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Ochsenauge im Kirchendach

Was für ein Koloss: das Pantheon. Es entstand in der Antike und begann sein Dasein als Tempel für alle möglichen Götter. Später wurde es zur christlichen Kirche umfunktioniert und der heiligen Maria und allen Märtyrern geweiht.

Der mächtigste Hingucker ist die Kuppel: Sie ist nämlich oben offen, und zwar mit einem Durchmesser von neun Metern. Dieses sogenannte Ochsenauge (Ocolus) ist außer dem Eingangsportal die einzige Lichtquelle im Innenraum, die Kirche hat keine Fenster. Zum Glück regnet es nicht oft in Rom, aber doch kommt es ab und an vor und dann will man nicht darunter sitzen. Deshalb gibt es im exponierten Bereich auch keine Sitzbänke, sondern Abflusslöcher im Marmorboden. Damit beim Gottesdienst keine Pfützen entstehen, ist der Boden überdies zu diesen kleinen Öffnungen hin leicht abgesenkt.

Trotz Freiluftkuppel drang früher übrigens kein Regenwasser ins Kircheninnere. Das behauptet jedenfalls die Stimme im Audio Guide. Sie spricht von Tausenden Kerzen, die einst in der Kirche brannten und eine Art Hitzeschild erzeugten. Dadurch verdunsteten die Wassertropfen, bevor sie ins Gebäude gelangen konnten.

Wenn das stimmt, muss es für die Gläubigen ein toller Effekt gewesen sein.

Und noch einen Blick von oben:

Mehr zum Pantheon

Morgenkontemplation

Auf dem Weg zur Arbeit betrachte ich jeden Morgen ein Fräulein in einem Glaskasten. Dieser klebt an der Frontseite einer kleinen Maschinenfabrik und mein Radweg führt eine Weile lang direkt darauf zu.

In dem Kasten sitzt das Fräulein: schmal, ein wenig verhuscht, mit kinnlangem, bräunlich gelocktem Haar und sommers wie winters in einem dünnen Blüschen. Stets blickt sie angestrengt auf einen kleinen Computerbildschirm und kommt ihm mit dem Gesicht einen Tick zu nahe. Selbst aus der Ferne meine ich zu erkennen, dass sie nicht mehr ganz jung ist und eine Brille braucht. Niemals habe ich sie mit einer anderen Person gesehen.

Auch befindet sich der Zugangsbereich mit Lagerhallen, Gabelstaplern, Parkplätzen und dem Eingangsbereich auf der hinteren Seite des Gebäudes, sodass nicht ganz klar ist, wozu es das alles überblickende verglaste Büro auf der Vorderseite braucht. Vielleicht waren die Nutzflächen früher einmal anders angeordnet, oder es ist eine veränderte Einteilung für die Zukunft geplant.

Oder: das Fabriklein hat längst zugemacht, aufgekauft von einem dicken Konzern, und das Fräulein hat man einfach vergessen. Vielleicht ist ihr Gehaltszettel zwischen denen von 5000 weiteren Konzern-Mitarbeitern an anderen Standorten versunken und der Wareneingang ist gar kein Wareneingang, sondern der Zugang zu Abstellflächen für veraltete Ersatzteile, die der neue Eigentümer noch nicht wegwerfen möchte. Dem Fräulein auf der Vorderseite erscheinen aber Bewegungen im Bestand, und unberührt vom Treiben da draußen werden diese von ihr gewissenhaft verbucht und auswertet, wie sie es immer getan hat, und ihre Listen verschwinden vielleicht in den Tiefen eines Verzeichnisses, von dem niemand weiß außer sie selbst.

Dies ist der momentane Status meiner Überlegungen. Jeden Morgen sinne ich ein paar Minuten lang darüber nach, wie alles sein könnte, so wie andere im Yogasitz oder beim Gebet verharren, um inspiriert in den Tag zu kommen.

Und was begegnet euch auf dem Weg zur Arbeit?

Bei einem Pint Bier

Abends fand man uns in diesem Urlaub meist in einem der Pubs. Hier trifft man Menschen, die man sonst niemals trifft. Einmal kommen wir mit einem Mann ins Gespräch, der an der Theke lehnt, während wir auf unser Bier warten. (Es wird hier ja nicht serviert – man holt sich sein Getränk selbst und bezahlt auch gleich). Der Mann ist um die Vierzig, trägt eine dicke Jacke und hat stark verfärbte, lückenhafte Zähne. Wir unterhalten uns ein wenig und erfahren, dass er aus dem Stadtteil Luten stammt. Luten ist eine der heruntergekommensten Gegenden Londons.

Der Mann erzählt, dass er dort keine Arbeit finden konnte, weil es schon lange keine Jobs mehr gibt. Die großen Unternehmen haben dichtgemacht und sind woanders hin. Als er sechzehn war, starb die Mutter, den Vater erwähnt er nicht.  Inzwischen sei er obdachlos, sagt er. Er hat aber keinen schlechten Geruch an sich, das Haar ist geschnitten, das Gesicht frisch rasiert und er wirkt nicht schmutzig. Wenigstens kann er sich irgendwo waschen und wohl auch dort schlafen. In Luten sei er schon Jahre nicht mehr gewesen.

Aber dann spricht er begeistert über die großartige Geschichte Londons. Er kennt historische Ereignisse und Persönlichkeiten, liebt die jahrhundertealten Traditionen und ist stolz auf „seine“ Stadt. Er wolle nirgendwo anders leben, sagt er, und sein ganzes Gesicht leuchtet. Schließlich empfiehlt er uns ein paar Clubs in der Umgebung und wir verabschieden uns mit Handschlag. Dabei bittet er um etwas Kleingeld für den Bus. Ich krame ein Pfund aus der Tasche.

Es ist oft nur eine Fügung des Schicksals, auf welcher Seite des Lebens wir landen.

Leckt mich doch alle, sagte der Hintern

Seit heute streckt mir zu Hause ein blauer Elefant den Hintern entgegen. Kein echter Elefant natürlich, schon weil Elefanten gar nicht blau sind. Es ist vielmehr eine Geschichte, die an der Wand hängt. Nein, mehrere Geschichten.

Der Elefant ist auf Alu-Dibond gedruckt und erzählt von meinem Blog, durch den ich Sofasophia kennenlernte. Er erzählt von ihrem Blog und ihrem Link zu Irgendlink. Und davon, wie dieser 7000 km ums Meer herum radelte und dabei in Dänemark vor einem blauen Elefanten anhielt, um ihn zu fotografieren. Es ist eins der Bilder, die er in seinem Kunstprojekt alle 10 km aufnahm.

Das Bild kam zu mir, weil ich während dieser Tour einen kleinen Text übersetzt hatte, als er durch England radelte.

Ganz schön viel, was dieses Bild zu erzählen hat. Und die Geschichte um den Elefanten selbst ist noch nicht einmal dabei, weil ich sie nicht kenne.  Aber der Standpunkt gefällt mir, jedenfalls der, den ich darin sehe: „Ihr könnt mich alle mal.“ Genau.

Elefant© Irgendlink

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Und so sieht der Elefant von vorne aus