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Kulturaspekte

Auf einer Bahnhofstoilette in Basel erlebte ich kürzlich die weibliche Mentalität im Allgemeinen und die schweizerische im Besonderen: Nach der Ankunft mit dem Zug musste ich nämlich aufs stille Örtchen, wo allerdings schon etwa zehn Frauen vor vier besetzten Kabinen warteten. In dem engen Vorraum war Schlangestehen unmöglich und so stellte man sich irgendwo hin. Ich merkte mir nur die Frau, die vor mir eingetreten war, eine Inderin im roten Sari.

Wenn eine Kabine frei wurde, löste sich aus dem ungeordneten Haufen immer genau eine Frau und begab sich zur Toilette. Anscheinend wusste jede, wann sie an der Reihe war. Doch einmal geriet der Ablauf ins Stocken: eine Kabine war frei geworden, und keine Frau trat vor. Nach wenigen Augenblicken richteten sich ein paar Augenpaare auf die Inderin neben mir und deuteten freundlich auf die offen stehende Tür. Verschämt lächelnd huschte sie hinein.

Wenig später kam sie wieder heraus, trat zum einzigen Waschbecken und wusch sich die Hände. Als ich fertig war und die Kabine verließ, wusch sie sich die Hände immer noch. Ich stellte mich hinter sie und wartete, aber sie rieb und knetete ihre Finger unter dem Wasserstrahl und wollte nicht aufhören. Kein Mensch kann so schmutzig sein, dass man so lange ein Waschbecken belegen muss, dachte ich und sah etwas ungehalten zu.

Das bemerkte eine andere Frau. Sie wandte sich diskret an die Inderin und sagte mit Schweizerischem Akzent: „Nehmen Sie die Hände einfach vom Hahn weg, dann hört das Wasser auf.“ Die Inderin zog ihre Hände zurück, betrachtete kurz das Wunder des versiegenden Wasserstrahls und lachte schüchtern auf.

Während ich nun ans Waschbecken trat, erklärte die Frau der Inderin noch unauffällig das Gebläse zum Händetrocknen.

Liebe Schweizerinnen, ich bin derart beeindruckt, dass ich hier davon erzählen wollte. Nicht nur die Inderin hat an diesem Tag etwas gelernt, sondern auch eine Deutsche. 🙂

Helvetia

Garam Masala

Ich überlegte noch, ob es eine gute Idee war, weinduselig beim Rosenverkäufer Essen zu bestellen. Absagen ging aber nicht, er besitzt ja kein Telefon. Ihn mit dem Essen sitzen zu lassen, ging auch nicht, also machten wir uns wie verabredet am Sonntagabend auf den Weg. Die Adresse: Nicht die beste.  Einer der Orte, wo man sich als Deutscher – ob man es will oder nicht –  fühlt wie ein Gutsherr, der die Hütte des Knechts mit Glanz erfüllt. Ein riesiges Mietshaus also mit wenigen deutschen Namen an den Türklingeln.

Unten auf der Straße wartete er, lächelnd wie immer bat uns der Rosenverkäufer ins Haus. Ich weiß, ich bin zu deutsch, aber kann man es abstellen? Jedenfalls fiel mir sofort auf, dass das Treppenhaus gekehrt war. Ein paar Pflanzen standen ordentlich vor einer Wand aus Glassteinen, wir folgten dem Pakistani in den vierten Stock. Wenig Möbel standen in der kleinen Wohnung, und (vergebt mir): es war ordentlich. Die Küche gebraucht, aber sauber, ich sah es mit Erleichterung.

Sogleich begann der Rosenverkäufer damit, Schubladen und Schränke zu öffnen (alles aufgeräumt innen) und Gewürze herbeizutragen, die sich in ausgedienten Kaffee- und Marmeladengläsern befanden. Jedes einzelne hielt er uns vor die Nase, nur wenige kannte ich: Kardamom, Kreuzkümmel, Kurkuma, Ingwer, Chili, Knoblauch, vielerlei Samen und Pulver, Masala. In grausigem Deutsch beschrieb er sie einzeln und gesund sei alles, das vor allem, aber auch sehr gut. Es duftete wie in einer Parfümerie.

Dann sahen wir ihn. „Unseren Topf“. Groß, schwarz, und – als er den Deckel anhob – voller Hühnerbeine. Meine Tochter ist Vegetarierin geworden, weil sie es den Tieren nicht antun kann. Einen Moment lang wollte ich ebenfalls nicht, dass diese Geschöpfen unseretwegen zerhackt in einer hellen Sauce schwammen. Aber dann stieg ein Aroma von ihnen auf, dass ich entschied: Wir bleiben Fleisch-Esser.

Der Reis war gemischt mit Gemüse, herrlichen Gewürzen und einem Holzstückchen, das der Rosenverkäufer heraus stocherte und an dem er uns riechen ließ. Wie Sandelholz. Oder Zimt? Wir bewunderten den Duft und er legte es lachend zurück. Ob wir Kaffee wollen, oder etwas zu trinken? Und nein, Geld nehme er nicht. Es sei das erste Mal, lieber koche er wieder einmal für uns. Zehn Euro ließ ich liegen, heimlich, viel zu wenig bestimmt. In Joghurt-Eimern trugen wir das Köstliche zusammen ins Auto.

Indisches Essen ist in England verbreitet, mein Liebster kennt es. Ich selbst besuchte gelegentlich indische Restaurants in Deutschland, aber was hier auf den Tellern dampfte, war etwas anderes. Das Curry nahm mich mit ins Labyrinth indischer Gassen mit Händlern, exotischen Düften, Farben, Blütengirlanden. Scharf schmeckte es, fremd, und wundervoll. Ich schämte mich ein wenig wegen meiner Vorurteile und weil ich selbst so viel Gastfreundschaft vielleicht nicht zustande brächte. Auf alle Fälle war es eine besondere Mahlzeit, und mit jedem Bissen drang ich tiefer in die Welt von Gewürzen und Miteinander.

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Garam Masala