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Schwänglisch

Kürzlich an der Rezeption unseres Hotels in London: Ich frage nach einem Buslinienplan.
„Do you have a bus map for us, please?“
Der junge Mann schaut mich an, als hätte ich polnisch gesprochen.
„A what?“
„A bus map.“
„A bus map?  ………  Oh! You mean a bus map.“
„That’s right. A bus map.“
„Sure, Madam, here. A bus map for you.“

Was mach ich falsch? Ist meine Aussprache zu schwänglisch?

In der Tat klingt das „bus“ des Engländers wie etwas kurz vor boss, aber vorher macht er Halt und so wird noch kein richtiges O daraus, aber es ist auch kein A mehr. Klingt mein „bus“ in britischen Ohren wie buzz? Aber was sollte ich wohl mit einer summenden Landkarte?  Ein bisschen Fantasie sollte man von einem Mitarbeiter an der Rezeption schon erwarten können. Also echt.

Sprachstörungen

Ich habe mir eine Kompaktkamera gekauft. Mit der kann man nicht nur Bilder machen, sondern natürlich auch filmen, und mein erster Film war eine Dokumentation über „Drehmoos„. Manche kennen ihn schon. Den zweiten habe ich gerade erst entdeckt, eine versehentlich gestartete Aufnahme durch das Herumfummeln mit all den Knöpfen. Der Film zeigt viel Himmel, eine Dachrinne, zwei Hauptdarsteller: ein nackter Rücken, zwei schräg ins Bild gehaltene Köpfe (der geliebte Brite und ich), des Weiteren Teile eines Balkonkastens und die minutenlange Makroaufnahme meines schwarzen Rocks. Beeindruckend ist eigentlich nur der Tonmitschnitt. Zwei Menschen unterhalten sich auf Englisch, und als ich das hörte, gruselte es mich. Dafür gibt es drei Gründe, ich beginne mit dem Harmlosesten:

1. Die Stimme klingt natürlich immer anders, wenn man sich selbst hört, aber ich habe zwei Stimmen. Sie klingt völlig unterschiedlich, je nachdem ob ich deutsch oder englisch spreche. Die englische gefällt mir besser, aber ich hätte sie nicht als meine erkannt, wenn man sie mir vorgespielt hätte.

2. Viel schlimmer: Selbst im Englischen habe ich einen schwäbischen Akzent! Von wegen, wenigstens in der Fremdsprache klinge ich wie alle andern – diese Illusion zerbarst heute in Sekunden, und ich fasse es immer noch nicht: I schwätz Schwänglisch …

3. Das bereitet mir am meisten Kopfzerbrechen: Ich hab überhaupt nicht verstanden, worüber ich geredet habe. Mein unverständliches Gebrabbel erschloss sich erst, als ich mehrmals nachgehört und mich vage erinnert hatte, worum es eigentlich ging. Ich glaube, ich hatte den Briten angemaunzt, weil er eine Balkonpflanze enttopft und einfach stehengelassen hatte. Ganz sicher bin ich mir aber nicht.

Wie kann das sein? Wieso verstehe ich mich selbst nicht? Verstehen mich denn die andern? Versteht mich irgendwer?

Abendunterhaltung

Von meinem Platz aus sehe ich auf eine Lounge, die vom Restaurant abgeteilt ist. In ihrer Mitte befindet sich ein Marmorpodest mit einer Glasschale darauf, in der liegen vier Orangen, vier Zitronen, drei quietschgrüne Limetten, eine davon sieht man nur halb. Links an der Wand steht eine weiße Plastikhortensie in silbernem Übertopf, rechts eine Palme. Dazwischen drei hellgraue Sessel. Dahinter ein Fenster mit Blick auf den Innenhof, dort sechs weitere Tische und jeweils zwei bis vier Stühlen. Mit anderen Worten: Ich langweile mich.

Neben mir sitzt der geliebte Brite, gegenüber sein Sohn und sie schreien sich an. Nicht weil sie sich streiten, sondern weil es so laut ist. Es scheint hier niemanden zu stören, wenn man Gesprächen auch am Nebentisch mühelos folgen kann (der Geräuschpegel steigt entsprechend), aber da sowieso ständig und überall mit CCTV-Kameras überwacht wird, kommt es darauf wohl auch nicht mehr an.

Ich bin also die Einzige, die den Unterhaltungen weder am eigenen noch an irgendeinem fremden Tisch folgen kann, akustisch nicht und sprachlich erst recht nicht, der Geordie-Slang in Newcastle ist für Ausländer ungefähr wie Schwäbisch für Reingeschmeckte. Elles subbr, wenn mans versteht.

Ich schaue mich um. Die Lounge ist jetzt leer, das Obst gezählt, die Möbel betrachtet, ich schiebe Olivensteine auf dem Tellerchen vor mir hin und her. Es sind vier. Der britische Sohn hat einen Stein vor sich liegen, und im Schüsselchen in der Mitte sind nur noch zwei große, grüne, saftig-fruchtige Oliven übrig. Hab ich so viele gegessen? Wie unhöflich, denke ich, andern schmecken sie genauso, wo war ich mit den Gedanken? Ich darf auf jeden Fall nicht noch einmal zugreifen, denke ich und schlucke mit schlechtem Gewissen hinunter, lege den fünften Stein auf meinen Teller.

Nun holt sich der Brite eine Olive. Er plaudert weiter, kaut, plappert, holt nach einer Weile mit spitzen Fingern den Stein aus dem Mund und – wirft ihn auf meinen Teller! Ach so. Das war ich gar nicht allein. Dann weiß auch niemand, wie viele Oliven ich gegessen habe, resümiere ich, und greife nach der letzten. Mmmmm.