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Komische neue Welt

Zurück bei der Arbeit (stundenweise vorerst) merke ich erst, wie mir die Kolleginnen und Kollegen gefehlt haben. Neun Wochen sind lang. Wir stehen da mit maskierten Gesichtern und freudigen Augen, dürfen uns aber nicht in die Arme fallen. Ich seufze.

Dann fahre ich den Computer hoch und wurstle mich durch all das Liegengebliebene. Mein Büro ist klein und das Fenster geschlossen, weil es sonst zieht. Ein Dozent kommt herein, schließt die Tür, lässt sich auf dem Besucherstuhl nieder. Ich setze meine Maske auf, er nimmt seine ab. „Lass nur, wir sind ja unter uns,“ sagt er. Als täte er mir einen Gefallen, wenn er nicht auf die Maskenpflicht besteht.

Ich stelle immer wieder fest, dass die Unangepassten wegen der Einschränkungen mehr Gewese machen. Dieser Dozent ist auch so einer mit Ecken und Kanten, an sich ist das in Ordnung aber ich bitte ihn trotzdem, seine Maske wieder aufzusetzen. Er schaut mich mit großen Augen an.

Warum muss ich erst darauf hinweisen, dass ich Asthma habe und mein Lebenspartner im höheren Alter ist? Warum fühlt es sich an, als habe ich gerade etwas ganz Schräges verlangt?

Ungern setzt er die Maske wieder auf und geht bald wieder. Auch recht.

Gewohnheitssachen

Allmählich gewöhne ich mich sogar an Talk-Shows ohne Publikum, an Gags ohne Lacher, Pointen ohne Beifall. Ein wenig schwer tu ich mich noch mit entleibten Gästen, deren Gesichter von Bildschirmen auf Stahlgestellen flimmern. Wie aufgespießt kommt mir das vor, aber auch das habe ich oft genug gesehen und es wirkt nicht mehr ganz fremd.

Nun gibt es aber etwas Neues, worauf ich mich einstellen muss: Ans Arbeiten. Ab morgen steige ich stufenweise aus der Kurzarbeit aus, nach neun Wochen Zwangspause.

Inzwischen bin ich unsicher geworden, was mir mehr zusetzt: Das Isoliertsein zu Hause oder die Angst, ins Büro zurückzukehren mit Bergen an Arbeit und neuen Bestimmungen für unsere Kurse.

Mit ist ein wenig flau. 😨

 

Tagesstruktur

Es ist ja so: Wenn man eine Arbeitswoche hat, ist auch die Freizeit durchgetaktet. Man putzt, kauft ein, macht Wäsche oder Gartenarbeit oder eine Wandertour. Alles muss in die freien Tage passen, damit man sich in der neuen Woche wieder der Arbeit widmen kann.

Und jetzt? Putz ich heut nicht, putz ich morgen. Oder übermorgen. Und wenn ich nicht putze – was passiert dann eigentlich? Nichts. Erschreckend, wie schnell alles Festgelegte aufweicht.

Wie machen das eigentlich Rentnerinnen und Rentner?

Ich verstehe jedenfalls kranke, arbeitssuchende, erwerbsunfähige Menschen, bei denen die Stimmung eh keine Luftsprünge macht, jetzt besser. Es braucht schon Energie, sich Tagesabläufe auszudenken und sie einzuhalten. Es fehlt die Konsequenz des Versäumens.

Arbeitstherapie

Gehackt, gedüngt und unkrautfrei – der Garten: picobello. Die erste Woche Kurzarbeit ist um, und alles ist gemacht. Sogar ein Frühbeet. Wetter war natürlich perfekt.

Unter den Gartennachbarn erzählt man, dass es vor Dehner oder Obi bis zu einer Stunde dauert, bis man eingelassen wird. Deshalb gibt es bei mir noch keine Setzlinge. Das rasch Selbstausgesäte auf der Fensterbank muss noch eine Weile betüttelt werden, ehe es an Ort und Stelle kommt.

Also kann ich vorerst nur noch gießen und ein bisschen herumzupfen.

Womit beschäftige ich mich die nächste Woche? Was macht ihr so?

 

 

Lack ab

Wir Daheimbleibenden brezeln uns nicht auf. Wozu auch? Ich schminke mich nicht mehr und trage bequeme Kleidung, so würd ich nie ins Büro gehen.

Viele scheinen sich äußerlich zu verändern. Es sind nicht nur die herausgewachsenen Frisuren und Haaransätze in anderen Farben, weil die Friseurbetriebe schließen mussten. Ich sehe generell weniger Menschen mit gelacktem Erscheinungsbild.

Die Fassade blättert. Darunter steckt ein anderes Ich, griesgrämig zurzeit und verunsichert, aber auch unverstellt, ehrlicher. Für einen Gruß von Balkon zu Balkon, zum Gartennachbarn oder für die engsten Lieben ist es gut genug. Auf Geduld und Zusammenhalt kommt es an in diesen Zeiten, nicht auf Schillern und Funkeln.

Ich bin gespannt, ob etwas davon bleiben wird.

Der Frühling blüht …

… als wenn nichts wäre.

 

Ich bin jetzt jeden Tag im Schrebergarten. Noch nie sahen die Beete so sauber und aufgeräumt aus wie derzeit. Noch nie hatte ich an Gartenarbeit eine solche Freude. Noch nie hatte ich so viel Zeit dafür.

Die pralle Sonne auf dem Rücken,
während man sich über Schaufel oder Hacke beugt
oder beschaulich den warmen, duftenden Lehmboden riecht,
ist heilender als manch eine Medizin.
(Charles Dudley Warner)

 

 

 

Ausgesperrt

Gestern Abend den Wecker abgestellt, heute morgen ausgeschlafen. Keine Panik beim Aufwachen, kein Druck, kein Nichts.

Trotzdem: So schnell komm ich nicht raus dem Arbeitsleben. Es war ja kein länger geplantes Stilllegen des Büroalltags, sondern ich wurde vor die Tür gestellt. Was tut man da? Man hält es für ein Versehen und geht wieder rein.

Es ist noch zu viel am Laufen, zuviel zu veranlassen. Damit nach der Kurzarbeit keine Monsterwelle auf mich zukommt und verschlingt, guck ich also nach den E-Mails, beantworte ein paar, mache einen Anruf.

Aber dann gehe ich in den Garten und hebe den Vorjahreskompost aus, schleppe Erde zu den Beeten, siebe, hacke, reche, säe Radieschen.

Alles ohne Handy.

Los gehts

Über gestern rede ich nicht. Das Heimbüro sah aus wie nach einem Orkan, als ich den Bleistift sinken ließ. Wann das war, sage ich auch nicht.

Aber dann schlief ich ein ohne Ministerien, To-do-Listen und Menschen mit aufgehaltenen Händen im Kopf. Am Morgen zeigt der Fitness Tracker ungewohnt gleichmäßige Schlafphasen, fast eine Stunde Tiefschlaf.
Erstaunlich, wie schnell der Körper reagiert.

Die Seele braucht etwas länger.
Ich werde heute meine Unterlagen ordnen und das Büro aufräumen.

Null-Arbeit Tag 1.

Falsch gedacht

Jetzt ist es amtlich. Ich hatte letzte Woche die Nachricht der Geschäftsleitung nicht recht ernst genommen. Ich dachte, da kann man noch diskutieren. Ich dachte, das ist nur für den Fall der Fälle. Ich dachte  … an etwas anderes: Wie ich den Berg an Arbeit von zu Hause aus hinkriege zum Beispiel. Wo ich all dieses Papier und die Mappen und Sachen ausbreite. Wann ich zum Firmenstempeln ins Büro fahr. Solches Zeugs.

Aber heute stellten sie es noch einmal klar.  Ab Mittwoch arbeite ich nicht mehr im Büro, und auch nicht im Home Office, sondern im Garten. Oder im Haus. Oder gar nicht. Tendenziell gar nicht. Ohne Einnahmen keine Ausgaben, ab dem 1. April beginnt bei uns die Kurzarbeit. Eigentlich ist es das falsche Wort, denn unsere Arbeitszeit wird auf Null reduziert, es müsste also Null-Arbeit heißen.

Wenn ich daran denke, wieviel noch zu tun ist und dass nach Corona alles auf einmal kommt, dann wird mir ganz schlecht.

Bild von Silviu Costin Iancu auf Pixabay