Ihnen?“ Sie reiht die Worte aneinander wie Bausteine.
„Ooooh, gudd,“ sagt der Mann mit strahlender Stimme. „Viel Lerne.“
Klein und schmal sitzt die Frau da, sie erwidert nichts.
„Deine family in Doischland?“ fragt der Mann weiter.
„Ja,“ sagt sie nach kurzem Zögern, „mein | Mann.“
„Kinder? Hassdu Kinder?“ Ihre Schultern ziehen sich zusammen.
„Swei“, wispert sie.
„Ooooh,“ sagt er, „welke … aahmmm, year?“ Sie schaut ihn an und sagt nichts. Er streckt die Finger hoch, zählt ab. Da versteht sie.
„Swölf, und noin“, haucht sie.
„Kinder in Doischland?“ fragt der Mann. Sie nimmt sich Zeit, sucht nach Bausteinen. Dann:
„Meine | Kinder | sind | tot.“
„ooooh …“
Ich weiß nicht, woran die Kinder dieser Frau gestorben sind und warum sie ihre Heimat verlassen hat. Ich weiß nur, dass meine Kinder leben, und zwar in einem sicheren Land. Ich Glückspilz.