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Zimmerreise 6/2021: L wie Lautsprecher

Da Reisen wegen Corona kompliziert waren und zum Teil immer noch sind, ruft puzzleblume seit einiger Zeit zu Zimmerreisen auf. Wenn man genau hinschaut, gibt es nämlich auch zu Hause viel zu entdecken und Interessantes zu erzählen. In der momentanen Etappe sind Reiseziele mit dem Anfangsbuchstaben L oder M an der Reihe.

Mobiler Lautsprecher

Vor einigen Jahren hielt meine Stiefmutter ratlos dieses Gerät in der Hand. Es war das Weihnachtsgeschenk ihres früheren Arbeitgebers.
Die Beschriftung auf der Verpackung erschloss sich ihr nicht, was denn ein Blohtoht Spe-aker sei, fragte sie. Auch wisse sie mit dem Stecker nichts anzufangen, er passe in keine Steckdose.
Wir erklärten ihr, dass es sich um einen Blootooth-Lautsprecher mit USB-Anschluss handelt und dass sie dazu einen Computer braucht, oder wenigstens ein Handy. Da sie weder das eine noch das andere besitzt, wurde am Kaffeetisch herumgefragt, wer das Gerät brauchen könnte. Niemand.
Ich schon gar nicht, noch so ein Elektrosmog produzierendes Teil, dachte ich. Schließlich opferte sich der älteste Sohn. „Nehm ichs halt“.

So geriet der Lautsprecher in seinen Haushalt und in Vergessenheit, bis ich letztes Jahr überstürzt aus der gemeinsamen Wohnung mit dem damaligen Lebenspartner auszog. In der neuen war ich auf Laptop und Handy reduziert ohne Soundbar, Subwoofer und mobile Boxen.

Ich hatte mir eine elektromagnetisch schwach aufgeladene Umgebung immer gewünscht, doch in meinen Träumen war die Tonqualität von Laptops und Handys besser. Die Realität klang blechern und scheppernd, nichts für meine Nerven. Also kam es zu Überlegungen, wie ich zu einem günstigen Lautsprecher komme, denn der Umzug kostete Geld.

Da fiel dem Sohn der kleine Lautsprecher ein, das Weihnachtsgeschenk seiner Oma. Es lag noch bei ihm, unberührt, originalverpackt, und nun wurde das einst geschmähte Gerät doch noch einer Bestimmung zugeführt: es fand den Weg zu mir.

Seither begleitet mich das kleine Ding jeden Tag: wo ich bin, ist auch der Lautsprecher. Ich kann Stille immer noch nicht gut aushalten, also muss jemand babbeln. Ich höre Wissenssendungen, Talk, selten Musik, aber viele Podcasts in YouTube, die mir mein Leben erklären. Also, ein bisschen.


Die Geschichte des Lautsprechers beginnt schon 1861, er entstand als Nebenprodukt bei der Entwicklung des Telefons. Ein Deutscher hat ihn übrigens erfunden: Werner von Siemens.

Lautsprecher Celestion

Diesen Apparat hätte ich nicht von Zimmer zu Zimmer tragen können!
(Quelle: Wikipedia – Franz Klemm)

Bei der Bluetooth-Technologie werden Daten per Funk übertragen, allerdings nur auf kurze Distanz bis ca. 10 Meter. In meiner kleinen Wohnung reicht das, ich verliere die Verbindung nie.

Doch wie kam es zur Bezeichnung Bluetooth? Das hat mit einem Wikingerkönig aus dem 10. Jahrhundert zu tun: Harald Blauzahn. Er soll durch seine ausgeprägte kommunikative Kompetenz mehrere Fürstentümer zu einem dänischen Königreich vereint und viele Menschen vom christlichen Glauben überzeugt haben.

Als in den 1990er Jahren zum ersten Mal zwei Geräte per Funk gekoppelt werden konnten, suchte man nach einem Namen für die neue Technologie und stieß auf König Blauzahn: Bluetooth. Seine Initalien wurden zum Bluetooth-Symbol. Sie sind in Runen geschrieben, wie sie von den Wikingern verwendet wurden. Man sieht ein ᚼ (H) und ein ᛒ (B).

Aber wieso hieß er Blauzahn? Möglicherweise war es das Symbol für sein Schwert, oder er trug blaue Kleidung, was damals kostbar war. Oder er hatte einen faulen Zahn (vielleicht waren die Menschen so schnell einverstanden mit seinen Vorschlägen, damit er den Mund hielt).
Jedenfalls war er ein Kommunikationstalent, und dafür steht sein Name heute noch.

Bemerkenswert

Wenn sich Menschen auf arabisch unterhalten, klingt es wie ein nicht enden wollendes „Achmad war am Hallabad“ oder so. Die Tonation ist nicht elegant wie im Französischen oder vornehm wie im Britischen, sondern forsch. Die Sprache wirkt mitunter fast aggressiv und irgendwie breit – als müssten einzelne Worte aus dem hinteren Rachen hervorgewürgt werden.

In den Unterrichtspausen unserer Sprachkurs-Teilnehmer aus Syrien klingt es deshalb im Aufenthaltsraum, als wären sehr viele Achmads in sehr vielen Hallabads unterwegs.

Am meisten erstaunen mich aber nicht die fremden Sprachklänge, sondern die Frauen. Man hat ja dieses Bild der Muslimin, die einige Meter hinter dem Mann geht und in Demut den Kopf neigt. Das kann ich nicht bestätigen. Die Frauen sitzen hier aufrecht zwischen den Männern und debattieren, lachen, eifern. Wie kam ich denn auf dieses Klischee?

Schwänglisch

Kürzlich an der Rezeption unseres Hotels in London: Ich frage nach einem Buslinienplan.
„Do you have a bus map for us, please?“
Der junge Mann schaut mich an, als hätte ich polnisch gesprochen.
„A what?“
„A bus map.“
„A bus map?  ………  Oh! You mean a bus map.“
„That’s right. A bus map.“
„Sure, Madam, here. A bus map for you.“

Was mach ich falsch? Ist meine Aussprache zu schwänglisch?

In der Tat klingt das „bus“ des Engländers wie etwas kurz vor boss, aber vorher macht er Halt und so wird noch kein richtiges O daraus, aber es ist auch kein A mehr. Klingt mein „bus“ in britischen Ohren wie buzz? Aber was sollte ich wohl mit einer summenden Landkarte?  Ein bisschen Fantasie sollte man von einem Mitarbeiter an der Rezeption schon erwarten können. Also echt.

Kommunikationsmodell II

Ich stehe mit dem Sohn in der Apotheke. Er wurde am Hallux operiert, wir brauchen Verbandszeug. Hinter uns wartet ein älterer Mann, der unverhohlen auf den dick eingewickelten Fuß des Sohnes starrt. Auf einmal beginnt er amüsiert zu lachen und sagt: „Hesch net auf’passt!“ Der Junge (er wird in diesem Jahr 28 Jahre alt) bringt die Krücken in eine neue Position, wendet sich zu dem Mann um und versucht, sich einen Reim auf ihn zu machen. Menschen, die beim Kontakt mit Fremden keinerlei Hemmschwelle besitzen, unterstellt man gerne eine Verhaltensauffälligkeit. Warum eigentlich? Auch ich überlege, was mit ihm los ist und warum er so grundlos strahlt. „Nächschtes Mal bischt vorsichtiger, gell, “ lautet nun sein Rat. Der Sohn kommt mit seinen Überlegungen zum Schluss und antwortet leichtin, als säße man miteinander am Stammtisch: „Wenn man’s vorher wüsst!“ Nun freut sich der Mann, und wir freuen uns auch – über die unerwartete Anteilnahme. Aus welchem Grund auch immer.
 

Zu Kommunikationsmodell I

Sprachstörungen

Ich habe mir eine Kompaktkamera gekauft. Mit der kann man nicht nur Bilder machen, sondern natürlich auch filmen, und mein erster Film war eine Dokumentation über „Drehmoos„. Manche kennen ihn schon. Den zweiten habe ich gerade erst entdeckt, eine versehentlich gestartete Aufnahme durch das Herumfummeln mit all den Knöpfen. Der Film zeigt viel Himmel, eine Dachrinne, zwei Hauptdarsteller: ein nackter Rücken, zwei schräg ins Bild gehaltene Köpfe (der geliebte Brite und ich), des Weiteren Teile eines Balkonkastens und die minutenlange Makroaufnahme meines schwarzen Rocks. Beeindruckend ist eigentlich nur der Tonmitschnitt. Zwei Menschen unterhalten sich auf Englisch, und als ich das hörte, gruselte es mich. Dafür gibt es drei Gründe, ich beginne mit dem Harmlosesten:

1. Die Stimme klingt natürlich immer anders, wenn man sich selbst hört, aber ich habe zwei Stimmen. Sie klingt völlig unterschiedlich, je nachdem ob ich deutsch oder englisch spreche. Die englische gefällt mir besser, aber ich hätte sie nicht als meine erkannt, wenn man sie mir vorgespielt hätte.

2. Viel schlimmer: Selbst im Englischen habe ich einen schwäbischen Akzent! Von wegen, wenigstens in der Fremdsprache klinge ich wie alle andern – diese Illusion zerbarst heute in Sekunden, und ich fasse es immer noch nicht: I schwätz Schwänglisch …

3. Das bereitet mir am meisten Kopfzerbrechen: Ich hab überhaupt nicht verstanden, worüber ich geredet habe. Mein unverständliches Gebrabbel erschloss sich erst, als ich mehrmals nachgehört und mich vage erinnert hatte, worum es eigentlich ging. Ich glaube, ich hatte den Briten angemaunzt, weil er eine Balkonpflanze enttopft und einfach stehengelassen hatte. Ganz sicher bin ich mir aber nicht.

Wie kann das sein? Wieso verstehe ich mich selbst nicht? Verstehen mich denn die andern? Versteht mich irgendwer?

Kommunikationsmodell

Man sollte sich über Unwichtiges nicht ärgern, und doch geht es mir nicht aus dem Kopf: Schreit mich doch heute eine alte Frau an. Sie steht im aufgerissenen Fenster eines Mietshauses und krakeelt aus dem zweiten Stock herunter:

„Wohnen Sie hier?“
Das würde mir noch fehlen, denke ich, mit so einer im selben Haus.

„Warum wollen Sie das wissen?“
rufe ich zurück und ahne schon, worum es geht.

„Wenn Sie nicht hier wohnen, dann dürfen Sie hier nicht parken!“
kläfft sie und hält sich mit beiden Händen am Fensterrahmen fest – als stürze gleich das Haus ein, weil mein Auto davor steht.

„Mir wurde gesagt, dies seien öffentliche Parkplätze! Ich parke nur an heißen Tagen hier und nie länger als zehn Minuten“, versuche ich sie zu beruhigen, „ich bin nur auf dem Friedhof, zum Gießen.“
Der Friedhofseingang liegt direkt gegenüber.

„Das ist mir egal,“ geifert sie weiter, „was denken Sie, für wen diese Parkplätze sind? SIE dürfen hier nicht parken, und schon gar nicht an dieser Stelle!“
Ich gebe zu, die Parkposition meines Autos entspricht nicht den Markierungen, sondern dem Schatten entlang einer Hecke. Drumherum ist alles frei, ich behindere niemanden. Es ist Mittagszeit.

„In meinem Auto sind Lebensmittel, deshalb habe ich im Schatten geparkt, zehn Minuten wie gesagt!“
Die Alte schnappt nach Luft und motzt weiter.
„Außerdem sehe ich nirgends ein Schild, das diese Parkplätze als privat kennzeichnet“,
rufe ich dazwischen. Es ist heiß.

„Das ist mir egal!“
Sie ist jetzt außer Rand und Band.
„Sie dürfen hier nicht parken! Wie oft haben Sie überhaupt schon geparkt hier, he? Wie oft?“
Genug. Ich steige ins Auto und fahre davon.

Morgen werde ich nachschauen, ob ich ein Schild übersehen habe, mir ist bisher keins aufgefallen. Gegebenenfalls parke ich eben woanders und gehe ein paar Schritte. Nur: Warum hat mich diese Giftspritze nicht höflich darauf aufmerksam gemacht? Warum gibt es solche Menschen?

Nun, sie ist alt. Bald liegt sie selbst auf diesem Friedhof. Ich frage mich, ob jemand kommen wird, um ihre Blumen zu gießen. Und wo diese Person parkt.