Unter
dunklen, treibenden,
tiefschwerschleppenden Novemberwolken
verdämmert … die Heide!
(Arno Holz)
Ich glaube, wir brauchen neue Novembergedichte!
Diese Bilder entstanden heute beim Spazierengehn.
Schon weiß man, was man nicht vermisst hat!
An solche Bilder muss man sich erst wieder gewöhnen. Nach gefühlt hundert Jahren regnet es bei uns seit gestern ohne Unterbrechung. Das ist gut für den Boden und perfekt für den Sonntagnachmittag. Immerhin war ich schon beim Joggen. Jetzt liege ich ohne schlechtes Gewissen auf dem Sofa mit Kaffee, Kuchen und einem Buch. 🙂
Ich wünsche euch allen einen schönen Nachmittag!
Ich schlage eine dieser Hochglanz-Zeitschriften mit einer Mischung aus Lebenshilfe und Einlullen auf: schöne Bilder und schöne Texte für schöne Momente im manchmal unschönen Leben. Zunächst kommen mehrere ganzseitige Fotos: Wehendes Haar mit Frau, Herbstblätter beim Tanzen, weiße Wolken auf dem Weg nach Hause usw. Darunter steht jeweils ein Sinnspruch, damit man nicht gleich so viel lesen muss: „Klarheit bringt der Wind des Wechsels“ zum Beispiel, oder „Den Samen vor sich hertreibend schließt sich der Kreis“, Yin und Yang und sowas. Ich blättere Seite um Seite um und betrachte in andächtiger Versunkenheit die Bilder. Nun folgt eine Seite mit zwei Essigflaschen. „So schön“, ist auch hier mein erster Impuls, aber irgenetwas stimmt nicht. Ach ja, es ist der Spruch: „Jetzt natürlich bei dm“. Damit kann ich nichts anfangen, welche Philosophie ist das denn? Erst nach ein paar Augenblicken kehre ich in die reale Welt zurück und merke, dass es eine Essigwerbung ist.
Man kann alles schön finden, stelle ich fest. Man muss nur in der Stimmung sein. Und etwas Schönes erwarten.
Das war mein Wort zum Dienstag.
Schwarzes Baumgeäst
mit feiner Pulverschneeschicht
Wir brauchen Brennholz
Was ist ein Haiku?
Das Haiku ist eine japanische Gedichtform, die als kürzeste der Welt gilt. Sie besteht aus einem Vers aus 3 Zeilen mit einer vorgegebenen Anzahl von Silben. Im Deutschen sind es üblicherweise 17 Silben, die in der Anordnung 5/7/5 auf die Zeilen verteilt sein sollen. Es dürfen aber auch weniger Silben sein.
Meist handelt es sich um konkret beschriebene Momentaufnahmen aus der Natur, Gefühle kommen nicht vor. Das Gedicht bleibt offen, der Leser fügt die Geschichte und damit verbundene Emotionen selbst zusammen.
Nicht viel zu sehen draußen
Eine trübe Suppe ist das
Blattlose Bäume in Dunstschwaden
Elstern husten sich heiser
Lass uns daheimbleiben
Was ist ein Akrostichon?
Der Begriff stammt aus der griechischen Sprache und bedeutet „Spitze, Äußerstes“ (akros) und Vers (stichos). Das Akrostichon war schon in der Antike, aber auch im Mittelalter und in der Barockzeit beliebt und macht bis heute vielen Menschen Spaß. Gemeint ist ein Schreibspiel bzw. ein Gedicht, bei dem die Buchstaben eines Worts senkrecht untereinander geschrieben werden und jeweils als Anfangsbuchstabe einer neuen Textzeile verwendet werden müssen. In jeder Zeile sollte etwas zum Thema des vorgegebenen Wortes gesagt werden.
Man kann damit auch Textfragmente, kleine Ideen oder Beobachtungen „verwursten“, die sonst nirgends hinpassen.
Ein Beispiel aus moderner Zeit stammt von Elfriede Hablé (*1934):
Lust = „Leben unter Strom“.
Ich hatte da mal was vorbereitet. Novemberschwere Stimmungsbilder in Worte gefasst und hustende Elstern in Gedichte, aber was ist? Ich bin heut in den Wald marschiert bei 20 Grad und im T-Shirt, zahlreiche Spaziergänger waren auch unterwegs, Kinder rannten durch knisterndes Laub, die Bäume leuchteten im Sonnenschein und die Vögel jubelten, als wär nichts gewesen seit letztem April, es war ein Singen und Springen – wie soll man sich da ordentlich einmummeln? Wie die jahreszeitlich disponierte Klammheit und heraufziehende Wintereinsamkeit zum Anlass nehmen, Wärme im Herzen zu beschwören?
Wenn es so weitergeht mit der Klimaerwärmung, steht die Welt vor einer Neuordnung der Jahreszeiten und die Dichter haben viel zu tun.
Heute aufgenommen.
Ich holpere mit dem Fahrrad über zerplatzte Kastanien, die auf dem Asphalt kleben. Ein paar letzte Sonnenstrahlen tanzen durch die Bäume und es riecht nach feuchtem Laub. Am Straßenrand sammeln sich abgestorbene Blätter, die der Wind aus den Vorgärten holt, sie trudeln eine Weile herum und beruhigen sich, bleiben am Ende kraftlos liegen. Von Tag zu Tag wird die Luft kühler und das Licht weicher.
Ich bin auf dem Nachhauseweg von meiner Mutter. Diese Strecke fahre ich nun jeden Tag und es wird immer später, bis alles erledigt ist bei ihr. Jetzt bricht die Dämmerung herein, in der Innenstadt beginnt das Nachtleben: Aufgeputzte Menschen promenieren zu Kneipen und Restaurants, Liebespaare umschlingen sich öffentlich, Autos steuern in die Tiefgarage.
Ich friere. Morgen muss ich mich wärmer anziehen und daran denken, ein Fahrradlicht einzustecken.
Regen ist nicht nur dass, wofür man es hält, sondern auch eine Kleinstadt im Bayerischen Wald. Kennen wahrscheinlich nicht viele, ich auch nicht. Es ist ein Luftkurort, eine „Perle am Fluss“, die ich durch Zufall im Internet fand. Ich schaue aus dem Fenster und dort gibt es auch Regen, aber der bietet keine einzigartigen Sehenswürdigkeiten, sondern er fällt kalt und endlos und spült den Sommer fort.
……
Der Regen rauscht. Der Regen
Rauscht schon seit Tagen immerzu.
Und Käferchen ertrinken
Im Schlammrinn an den Wegen.
Der Wald hat Ruh.
Gelabte Blätter blinken.
Im Regenrauschen schweigen
Alle Vögel und zeigen
Sich nicht.
Es rauscht urewige Musik.
Und dennoch sucht mein Blick
Ein Streifchen helles Licht.
Fast schäm ich mich, zu sagen:
Ich sehne mich nach etwas Staub.
Ich kann das schwere, kalte Laub
Nicht länger mehr ertragen.
(Joachim Ringelnatz, „Landregen“)
Weils zur Jahreszeit passt, hat mir eben eine Freundin geschickt.
Einen entspannten Abend wünsche ich euch allen!
… etwas zum Davongleiten, in die Weite des Daseins. Da sag noch einer, Jodeln sei nur für die Älteren!
Naja ich bin natürlich auch schon älter.
Schön ist nicht mehr das Ausgehen, sondern das Heimkommen. Kalter Regen und Windböen jagen mich ins Haus, ich werfe Mantel und Schirm in die Ecke, Türe zu, Heizung an. Mit gerötetem Gesicht falle ich aufs Sofa, kleine Schlückchen heißen Tees lassen es warm werden in mir drin. Über einem aufgeschlagenen Buch auf den Knieen entstehen Bilder aus einer anderen Zeit, einer anderen Welt, ich träume mich weg und in den Abend hinein, während aus dem Radio die ruhige Stimme eines Sprechers dringt, wie es sie nur bei Klassiksendern gibt. Draußen tobt das Wetter, das Leben, ich blicke diesem Tumult einen Augenblick hinterher. Dann schiebe ich die Gardinen zu, wickle mich in einen Teppich und denke: Das geht mich heute gar nichts an.
„I’ve been there, I’ve had it, I’ve got the T-Shirt“, sagt der Engländer. Ich auch. Wir waren auf einem Kürbisfest eingeladen und praktisch die einzigen Vertreter von Menschen auf dem Weg zur Vergreisung. Um uns herum eine Vielzahl von jungen Eltern, deren Gespräche sich im Wesentlichen auf Kinderkleidung, Hausbau und „Felix, nicht mit Sand werfen!“ beschränkten. Oft und oft hab ich genau die selben Gespräche geführt und fand sie hochspannend. Vor zwanzig Jahren.
Was wichtig ist und was nicht, wechselt immer wieder mal im Leben. Was bleibt ist die Lust am draußen sitzen, Schaffen und Werkeln, Lagerfeuer. Schaut mal:
Neu im Programm diese Uhus. Auf die waren wir alle neidisch.
Die Hexe ist von uns! Sie wäre niemals so gelungen, wenn ich nicht die Papiervorlage so perfekt mit Tesafilm befestigt hätte. Den Rest erledigte der Liebste, aber das war ja dann einfach. 😉
Und zum Schluss: Gabs Würschtle. Danach gegrillte Marshmellows.
Was ist alt und neu zur gleichen Zeit? Welches Neue löst tausendmal Betrachtetes, Geschmecktes, Gerochenes, Gespürtes aus der Erinnerung, dass einem das Herz hüpft wie ein Fröschlein? Es ist der Wechsel der Jahreszeiten. Ich war im Supermarkt und fahre mit dem Auto nach Hause, milchige Herbstsonne fließt über die Obstplantagen entlang der Bundesstraße. Abseits der vorbeidonnernden Fahrzeuge schimmern die Blätter still und in sich gekehrt im weichen Septemberlicht wie die Augen eins Kindes beim Schlafengehn. Das Laub ist noch dunkelgrün, doch die Bäume sind fast fertig mit den Vorbereitungen. Vielleicht hängen sie noch ein paar Gedanken nach, bevor sie sich daran machen, Lebenssaft in Holz zu verkapseln. Die Blätter werden dann noch einmal gelb oder rot aufglühen – und fallen. Der hitzig-laute Sommer hat sein Pulver verschossen, der Herbst übbernimmt und bläst an einem Tag wie diesem behutsam die Reste weg.