Neulich auf einem Parkplatz: Der geliebte Brite trägt gerade den Sack mit dem Plastikmüll zur Sammelstelle, ich warte im Auto. Da sehe ich einen kleinen Jungen vor dem Kühler stehen, der ein Gewehr in den Händen hält und auf mich zielt. Der Kleine ist etwa vier Jahre alt und scheint zur angrenzenden Flüchtlingsunterkunft zu gehören, dem Aussehen nach ist es ein syrisches Kind. Gut, sein Gewehr ist aus gelbem Plastik und statt des abgebrochenen Laufs ist eine Zahnbürste aufgesteckt. Trotzdem fühle ich mich erstaunlich unwohl.
Mein erster Gedanke: haben sie noch nicht genug von Greuel und Gewalt? Was sind das für Leute, die diesem Jungen ein Gewehr zum Spielen geben, auch wenn es nur aus Plastik ist? Aber natürlich liebten auch meine eigenen Kinder ihre Wasserspritzpistolen. Und ich selbst war einst als tapfere Indianerin am Fasching ebenfalls mit einem Gewehr ausgestattet, da lag der Zweite Weltkrieg gerade einmal zwanzig Jahre zurück. „Hände hoch, oder ich schieße!“
Die Kinder des geliebten Briten besaßen übrigens niemals Spielzeugwaffen, das sei nicht üblich gewesen. Respekt, sage ich. Aber als sie etwa vierzehn Jahre alt waren, erzählt er weiter, kam die Army in die Schule. Das sei in England normal. Die SchülerInnen besuchen eine Theater-AG, spielen im Schulorchester oder interessieren sich für die Army. Deren Angebote gibt es wöchentlich – vom gemeinsamen Exerzieren über Schießtraining mit echten Waffen (!) bis hin zu Freizeitcamps. Eins seiner Kinder ist heute noch Soldat der Reserve und war bereits dreimal in Afghanistan.
Nun wird es mir zu blöd. Der Bub hat mich immer noch im Visier und ich fuchtle jetzt streng mit der Hand herum, signalisiere mein Nicht-Einverstandensein. Er lässt die Waffe sinken, guckt mich mit großen Augen an und überlegt wohl, was er jetzt tun soll. Dann entscheidet er sich für das, von dem er immerhin weiß, wie es geht: er nimmt das Gewehr wieder hoch, drückt es ans Gesicht, kneift ein Auge zu und zielt auf mich. „Pchch,“ formt sein Mündchen.