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Weihnachtsaktion

Wieviel Weihnachten braucht ein Büro? Das fragten wir uns Ende November, als die firmeninterne Adventsdekoration fertig war. Eine Mitarbeiterin von einem anderen Standort war eigens hergekommen, um wenige Tage vor einer Veranstaltung unsere Büros zu schmücken.  Sie brachte schwere Taschen und große Kartons, in die sie wieder und wieder  griff und sich dann suchend in den Räumen bewegte auf der Jagd nach weiteren Platzierungsmöglichkeiten. „Schade, dass ich nicht dabei sein kann“, meinte sie schließlich und nestelte an den letzten Engelchen herum, „aber ich habe einen wichtigen Termin an dem Tag.“

Als sie gegangen war, standen wir ratlos vor der Bescherung. Von jedem Regal, jedem Tisch, jedem Schrank ergossen sich Glitzerkugeln, Tannenzweiggirlanden aus Plastik, Krippenfiguren und eine gefühlte Hundertschaft an pausbäckigen Weihnachtsmännern. In den Ecken formierten sich Bodenvasen mit reich vergabelten und bunt behangenen Ästen, auf den Fenstersimsen lag Goldfolie drapiert. Es sah aus wie auf einem Weihnachtsbazar.

„Vielleicht ein bisschen zuviel,“ bemerkte jemand. Ich betrachtete mein bisher minimalistisch gestaltetes Aktenregal, das nun komplett mit Weihnachten befüllt war.
In den folgenden Tagen versuchten wir, uns daran zu gewöhnen. Vergebens. Schließlich sagte jemand: „Sollen wir  etwas davon wegnehmen? Die Kollegin kommt ja nicht zur Veranstaltung.“

Wir fingen an, ein wenig zu reduzieren, und plötzlich – machten alle mit. So, wie es mit der Weihnachtsschmuckbeauftragten durchgegangen war, ging es mit uns beim Abräumen durch. Im Handumdrehen waren nur noch zwei Bodenvasen und ein paar Sterne übrig, wir konnten wieder atmen.

Am Veranstaltungstag stellte sich die Belegschaft zur Begrüßung der Gäste im Eingangsbereich auf. Namensschilder wurden verteilt, Sektgläser und Häppchen bereitgestellt, und dann kam, was kommen musste: Jemand blickte aus dem Fenster und schrie: „Ihr glaubt nicht, wer auf dem Parkplatz steht!“ Die Dekorateurin hatte offenbar den Termin verlegen können.

Sie schimpfte wie ein Kesselflicker. „Ich habe den Auftrag gehabt, die Räume zu schmücken! Ich habe ein größeres Budget dafür erhalten und viel Zeit damit verbracht! Wo ist die Dekoration? Wer hat das veranlasst?“

Wir mussten es aushalten. Ließen sie ihren Ärger Luft machen, beteuerten, dass alles zurückgestellt wird, drückten ihr ein Glas Sekt in die Hand und waren übertrieben freundlich zu ihr.

Ich arbeite häufig mit dieser Kollegin zusammen und war bis dahin nie recht warm geworden mit ihr. Aus purem schlechtem Gewissen behandelte ich sie aber von diesem Tag an außerordentlich aufmerksam und liebenswürdig, auch wenn sie brummig war. Sie schien darauf gewartet zu haben. Die Frau wurde auf einmal gesprächiger, positiver, lustiger, und nachtragend ist sie auch nicht. Sie hat den Vorfall nie wieder erwähnt. Ich möchte behaupten: Sie ist ein netter Mensch. Wir mögen uns jetzt.

So war die Aktion doch noch für etwas gut.