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Zimmerreise 03/2021: G wie Geschenk oder Grünlilie

Zimmerreise? Was ist das denn?

Die Grünlilie ist das Unkraut unter den Zimmerpflanzen, sie ist praktisch unkaputtbar: man darf sie zu hell stellen, zu dunkel, zuviel gießen, zu wenig – die Grünlilie nimmt es hin.
Zwischen den grün-weiß gestreiften schmalen Blättern erscheinen lange Schäfte, an denen sich bewurzelte Ausläufer bilden. Die stellt man ins Wasser und Zack! Neues Leben entsteht. Auch beim Vermehren kann also nichts schiefgehen.

Im Grunde ist sie nichts Besonderes, da gibt es nichts zu deuteln, Grünlilien stehen wohl in jedem Haushalt herum. Da sie laufend Ableger produzieren, muss man sie nicht kaufen. Man kennt immer jemanden, der welche übrig hat und zur Not tut es auch mal ein Grünlilienbaby aus irgendeinem Warteraum.

Dieses Exemplar ist das Geschenk einer Freundin. Als ich in die Wohnung hier eingezogen war, stand sie eines Tages da und streckte mir strahlend eine kleine, angewelkte Pflanze im alufolien-umwickelten Topf entgegen. „… ich hab so viele von denen, kann sie nie wegwerfen, und oh, hätt ich wohl mal gießen sollen.“

Was schenkt man?
Da gingen mir zwei Gedanken durch den Kopf.
Erstens: Wieso müssen wir eigentlich in Geschäfte rennen und Sachen kaufen, wenn wir jemanden „artgerecht“ beschenken wollen? Wieso kann es nicht die Grünlilie von der Fensterbank sein? Und wozu braucht es einen stylischen Übertopf – hat nicht jeder das Haus voller Übertöpfe? Was sagt es aus, wenn für ein Geschenk kein Geld ausgegeben wurde?

Zweitens: Kann man sich über ein Geschenk auch dann freuen, wenn es sich um ein „Allerweltsgeschenk“ handelt, das nicht von langer Hand überlegt und ausgesucht wurde?
Kann man ggf. eine Botschaft wie „Ich bin der Person wohl nicht so wichtig“ abkoppeln und dem Geschenk trotzdem eine Chance geben, es also gerne annehmen?

Diese Grünlilie kam jedenfalls nicht vom Gartencenter, sondern von Herzen, ich weiß das, und sie hat die Durststrecke prima überstanden. Sie bekam einen Platz, an dem sie atmen, wachsen und bewundert werden kann und sie wird immer üppiger. Ich werte das als Zeichen des Schicksals speziell für mich. Wann immer ich die Pflanze betrachte, freue ich mich. Eine Orchidee kann auch nicht mehr.

Übrigens: Schenken macht glücklich. Heute schon geschenkt?

Die Blumen in Nachbars Garten

Das Bild dieser opulenten Prachtblüten ist hinreißend, nicht wahr? Aber eben nur ein Bild, nur die halbe Miete. Wenn ihr sie dagegen riechen könntet! Seit Tagen erfüllt ein feiner, süßer, sinnlicher Blumenduft den Wohnraum, ich kann mich gar nicht sattsehen und sattriechen daran.

Solche Pfingstrosen wachsen übrigens nicht in meinem Garten, sondern in dem der Nachbarin. Als wir kürzlich mit dem Jäten und Hacken fertig und am Aufräumen waren, stieg sie über die verblühten Narzissen hinweg auf unsere Wiese und hielt diesen Strauß in der Hand. „Ich chab zu viele, ich gebe allen, chier bitte!“ sagte sie mit diesem liebenswerten osteuropäischen Akzent.

Schade, dass Olfakto-Dateien noch nicht erfunden sind, sonst könnte ich diesen berauschenden Duft mit euch teilen.

 

Blumen für Mama

Eine meiner frühesten Kindheitserinnerungen handelt von Blumen, die ich für meine Mutter pflückte. Da die Stiele in meinen Augen nichts Besonderes an sich hatten, brach ich sie ab und legte meiner Mutter nur das Schönste auf den Schoß: die bunten, zarten Blüten. Neben ihr – wir befanden uns auf einem Spielplatz oder so – saß eine andere Frau mit einem „ordentlichen“ Sträußlein von ihrem Kind in der Hand. Da sagte meine Mutter: „Oh, ich bekomme ja nur die Köpfe“.

Das verwirrte mich so, dass ich es heute noch weiß.

 

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Allen Müttern wünsche ich einen wunderschönen Muttertag!

Betrachtet die Geschenke, die ihr heute vielleicht bekommt, mit den Augen der Kinder.

❤❤❤

Die Gaben der andern

Eine Chance im Leben sind nicht nur die Lebenspartnerin oder der Ehemann, sondern auch Kollegen und Vorgesetzte. Die lästigen vor allem. Die schnippischen, cholerischen, ungerechten.

Facettenreichtum entdecken
Destillieren wir zum Beispiel aus Gehässigkeit und Beschuldigungen das, was uns wirklich angeht, dann erfahren wir etwas über uns selbst. Eine belanglose Seite vielleicht, vom streitsüchtigen Stänkerer überzogen oder falsch bewertet. Dass sie überhaupt zu einer Reaktion führen würde bei anderen, hätten wir nicht gedacht. Kein Grund, sich nicht damit zu befassen. Gehört diese Besonderheit zu mir, kann ich sie gern haben? Oder hat etwas Falsches mein Wesen infiziert und wenn ja, warum?

Eigenanteil erkennen
Auch Menschen, die Neid in uns wecken, Gereiztheit oder Abwehr, erzählen von uns selbst. Wenn etwa die Lippen schmal werden beim Blick auf den umflatterten Strahlemann in der Werkstatt, während wir die Pausen abseits verbringen – dann können wir das ruhig einmal abklopfen. Vielleicht sind wir es selbst, die die Arme ausspreizen zum Abstand halten. Ist es aus Überheblichkeit? Oder aus Angst, nicht genug zu sein?

Anderer Leute Last abschütteln
Was aber zur Verstörtheit des andern gehört, das lassen wir dort. Furcht und Verdrossenheit schnürt mancher in Bündel und wirft sie uns zu. Das macht es für kurze Zeit leichter für ihn, und so werden Komplexbeladene beleidigend, Frustrierte verteilen Gift, Versager intrigieren. Fangen wir solche Bündel nicht auf, es sei denn wir sind Psychologe und werden dafür bezahlt. Alle andern haben mit diesen Entladungen nichts zu tun, denn jeden können sie treffen.

Nicht vergessen übrigens: Hinter der bunten Schau oder einem garstigen Wesen können wir manchmal Geschichten entdecken, die unseren eigenen Blickwinkel verschieben. Es lohnt sich manchmal, hinzusehn. Menschen und Eigenarten sind ein Geschenk, wenn die Auseinandersetzung mit uns selbst oder Bereicherung durch Verstehen folgt. Nutzen wir diese Möglichkeit.