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Briefkästen – vom Aussterben bedroht?

Bei unserer Wanderung in Italien fiel mir mancher hübsche, kreative und völlig normfreie Briefkasten auf. Es wäre schade, wenn es sie nicht mehr gäbe. Ob wohl unser Leben irgendwann einmal komplett digitalisiert ist und die Postannahmestelle am Haus obsolet wird? Es ist ja schon heute nicht mehr viel darin zu finden. Das einzig Interessante sind die Reklameblättchen von Aldi oder Lidl, und auch die könnte man im Internet nachschauen. (Aber nicht aufs Klo mitnehmen als Lektüre.)

Unser Briefkasten ist dagegen unspektakulär: Nur ein Einwurfschlitz mit Klappe, der Kasten befindet sich innerhalb des Gebäudes. Standard.
Wie sieht euer Briefkasten aus?

Natürlich!


Ich frage mich, ob der Anblick eines hochschwangeren Bauchs für kleine Kinder heutzutage normal ist, oder ob sie nicht doch etwas verstört reagieren könnten. Wo doch selbst Erwachsene sich über Frauen aufregen können, die in der Öffentlichkeit stillen.

Das Ding auf dem Bauch der jungen Mutter ist übrigens kein Hühnerbein, sondern der Stiel einer Blume.

Gesehen haben wir die eindrucksvolle Skulpturenausstellung des Künstlers Franco Alessandria bei unserer Wanderung im Piemont in La Morra.

Dem Nutellakönig zu Ehren

Jeder Deutsche und jede Deutsche muss man mindestens einmal im Leben eine Schachtel Mon Chéri geschenkt bekommen haben. Sonst kann einem die Staatsbürgerschaft aberkannt werden. Traditionsgemäß verschwindet die Schachtel in einer Schublade zum Weiterverschenken (sodass es insgesamt vielleicht gar nicht viele gibt), und wer hats erfunden? Ein Italiener. Michele Ferrero, König des Piemont, ihm verdanken wir Nutella, Duplo, Kinderschokolade, TicTac und vieles mehr. Stammsitz des Imperiums ist in Alba/Italien, und weil er so viele Menschen glücklich gemacht hat – egal ob durch Arbeitsplätze oder Überraschungseier – tragen viele Plätze und Straßen in dieser Region seinen Namen.

Wir entdeckten aber etwas anderes, das ihm gewidmet ist. Und das ist gleich in zweifacher Hinsicht einmalig:

1. Das Design – schaut es euch an!
2. Nichts, aber auch gar nichts ist darüber im Internet zu finden.

Wir wissen nur, dass es sich um ein optisch interessantes Haus in einem kleinen Ort namens Serravalle Langhe handelt, aber nicht, was es damit auf sich hat. Wer hat es gebaut? Wem gehört es? Neben dem Gebäude befinden sich Sportplätze – ist es ein Vereinsheim? Oder ein Museum? Ein Privathaus? Wir wissen es nicht, aber nunmehr ist dem Internet wenigstens bekannt, dass es dieses Haus gibt. Sollte also jemand dort aufschlagen und zufällig italienisch sprechen, könnte man ja mal nachfragen und Mrs Google aufklären.

Fotomodelle

Kennt ihr das auch, dass ihr gar nicht mehr aufhören könnt, etwas Bestimmtes zu fotografieren?

Ich jagte bei unserer Wanderung ständig Zeit hinter Schmetterlingen und Eidechsen her. Die Schmetterlinge waren meist unfotografierbar, aber ein paar habe ich erwischt. Was ich nicht einfangen konnte, war eine Art Heuschrecke. Man erkannte sie kaum auf dem Boden, aber wenn man näher trat, flog sie ein paar Meter davon, und im Flug entfaltete sie leuchtend blaue Flügel! Wir sahen diese erstaunlichen Tierchen immer wieder, und am letzten Tag durften wir noch eine andere Variante bewundern: Sie leuchtete beim Fliegen rot.
Mrs Google kennt sie übrigens: Es handelt sich um die Blau- bzw. Rotflügelige Ödlandschrecke. Nun wissen wir das auch.

Die Eidechsen hielten eher still beim Fotografieren, sahen aber alle gleich aus. Außer einer: Sie war größer und fülliger als die kleinen Mauereidechsen, grasgrün und herrlich anzusehn. Eine Art Gecko oder so was. Bis ich die Kamera positioniert hatte, war sie leider weg.

Habt ihr auch Motive, denen ihr mit der Kamera nicht widerstehen könnt?

Reisegeschichten (2)

Um ein Haar hätten wir uns im Urlaub mit jemandem angefreundet. Es waren ja noch mehr Wanderer unterwegs: einmal hatten wir einen Abend lang Spaß mit einem jungen holländischen Paar. Aber die meine ich nicht. Ich meine Her Highness und den Husten.

Die beiden waren schon älter und stammten aus Australien. Sie fielen uns auf, weil Er sich beim Reden ständig räusperte, während Sie auf eine Art sprach, als sitze sie beim Pferderennen in Ascot: very british, very posh, „I am utterly exhausted“ und so. Her Highness in Wanderhosen.

Sie zeigten kein Interesse an uns. Wir auch nicht an ihnen, weil uns Husten und Gehabe auf die Nerven gingen. Der Mann grüßte immerhin zurück beim Frühstück oder Abendessen. Die Dame würdigte uns keines Blicks.

Einmal steuerten wir bei einer Wanderung auf die einzige Bar in einem Dorf. Da hörten wir es von der Terrasse her schon husten. Wir gingen trotzdem rein, weil wir Hunger hatten, und zum ersten Mal bedachte uns Her Highness mit einem Lächeln. „Hi,“ begrüßte sie uns charmant. „Hi Highness“, hätte ich beinahe erwidert. Sie empfahlen uns die Panini, mehr wurde nicht daraus. Auch nicht später beim Abendessen.

Die Wende kam am letzten Tag. Wir wurden von Cortemilia zum Ausgangspunkt in Alba zurückgebracht und landeten im selben Taxi: 45 Min. Zeit, uns anzuschweigen oder nicht. Und da ging das Plaudern los. Wie fandet ihr es? Hattet ihr auch Angst vor Wildschweinen? Manchmal ging es schon lange bergauf, oder?

Es wurde geradezu munter zwischen uns und wir entdeckten einige Gemeinsamkeiten. Deshalb wollten war beim Aussteigen gar nicht glauben, dass es vorbei ist. Wir werden uns niemehr wiedersehen. Australien ist zu weit weg.

Warum dauerte das so lange?

Angekommen

An unserem letzten Wandertag wurde es wieder warm, und wir marschierten gemütlich vor uns hin. Von Cravanzana nach Cortemilia, 13 km, 450 m nach oben, 790 m nach unten. Ein letztes Mal ließen wir uns von der Schönheit der Natur einfangen.

Etwa 80 km gingen wir in sechs Tagen zu Fuß und keuchten knapp 3000 Meter bergauf. Die Muskeln und Gelenke sind fit geworden, der Geist auch. Wir wissen nun, dass Wegbeschreibungen nicht strikt befolgt werden dürfen, dass Wegmarkierungen öfters fehlen oder an interessanten Stellen erscheinen, z.B. vor (!) einer Kreuzung. Als wollten sie sagen: „Links? Rechts? Was sind das für Fragen! Geh, wohin dein Herz dich führt, dann kommst du schon an. Wo auch immer.“
Nur auf die App mit dem Tourenverlauf war Verlass, deshalb haben wir uns auch nie verirrt. Respekt vor den Wandersleut, die früher nur mit einer Karte losgezogen sind.

Nun sind wir wieder zu Hause. Ich sehe noch immer das unendliche Grün der Landschaft und das strahlende Blau des Himmels vor mir. Es ist nicht so, dass eine solche Wanderung das große und einzigartige Erlebnis ist. Es sind die vielen kleinen Begebenheiten unterwegs: was man alles sieht, wen man trifft, was man lernt, wie die Strapazen immer besser gemeistert werden, wie die Natur die Seele weitet.
Es geht darum, was der Kopf mitnimmt auf einer solchen Reise und wie manches Thema des Lebens in den Hintergrund rückt.
Deshalb mache ich sowas.

„Reise! Geld kommt zurück, Zeit nicht.“

Gebucht haben wir diese Wandertour bei AbenteuerWege.
Wir waren in hervorragenden Hotels oder Gästehäusern untergebracht und unser Gepäck wurde immer zur nächsten Unterkunft gebracht. Hat alles prima geklappt.

Von Geistern und Schweinen

14 km schaffen wir heute, von Cissone nach Cravanzana. 570 m bergauf, 622 bergab. Da knarrt der Wanderstiefel.

Meist geht es durch lichte und dichte Wälder, perfekt für einen heißen Tag. Nur: Es ist nicht heiß. Gestern Abend gingen Regengüsse nieder, es kühlte auf etwa 15 Grad ab und der heutige Tag bleibt verhangen. So ist das Leben eben.

Wir folgen also den lehmigen, z.T. steilen und glitschigen Wegen der Routenplanung und werden immer tiefer in einen riesigen, naturbelassenen Wald geführt. Keine andere menschliche Seele weit und breit.

Da tauchen mit der Zeit Fratzen und Monster auf. Es sind ja nur abgestorbene Baumreste, aber in der wabernden Feuchtigkeit fühle ich mich wie in einem Zauberwald.

Noch gruseliger sind die Hufabdrücke in der einen oder anderen Lehmkuhle, und immer öfters die frisch (!) aufgeworfene Erde auf dem Weg.
Das waren keine Waldgeister.
Das waren Cinghiale. Wildschweine.

Ich möchte hier nicht den Handy-Empfang verlieren, denke ich, aber das kann einem ja nur in Deutschland passieren.

Der geliebte Brite weiß jedenfalls, dass Wildschweine sehr scheu und nur bei Nacht unterwegs sind. Ich hoffe das stimmt.

Bei der ersten Gelegenheit fliehe ich auf eine kleine Landstraße. Dieser Weg ist etwas länger als der durch den Waldpfad, aber egal. Er führt auch zum Ziel.
Wie gut, dass es Wander-Apps gibt.

Fließen lassen

Von Montfort d’Alba nach Cissone, 17 km, 914 m rauf, 745 m runter.

Die Landschaft ändert sich allmählich. Die weich geschwungenen Hügelketten scheinen zusammenzurücken und es gibt nicht mehr so viele Weinberge, dafür mehr Haselnussplantagen.
Manchmal ist es heiß, manchmal staubig, manchmal geht es durch schattige Wälder, manchmal ziehen Wolken auf. Wir wandern bergauf und bergab.

Die Orientierung gelingt gut mit den ausgedruckten Wegbeschreibungen, den rot-weißen Markierungen, und im Zweifelsfall mit der App. Ich denke nicht mehr darüber nach. Wir werden ankommen, so viel ist sicher.

Die Ruhe dringt allmählich durch zu mir. Aus der Ferne sind gelegentlich Landmaschinen zu hören, in der Nähe das Zirpen der Grillen, der Wind in den Blättern, die knirschenden Steine unter den Wanderschuhen.

Am Wegrand schaukeln Schmetterlingswölkchen aus Bläulingen, die hier klein sind wie ein Daumennagel. Wir sehen auch viele Eidechsen, keine einzige Katze, und aus den eingezäunten Häusern rennt meist ein kläffender Hund eine Weile mit uns mit.

Auf solchen Wanderungen hört das Holterdipolter in meinem Hirn auf. Ich denke dann nur noch darüber nach, was ich gerade höre, was ich sehe und wo die nächste Abzweigung ist. Das reicht eigentlich immer, aber im Alltag vergesse ich es oft.

Wanderstatus

Von Vergne über Barolo und Novello nach Monforte d’Alba:
16,02 km, 134 Etagen oder ca. 400 Höhenmeter brachten heute das Hawaii-Abzeichen meines Fitness-Armbands – und einen anstrengenden Tag.
Es sind nicht so sehr die Beine, die schmerzen, sondern die Schultern, obwohl mein Rucksack bei dieser Wanderung nicht viel wiegt. Ungewohnt ist es dennoch. Bei den Abstiegen ziept das rechte Knie ein wenig, die Oberschenkelmuskeln meckern herum, wenn ich nach einer Pause wieder aufstehen will, die Auswirkung der Temperaturen um die 28 Grad haben wir unterschätzt, und überhaupt.
Das ist normal bei einer Fernwanderung. Der Körper erschreckt sich ein wenig an den ungewohntem Aufgaben, gewöhnt sich dann aber daran.

Achterbahn und Knöchelschuh

146 Etagen sind wir heute hochgestiegen! Das sagt jedenfalls mein Fitness-Armband nach ca. 400 erklommenen Höhenmetern und verlieh mir die Goldene Achterbahn. Den Knöchelschuh-Orden erhielt ich außerdem, weil ich über 16 km gelaufen bin.
Es ist Wandersaison.

Heute morgen starteten wir etwas südlich von Turin in Alba, der Hauptstadt von Nutella und Mon Chéri. Also, Ferrero. Wir wanderten durch und über die Weinberge des Piemont und sahen den ganzen Tag Weintrauben, Haselnusssträucher und faszinierende Hügellandschaften.
Vom typisch italienischen Charme des Zerfalls gibt es hier wenig, sondern herausgeputzte, schmucke kleine Dörfer und gepflegte Wanderwege. Die Gegend ist wohlhabend. Nur die Stromleitungen zwischen den Häusern – die gehören auch hier zum normalen italienischen Straßenbild.

Italienische Fantasie

Urlaub am Gardasee – das klingt wie Urlaub im Bayerischen Wald: Öde. Hinz und Kunz fahren an den Gardasee, und zwar schon seit den Siebziger Jahren. Nicht immer sind es die spannendsten Zeitgenossen, die sich dieses Reiseziel aussuchen. Mit anderen Worten: Es zog mich nie hin.

Der geliebte Brite kennt dieses Klischee indes nicht und hält den See nach einem Blick im Netz für einen „interesting place“ – Wasser, Berge, hübsche Restaurants und „Schau die schönen Blumeninseln“. Gähn.

Zum Glück setzte er sich durch! Wir verbrachten eine Woche in Riva del Garda und der See hat an diesem nördlichsten Punkt etwas Magisches. Links und rechts ragen die Ausläufer der Dolomiten empor, nach Süden hin wird es licht. Ich hätte immerzu dort stehen und aufs Wasser schauen können, verzaubert vom zarten Dunst am Horizont, von den Pastellfarben, von den in der Ferne durchsichtig scheinenden Bergkämmen.

Wer Lust hat, kann hier alle Arten von Wasser- oder Bergsport betreiben. Wir hatten keine Lust, oder nicht viel und haben hauptsächlich ausgeruht und all das Schöne genossen. Riva del Garda ist gepflegt, organisiert, alles funktioniert. Man spricht deutsch und denkt auch ein bisschen so. Bevor jetzt mahnend der Zeigefinger erhoben wird, weil der massenhafte Einfall der Deutschen den Italienern den Spaß verdorben und ihre Mentalität zerstört habe – so war es nicht. Der Gardasee gehörte einst zu Österreich, noch früher gar zu Bayern (doch ein bisschen Bayerischer Wald!) und es waren vielleicht eher die Italiener, die den verbliebenen Ansässigen ihre Stempel aufdrückten. Das Ergebnis ist perfekt: Eine Mischung aus deutscher Tüchtigkeit und der einen oder anderen gerade gelassenen Fünf.

Das einzig Langweilige ist der Name: Gardasee. Wie abgedroschen klingt das denn? Wie schön hört sich dagegen Lago Maggiore an! Oder Lago di Garda. Das hat Rhythmus, das hat Fantasie!

Ach egal.

Es war fantastisch!

 

Cats

Am Largo di Torre Argentina ereignete sich einer der berühmtesten Mordfälle der Welt: 23 Messerstiche töteten das Opfer an den Iden des März im Jahr 44 vor Christus. Seine letzten Worte waren der Legende nach: „Et tu, Brute“ – „Auch du, mein Sohn Brutus.“ Es war Caesar.

Heute ist der Platz einer der vekehrsreichsten Knotenpunkte in der Altstadt von Rom. Seitlich davon sieht man die Überreste einiger Tempel und des Senatsgebäudes, in dem Caesar seinen letzten Stunden bei einer Sitzung verbrachte und wo er schließlich starb.

Die Ruinen befinden sich unterhalb des Straßenniveaus und sind für Besucher nicht direkt zugänglich, jedenfalls nicht für Zweibeiner. Dies ist das Refugium der Straßenkatzen. Warum sich die Tiere gerade hier heimisch fühlen, weiß keiner, aber es wäre ein prächtige Kulisse für das Musical „Cats“.

Um der Masse Herr zu werden, gibt es direkt neben dem Ort eine Katzen-Pflegestation. Hier kümmern sich Freiwillige um Fütterung, Sterilisation und Impfungen. Wenn ein Römer also ein Haustier möchte, geht er zur Largo Argentina und holt sich eine Katze – mit dem Wissen, dass der Vierbeiner tierärztlich versorgt wurde.

Der Platz ist übrigens nach der Torre Argentina („Straßburger Turm“) benannt, dem 1503 errichteten Turm des päpstlichen Zeremonienmeisters Johannes Burckard von Straßburg (lateinisch: Argentoratum). Hat also nichts mit Argentinien zu tun!

Ochsenauge im Kirchendach

Was für ein Koloss: das Pantheon. Es entstand in der Antike und begann sein Dasein als Tempel für alle möglichen Götter. Später wurde es zur christlichen Kirche umfunktioniert und der heiligen Maria und allen Märtyrern geweiht.

Der mächtigste Hingucker ist die Kuppel: Sie ist nämlich oben offen, und zwar mit einem Durchmesser von neun Metern. Dieses sogenannte Ochsenauge (Ocolus) ist außer dem Eingangsportal die einzige Lichtquelle im Innenraum, die Kirche hat keine Fenster. Zum Glück regnet es nicht oft in Rom, aber doch kommt es ab und an vor und dann will man nicht darunter sitzen. Deshalb gibt es im exponierten Bereich auch keine Sitzbänke, sondern Abflusslöcher im Marmorboden. Damit beim Gottesdienst keine Pfützen entstehen, ist der Boden überdies zu diesen kleinen Öffnungen hin leicht abgesenkt.

Trotz Freiluftkuppel drang früher übrigens kein Regenwasser ins Kircheninnere. Das behauptet jedenfalls die Stimme im Audio Guide. Sie spricht von Tausenden Kerzen, die einst in der Kirche brannten und eine Art Hitzeschild erzeugten. Dadurch verdunsteten die Wassertropfen, bevor sie ins Gebäude gelangen konnten.

Wenn das stimmt, muss es für die Gläubigen ein toller Effekt gewesen sein.

Und noch einen Blick von oben:

Mehr zum Pantheon

Autoschau auf römischen Straßen

Nicht nur in Rom, aber eben auch in Rom ist der Straßenverkehr eine Sache für sich. An unübersichtlichen, vielspurigen Kreuzungen zum Beispiel gibt es kein Zaudern – man fährt einfach rein. „Wenn du wartest, wartest du immer“, grinst Stefano. Kein Deutscher kann das: geschmeidig ins Chaos, einfädeln, irgendwie geht es, ein Wunder. Wir kommen jedes Mal heil an, auch wenn es nie danach aussieht auf dem Rücksitz.

Fette Audis und Mercedes sehen wir kaum, nur Kleinwagen, und so gut wie jedes Fahrzeug hat Blessuren. Die Millionärskarossen parken im abgesicherten Modus auf privaten Grundstücken. Wir haben nur einmal gesehen, wie in der Luxusstraße Via Condotti eins herausfuhr. Ein paar Männer zogen hohe Eisentore auf und verscheuchten die Menschentraube davor, dann rollte ein hochglanzpolierter Wagen heraus. Ansonsten gibt es eben Wichtigeres als Autos. Gutes Essen zum Beispiel.

Auch das Parken soll erwähnt werden: Geparkt wird, wo ein Auto hinpasst. Parkverbotsschilder sind nur die berühmten Vorschläge. Einmal sehen wir einen Fiat, der auf der gestreiften Fläche im Zentrum einer Kreuzung abgestellt ist. Der Fahrer sei wohl ein Eis essen gegangen, mein Stefano, und nein, auch dieses Auto wird nicht abgeschleppt werden. So wenig wie die andern, die im unbeschränkten Halteverbot stehen. Deshalb ist Parken in Rom praktisch kostenlos (während Alkohol am Steuer streng geahndet wird). Ich habe den Eindruck, dass Italiener sowieso nirgends lange bleiben. Sie sind ständig unterwegs, und ein Auto ist bald wieder weg.

Ich mag dieses Improvisiationstalent und wie alles fließt, es ist so herrlich italienisch. Und zur Überraschung mancher Deutschen bricht der Stadtverkehr nicht zusammen!

Italienisches Brauchtum

An der berühmten Piazza del Popolo stehen Soldaten mit Maschinenpistolen. Ihr Militärjeep verstellt eine Zugangsstraße, die Männer blicken angespannt auf das Treiben der Menschen auf dem Platz. Wir warten auf Stefano.

Bei unseren Streifzügen durch die Stadt sahen wir auch an anderen stark belebten Orten und vor öffentlichen Gebäuden schwer bewaffnete Soldaten. Mir ist nicht wohl bei dem Anblick, erwartet man einen Terroranschlag?

Da taucht Stefano auf. Er stammt aus Rom und war mit einer deutschen Frau aus unserer Heimatstadt verheiratet, von dort kennen wir ihn. Als sie vor einigen Jahren starb, kehrte er nach Rom zurück, aber der Kontakt riss nie ab.

Wir fallen uns in die Arme und als wir mit dem Begrüßen fertig sind, äußere ich meine Furcht wegen des Militärs.
„Ach was“, lacht Stefano und radebrecht auf Deutsch: „in Italien gibt keine Islamisten. Wir haben Mafia, die passen auf, dass Terror keine Geschäfte stört.“
„Aber wozu stehen dann überall bewaffnete Soldaten herum?“
„Ist immer so in Italien“, lacht Stefano wieder, „keine Angst. Nur Folklore.“

Terroranschläge – Italien weniger gefährdet?

Stefanos Hochzeit

 

Die Pyramiden von Südtirol

Nicht weit von unserem Hotel entfernt finden wir die berühmten Erdpyramiden von Terento. Berühmt trifft die Sache nicht ganz, denn ich habe noch nie von ihnen gehört. Jedenfalls handelt es sich um mehrere etwa dreißig Meter hohe Säulen, auf deren Spitze ein  Gesteinsbrocken liegt. Der Anblick ist originell, ihre Entstehung nicht minder.

Sie ist vermutlich auf ein Unwetter vor rund zweihundert Jahren zurückzuführen, bei dem herabstürzende Regenfälle den Hang aufrissen, unterirdische Moränenschichten fortspülten und tiefe Furchen zwischen den herumliegenden Felsenbrocken hinterließen. In den hier typischen trockenen Sommern wurde das Erdreich seither fest zusammengebacken und in den Regenzeiten die dazwischen liegenden Rinnen weiter und weiter ausgewaschen. So bildeten sich mit der Zeit eine Art Pfeiler, die jeweils „ihren“ Felsbrocken tragen. Wenn der Steindeckel irgendwann herunterfällt, verschwindet auch die Pyramide allmählich, während an anderen Stellen immer wieder neue entstehen.

So ganz hab ichs nicht verstanden, aber mir gefällt das Bild – im tatsächlichen wie im übertragenen Sinn: Nach einem Erdrutsch bildet sich ein Steilhang, an dem in einem ständigen Kreislauf interessante Formationen entstehen und vergehen. Mit einer festgezurrten Grasnarbe wäre das nicht möglich.

Wie im Leben.

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Bergzeit

Gletscherwasser sieht aus, als hätte jemand Milch reingeschüttet. Ganz weiß. Wir überqueren einen Gebirgsbach am Fuß des Monte Rosa Massivs und ich würde ein Foto machen von diesem eigenartig gefärbten Wasser, aber es geht nicht. Ich kann mich nämlich nicht bewegen, mein Körper ist ganz starr, denn ich habe solche Angst. Damit habe ich gerechnet, denn wer Höhen nicht ertragen kann, sollte in keinen Sessellift steigen. Wir gehören aber zu einer Reisegruppe und die heutige Wanderung beginnt weit oben. Also schaue ich auf Baumwipfel hinunter und denke, man sollte auf Baumwipfel nicht hinunter schauen, sondern immer nur zu ihnen hinauf, und ich richte den Blick schnell wieder gerade aus. Aber es hilft nichts. Ich sterbe endlose zwanzig Minuten lang.

Danach – in etwa 2000 m Höhel – klettere ich mit den andern in einem langen Zug über einen Gletscher hinweg. Auf seiner Oberfläche liegen Felsbrocken und Geröll, so dass man keine Schlittschuhe braucht, sondern festes Schuhwerk und Wanderstöcke. Auf der anderen Seite steigen wir immer weiter nach oben. Es weht ein gewaltiger Wind, der uns manchmal fast umnimmt, aber er sorgt auch für ein Gebilde, das ich noch nie gesehen habe: Über den Gipfeln zeigen sich grandiose, sich ständig verändernde Wolkenformationen. Es sind aber keine Wolken. Es ist Schnee, der von den Böen aufgesprüht wird und sich zu immer neuen Bildern zusammensetzt. Wir stehen alle da und schauen. Gigantisch.

MonteRosa

Meine letzten Vorräte an Tapferkeit verbrauche ich während der Rückfahrt. Der Bus schraubt sich etwa eine Stunde lang Serpentinen hinunter und diesmal sitze ich auf der falschen Seite. Wenn ich aus dem Fenster sehe, geht es so tief hinunter, dass der Grund der Schluchten nicht mehr zu sehen ist. Die Straße ist schmal, ich wage keine abrupten Bewegungen mehr und lehne mich vorsichtig vom Fenster weg, als könnte eine unbedachte Bewegung den Bus aus dem Gleichgewicht bringen und wir stürzen alle in die Tiefe. Ich will nie mehr in die Berge.

Aber das sage ich jedes Mal.

Sommerfrische auf italienisch

Braucht jemand eine günstige Villa? Ich weiß, wo es welche gibt: Im Piemont, in den Bergen und Hängen um den Lago Maggiore herum liegen schicke, elegante Residenzen mit meist geschlossenen Fensterläden. Vor etwa hundert Jahren wurden sie von den Reichen aus Mailand erbaut und inzwischen wären sie froh, ihre Prachtbauten wieder loszuwerden, wenn man Tonio glauben darf. Tonio ist unser Wanderführer, und während wir mit heraushängender Zunge vor einem der mondänen Gebäude stehen bleiben, beschreibt er die Details so anschaulich, dass ich vermute er betreibt auch noch ein Geschäft als Immobilienmakler. Dann marschieren wir weiter stramm bergauf und haben ein Gesprächsthema immerhin. Es ist die erste Wanderung mit unserer Reisegruppe, lauter ältere Menschen und wildfremd noch dazu.

Schuld an der Misere sei Monti, schimpft Tonio in einem fort. Natürlich ist der Gardasee oder Comer See attraktiver geworden für wohlhabende Sommerfrischler, völlig unverständlich, aber Monti will einfach auch zu viele Steuern. Nun muss mancher arme Reiche sein Anwesen aufgeben, unter Berlusconi hätte es das nicht gegeben. Die einen oder andern von uns erheben Einwände gegen solcherlei Anschuldigungen, weil sie über die Hintergründe Bescheid wissen. Das sind die Lehrer. Die Lust an Wissensanhäufung und Wissensvermittlung verliert sich offenbar auch im Ruhestand nicht. Es entstehen kleine Diskussionen in der Gruppe, manche schütteln den Kopf oder lachen.

Während wir weiter wandern, wechseln wir immer mal ein paar Worte mit dem, der gerade neben einem geht, es ist eine fröhliche und aufgeschlossene Gruppe. Ich stelle fest, dass die äußerlich eher schlichten Erscheinungen die anregendsten Gesprächspartner sind. Und da wir als Käufer einer Villa allesamt nicht in Frage kommen, berühren uns auch die Probleme italienischer Großgrundbesitzer nur peripher. Die Tour macht Spaß.

Wieder was gelernt

Gibt es in Italien eine Gegend, die perfekt organisiert ist? Man kann es sich schwer vorstellen, aber wir waren da! Gestern kamen wir von einer Reise zurück, die nachweislich nach Italien geführt hatte, und alles hat tiptop geklappt. Ohne augenzwinkernde Kompromisse erlebten wir ein paar herrliche Urlaubstage in Meran. Die Gründlichkeit des nördlichen Nachbarn mischt sich hier mit dem Weltbild eines südlich geprägten Landes: La vita è bella.

Wir erinnern uns an eine Stunde im Geschichtsunterricht: Südtirol gehört seit dem Ersten Weltkrieg zu Italien. Aber mehr als die Hälfte der Menschen, die dort leben, sind heute noch Österreich-stämmig. Ihre Kinder werden in deutschsprachigen Schulen unterrichtet mit Italienisch als erster Fremdsprache. Italienische Mädchen und Buben besuchen Schulen in ihrer Landessprache und lernen dort deutsch. Zwischen Italien und Österreich gibt es Vereinbarungen zum Schutz des autonomen Südtirols. Der italienische Staat hat hier also kein freies Spiel, erläuterte der freundliche Hotelbesitzer mit Nachdruck.

Das Ergebnis: Man spricht überall deutsch, und die Angestellten in Hotels und Restaurants sind entspannt. Es gibt keine Hektik, alles funktioniert, und der Besucher hat die Wahl zwischen einem der herrlichen Spazierwege im Ort und darum herum, kilometerlang, alle mit Liebe zum Detail angelegt und instand gehalten, oder – wer es knackiger mag – der Bergwelt, die in einer Viertelstunde mit dem Auto oder Bus zu erreichen ist. Wer es wissen will, darf auch einen der Dreitausender hochkraxeln.

Hier der gemütliche Tappeiner Höhenweg mit herrlichen Ausblicken auf Meran und das Etschtal:

Wie im Frühling … Die Lagerströmie oder Kreppmyrte blüht im Spätsommer.

Weiter oben in den Bergen:

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