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Das Wort zum Tag
Die Welt ist allezeit schön
Im Frühling prangt die schöne Welt
In einem fast smaragdnen Schein.
(Was für ein langweiliges Gedicht)
Im Sommer glänzt das reife Feld
Und scheint dem Golde gleich zu sein.
Im Herbste sieht man als Opalen …
Ich hör schon auf, den Rest kann man sich sparen.
Aber der letzte Vers bleibt bei mir hängen:
… wenn wir die Welt aufmerksam sehn,
Ist sie zu allen Zeiten schön.
Mist. Warum vergess ich das immer?
Und so fiel mir der heutige Abend ein, als ich völlig jahreszeitenunabhängig ein schnelles Essen zubereitet hatte (die abgekochten Nudeln von gestern mit Ei und Schnittlauch) und, da der geliebte Brite nicht da war, mit meinem Teller aufs Sofa gesunken war vor den laufenden Fernseher, wo ich es mir schmecken ließ.
Bisschen kulturlos aber – Mann, das war gut.
Solche Momente sollten nicht untergehen im alltäglichen Irrsinn.
Und was hat es bei euch heute Schönes gegeben?
Wen das Gedicht doch interessiert:
Im Frühling prangt die schöne Welt
In einem fast smaragdnen Schein.
Im Sommer glänzt das reife Feld
Und scheint dem Golde gleich zu sein.
Im Herbste sieht man als Opalen
Der Bäume bunte Blätter strahlen.
Im Winter schmückt ein Schein, wie Diamant
Und reines Silber, Flut und Land.
Ja kurz, wenn wir die Welt aufmerksam sehn,
Ist sie zu allen Zeiten schön
Barthold Heinrich Brockes
Über Glück, Alter und einen Bahnhof
„Was für eine Freude! Gerade in der heutigen Welt mit all dem Jammern und Klagen und Kämpfen.“
Das sagt der 91-jährige Denis Robinson aus London an einem Ort, an dem auch wir schon einmal stehen geblieben sind.
Dieses Klavier findet man im Bahnhof von St. Pancras und es ist für jeden frei zugänglich. Zweimal in der Woche kommt Denis Robinson und spielt darauf. Es mache ihm solche Freude, wenn er das Lieblingsstück eines Passanten spielen kann. Einmal sei eine Frau zu ihm getreten und habe ein Lied aus „Cats“ gesungen, zu dem er sie begleitete. Es stellte sich heraus, dass es Ceili O’Connor war, einer der Stars aus diesem Musical.
Ein anderes Mal spielte er ein Kirchenlied für einen Mann aus Derby. Es war auf den Tag genau vor fünfzig Jahren bei dessen Hochzeit gespielt worden, und der Mann war so dankbar. „Niemand spielt hier Kirchenlieder,“ sagt Dennis“, „nur ich manchmal“.
Auf jeden Fall sieht er noch einige weitere Jahre vor sich, die er auf diesen Bahnhof kommen will. Das verdanke er dem Klavierspiel, der Lebensfreude und einem gelegentlichen Brandy.
Zum BBC-Video (mit Untertiteln)
Habt ihr auch ein Rezept, um euer Leben ein bisschen lebenswerter zu machen?
Lebenskunst
Was wir von andern lernen können
Wenn nicht jetzt, wann dann?
Im Nachttisch meiner Mutter finde ich ein Körbchen mit zwei Piccolo-Flaschen Henkell Trocken und ein Sektglas. Es hatte in ihrer Wohnung auf dem Schrank gestanden, bevor sie in die Pflegestation umziehen musste. Sie hatte damals darauf gezeigt und ich packte es zu den anderen Sachen, die sie mitnehmen wollte. Offenbar hat sie den Sekt aber nie getrunken. Dabei hatte mich vor ihrem Umzug einmal jemand von der Verwaltung gefragt, ob meine Mutter öfters Alkohol trinke. Niemals, beteuerte ich damals. Als Chef-Einkäuferin ihres Haushalts hätte ich ihn ja besorgt haben müssen.
Auf das Naheliegende kam ich natürlich nicht. Erst als ich mich von den Mitarbeitern der Einrichtung verabschiede, kommt noch einmal die Sprache darauf. Ein Pfleger grinst und verrät: Es war die Wohnungsnachbarin. Frau Groß. Die brachte den Stoff, und dann haben die beiden zusammen gebechert. Typisch. Meine Mutter hat sich vom Leben genommen, was sie wollte. Vielleicht hat ihr ein gelegentliches Gläschen das Sprechen erleichtert, aber es wird nichts genutzt haben, denn die Nachbarin ist über neunzig und fast taub. Es wird egal gewesen sein.
Warum diese beiden Fläschchen noch da sind, weiß ich nicht, vielleicht hatte Frau Groß etwas Besseres als Henkell Trocken oder sie haben das Körbchen einfach vergessen. Ich mache jetzt jedenfalls eins auf, und dann erhebe ich es mit Blick nach oben und denke mir ein von Herzen kommendes „Wohlsein“!
Wort zum Tag
Der überwiegende Teil des Lebens findet nicht am Wochenende statt und nicht im Urlaub.
Sondern werktags.
Der überwiegende Teil des Werktags findet nicht am Feierabend statt oder wenn die Kinder schlafen.
Sondern tagsüber.
In diesem Moment lebst du. Jetzt.
Was tust du gerade?
Wie geht es dir dabei?
Wie man sich bettet, so liegt man
Heute sah ich endlich, wer da immer so lacht. Mein Büro liegt nämlich zur Straßenseite hin und ich kriege ein bisschen mit, was draußen vor sich geht. Parkende Autos hör ich, Kinder, Hunde, und zwei Frauen, die häufig und vernehmlich auf der Straße miteinander plaudern. Ihr Lachen perlt glockenhell bis zu meinem Schreibtisch, so ungekünstelt und gutgelaunt, dass man rausgehen und sich dazu stellen möchte.
Wahrscheinlich halten beide den Schieber eines Kinderwagens fest und werfen immer wieder verzückte Blicke auf ihr Baby. Zwischen Wäschewaschen und Essenkochen der tägliche Einkauf, dazwischen ist immer noch Zeit. Manchmal kommen dann Erinnerungen hoch, wie ich selbst einen Kinderwagen schob und den Tag noch einteilen konnte, wie es mir gefiel. Das ist lange her. Vieles ändert sich, wenn man den ganzen Tag arbeitet.
Heute also trat ich vor die Tür, um etwas (nikotinisierte) Luft zu schnappen, da hörte ich diese fröhlichen Stimmen wieder. Ich blickte angestrengt in die Richtung, aus der sie kamen, und zwischen den Zweigen eines kahlen Strauchs entdeckte ich sie: Zwei Frauen, beide um die fünfzig. Eine von ihnen – sie brach gerade wieder in ihr engelhaftes Lachen aus – ist die Lebensmittelhändlerin vom Dorfladen nebenan. Die, die ihr Geschäft nicht aufgeben will und deshalb gegen den Bau eines Supermarkts in der Nähe protestiert. Man bot ihr an, mit einer Bäckerei in die neuen Einkaufswelt zu ziehen, sie würde mehr Umsatz machen. Zum Leben reichts, sagt sie, ihr Lädele wolle sie behalten und als die Dorfgemeinschaft abstimmte, stellte sie sich quer.
Rufend und winkend verabschiedeten sich nach einer Weile die beiden Freundinnen. Mit roten Bäckchen und einem Lächeln im Gesicht begann Frau Lädele nun, in eine der Auslagen neben dem Eingang Äpfel nachzufüllen. Behutsam. Einen nach dem andern.
Und ich? Wieso hab ich immer solche Hektik? All die Anstrengungen: Gut sein, weitermachen, durchhalten – wozu?
Carpe diem
Bis ans Ende unseres Lebens sagt Gott jeden Morgen: „Hier, schau her, du bekommst noch einmal einen ganzen Tag. Mach was draus!“ Wie denn, wird zum Beispiel jemand sagen, der in der Firma acht Stunden lang mit einem cholerischen Boss verbringen muss. Darf man deshalb einen Tag verloren geben?
Ich habe heute zur Mittagszeit einen kleinen Spaziergang gemacht. Dort, wo ich arbeite, gelangt man nach wenigen Schritten in eine ländliche Gegend mit Weiden und Obstwiesen, und nach dem kalten Nebel der letzten Tage war es heute bei blauem Himmel besonders schön. Ich kam an gefleckten Kühen vorbei, die gelangweilt im Gras lagen und mir mit großen Augen hinterher schauten. Im milden Licht der Oktobersonne lag die Landschaft da wie weichgezeichnet, feiner Dunst verschleierte weiter entfernte Bäume und Felder. Ich atmete den Geruch nasser Erde ein und schaute etwas weiter einer Schar Vögel zu, die sich auf einer Wiese niedergelassen hatten und aufgeregt durcheinander hüpften. Sie beschwatzten wohl ihre bevorstehende Reise. An einem Bauernhaus leuchteten vereinzelt Geranien an den Fenstern, sonst sah man kaum mehr Blühendes. Die Gärten sind abgeräumt und machen sich für den Winter zurecht. Alles hat seine Zeit in der Natur, und alles hat seinen Platz. Mein Herz wurde weit bei diesem Gedanken. Ich hob eine Walnuss auf und legte sie später auf meinen Schreibtisch.
Habe ich etwas gemacht aus diesem Tag? Zumindest habe ich etwas sehr Schönes nicht übersehen.
Und noch etwas Schönes übersehe ich nicht: Mein Computer stürzt nicht mehr ab! Meine Tochter und ihr Freund haben einen Preis verdient, die haben das am Wochenende hingekriegt. 🙂