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Driving home for Christmas

Ja so ist das, wenn man mit einem Briten zusammen lebt. Man sitzt am Heiligabend am Computer, tut Dinge, die man jeden Abend tut. Mir fehlt nichts. Man kann nicht morgens auf den Wochenmarkt hetzen, einen toten Truthahn durch die Straßen schleppen, letzte Geschenke aus menschenumwaberten Geschäften erobern, die Wohnung in Ordnung bringen, das Badezimmer putzen, den Menüplan durchgehen, vorkochen nach Möglichkeit, und dann am Abend entspannt vor dem Christbaum stehen und Weihnachtslieder singen. Nein. Die Kinder, das Essen, die Bescherung – das machen wir alles morgen. So ist es in England Tradition, und mir gefällt sie.

Die Gaben bringt freilich immer noch das Christkind, nicht Santa Claus. Wir hören uns auch nicht die Rede der Queen im Fernsehen an, wir tragen keine bunten Papierhüte und ziehen keine Knallbonbons. Auch vor Plumpudding bleibe ich dieses Jahr verschont, und wir haben keinen Mistelzweig in der Wohnung.

Was hierher und zu uns passt, entscheiden wir frei. Deshalb kann ich nach der überarbeiteten und hektischen letzten Zeit jetzt, in diesem Moment, während Chris Rea im Radio is driving home for Christmas, auch ankommen. Es ist Weihnachten. Schön.

Euch allen wünsche ich ein besinnliches, entspanntes Fest und fröhliche Feiertage!

Heiligabend

Ich sitze in der Kirchenbank und weiß nicht wohin mit meinen Gedanken. Es ist schwer anzudocken dort, wo ich bin und an dem, was ansteht: Weihnachten. „Du hast Schuld auf dich geladen,“ verkündet die Stimme des Priesters, „komm zu dem, der deine Schuld wegnimmt!“ Das kann ich nicht brauchen. Nie sind wir gut genug. Immerzu muss vergeben werden. Das hab ich jeden Tag bei der Arbeit.

Mein Herz pocht jetzt eingeklemmt gegen die Enge. Ich versuche die Atmung zu regulieren. Muskeln entspannen, sage ich mir. Nicht weinen. Es gibt keinen Grund. Ich richte meine Aufmerksamkeit auf die Menschen neben mir: Der Liebste blättert im Liederbuch, die Kinder wispern sich Dinge zu und lachen leise. Alle am Leben, denke ich. Alle auf ihren Wegen, vielversprechende. Jetzt rollen Tränen über mein Gesicht. Nicht weil der Tod so nah war bei einem von ihnen, sondern weil er so nah ist bei jedem von uns.

„Sprich nur ein Wort, so wird meine Seele gesund,“ bittet die Gemeinschaft jetzt. Diesen Satz hab ich immer gemocht, und das Wort wird gesprochen. Heute jedenfalls. Meine Seele fühlt sich allmählich warm an, sie löst sich aus der Verkapselung, holt Luft. Mein Atem wird ruhiger. Ich spreche Gebete mit den andern und singe Lieder zu Weihnachten. Gott schütze uns.