Zimmerreise? Was ist das denn?
Die Grünlilie ist das Unkraut unter den Zimmerpflanzen, sie ist praktisch unkaputtbar: man darf sie zu hell stellen, zu dunkel, zuviel gießen, zu wenig – die Grünlilie nimmt es hin.
Zwischen den grün-weiß gestreiften schmalen Blättern erscheinen lange Schäfte, an denen sich bewurzelte Ausläufer bilden. Die stellt man ins Wasser und Zack! Neues Leben entsteht. Auch beim Vermehren kann also nichts schiefgehen.
Im Grunde ist sie nichts Besonderes, da gibt es nichts zu deuteln, Grünlilien stehen wohl in jedem Haushalt herum. Da sie laufend Ableger produzieren, muss man sie nicht kaufen. Man kennt immer jemanden, der welche übrig hat und zur Not tut es auch mal ein Grünlilienbaby aus irgendeinem Warteraum.
Dieses Exemplar ist das Geschenk einer Freundin. Als ich in die Wohnung hier eingezogen war, stand sie eines Tages da und streckte mir strahlend eine kleine, angewelkte Pflanze im alufolien-umwickelten Topf entgegen. „… ich hab so viele von denen, kann sie nie wegwerfen, und oh, hätt ich wohl mal gießen sollen.“
Was schenkt man?
Da gingen mir zwei Gedanken durch den Kopf.
Erstens: Wieso müssen wir eigentlich in Geschäfte rennen und Sachen kaufen, wenn wir jemanden „artgerecht“ beschenken wollen? Wieso kann es nicht die Grünlilie von der Fensterbank sein? Und wozu braucht es einen stylischen Übertopf – hat nicht jeder das Haus voller Übertöpfe? Was sagt es aus, wenn für ein Geschenk kein Geld ausgegeben wurde?
Zweitens: Kann man sich über ein Geschenk auch dann freuen, wenn es sich um ein „Allerweltsgeschenk“ handelt, das nicht von langer Hand überlegt und ausgesucht wurde?
Kann man ggf. eine Botschaft wie „Ich bin der Person wohl nicht so wichtig“ abkoppeln und dem Geschenk trotzdem eine Chance geben, es also gerne annehmen?
Diese Grünlilie kam jedenfalls nicht vom Gartencenter, sondern von Herzen, ich weiß das, und sie hat die Durststrecke prima überstanden. Sie bekam einen Platz, an dem sie atmen, wachsen und bewundert werden kann und sie wird immer üppiger. Ich werte das als Zeichen des Schicksals speziell für mich. Wann immer ich die Pflanze betrachte, freue ich mich. Eine Orchidee kann auch nicht mehr.
Übrigens: Schenken macht glücklich. Heute schon geschenkt?