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Einklang

Wir saßen in der Schalterhalle und ich hörte kein Glöckchen. Ich hörte eine Lerche, die aus dem Käfig entkommen war und nun auf dem Fensterbrett jubelte. „La Campanella“. So heißt die Etüde von Franz Liszt, die gestern unter anderem gespielt wurde bei einem Konzert, das in der örtlichen Bank stattfand. Der Flügel stand dort, wo es zu den Büros geht, eine Japanerin beugte sich über die Tasten,  jagte mit schmalen Händen nach links und nach rechts und trug die Besucher, die auf den Stuhlreihen um sie herum Platz genommen hatten, davon. Bei den Klängen dieses Stücks fühlte ich mich auf einmal so frei, dass es meinen Nerven zuviel wurde und ich fing an zu weinen. „La Campanella“. Das Glöckchen. Für mich eine Lerche, wie gesagt.

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Gespielt von Valentina Lisitsa

Das Phantomregiment

Der Klang der Orgel schmettert gegen die Kirchenwände und wird zurückgeschmissen, dass es bebt in unseren Ohren. Wuchtig taucht ein Regiment aus dem Nebel auf. Erst hören wir fern die Fanfare, dann kommen Stiefelschritte näher und jetzt ziehen Schemen an uns vorbei. Eisern. Wie das Leben. Wir betrachten es halb mit Angst vor dem, was es bringt, halb mit Lust zu sehen, wohin es geht.

Die Musik wird getragen von Moll, wenn auch die Hauptmelodie gern harmlos spielt in Dur. Doch dahinter bleibt es ungenau, dunkel, melancholisch. Die Töne schwellen an und ich folge dem Takt der Marschierenden, die blicklos nach vorne stapfen, weiter und weiter, dann verschwinden sie. Es hallt nurmehr dünn, leise, ein einzelner Ton führt jetzt das Stück. Noch einmal wird er an die Hand genommen durch weitere Orgelstimmen, dann die Fanfare, ein letztes Mal und weit weg – vorbei.

Leroy Anderson, lese ich im Programm. Nie gehört den Namen. Grandios. Beim Silvesterkonzert in der Kirche, das im örtlichen Veranstaltungskalender noch nicht mal erwähnt worden war.