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Die sieben Eheschwüre

Neulich in London: Der Neffe des geliebten Briten heiratet – nach Hindu-Tradition. Er ist zwar ein waschechter Engländer und auch die Braut ist hier geboren. Ihre Eltern aber stammen aus Indien, wenngleich auch sie wahrscheinlich in England aufgewachsen sind.

Dennoch ist die Identifikation mit ihren Wurzeln ausgeprägt. Die Familie der Braut erscheint überwiegend in Sari und Sherwani, es ist eine leuchtend-bunte Hochzeitsgesellschaft. Auf der Seite des Bräutigams wiederum zieren Damenhüte die Festgemeinde, very British.

Durch die einzelnen religiösen Etappen führt ein Hindu-Priester, der zwischendurch Späßchen macht und die Leute fröhlich bei Laune hält. Gelegentlich erklingt Bollywood-Musik und man denkt, gleich kommt eine glücklich lächelnde, augenrollende und kopfwackelnde Tänzerin hereingeweht.

Die sieben Eheschwüre sind der Höhepunkt der stundenlangen hinduistischen Zeremonien. Da jeder Gast eine Karte mit Erläuterungen erhielt, kann ich sie hier wiedergeben, nur mal so zur Inspiration:

  1. Gemeinsam schöpfen wir Kraft für unsere Aufgaben im Eheleben.
  2. Gemeinsam füllen wir unsere Herzen mit Stärke und Mut für die Erfordernisse des täglichen Lebens.
  3. Gemeinsam sind wir erfolgreich, teilen weltliche Güter und sorgen für Wohlstand in unserer Familie.
  4. Gemeinsam sind wir füreinander da in Krankheit und Gesundheit, im Glück und im Leid.
  5. Gemeinsam ziehen wir starke, rechtschaffene und liebende Kinder groß.
  6. Gemeinsam füllen wir unsere Herzen mit Freude, Frieden, Glück und spirituellen Werten.
  7. Gemeinsam wollen wir unser ganzes Leben verbringen.

Das katholische Eheversprechen im Vergleich dazu:

Ich nehme Dich an als meine Frau/meinen Mann.
Ich verspreche Dir Treue in guten und in schlechten Tagen,
in Gesundheit und Krankheit, bis dass der Tod uns scheidet.
Ich will Dich lieben, achten und ehren alle Tage meines Lebens.
Trage diesen Ring als Zeichen unserer Liebe und Treue.
Im Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes, Amen.

Was fällt uns auf?
In der hinduistischen Version kommt das Wort Liebe nicht vor (schon gar nicht jeden Tag) und auch der Begriff Treue fehlt. Es wird vielmehr das Fundament gesetzt für ein gemeinsames Leben, in dem Liebe, Treue und Vertrauen gedeihen können. Aber nicht müssen.

Alle Bilder sind urheberrechtlich geschützt.

London

Eigentlich ist unser Ausflug nach London schon wieder vorbei, aber ich nehm euch einfach nachträglich mit. Schaut mal:
(Draufklick = groß)

Dann war da noch der Besuch beim hochbetagten Onkel und der Tante des geliebten Briten. Ich bin ich wieder einmal von den Aufenthaltsräumen eines Pflegeheims überrascht. Teppiche, Plüsch und dunkles Holzmobiliar, überall rafft und rüscht es sich, im Speisesaal hängen kronleuchterähnliche Lampen und beim Abendessen sieht es aus wie bei einer festlichen Einladung. Dabei handelt es sich um eine ganz durchschnittliche Einrichtung. Bei uns sind solche Räume weiß getüncht, funktional, abwaschbar.

Wir trafen uns außerdem mit dem Neffen und dessen Freundin. Das Mädchen erzählte, dass ihr Vater sich kürzlich weigern wollte, einen Weihnachtsbaum aufzustellen. Die Kinder seien erwachsen, es sei mühsame Arbeit, nicht nötig für die paar Tage. Aber alle protestierten und der Weihnachtsbaum kam zum Einsatz wie jedes Jahr. Interessant ist das Detail, dass die Familie der Freundin Hindus sind, ich glaube die Eltern stammen aus Indien. Mit den Anlässen zum Feiern nicht man es aber nicht so genau. Ob sie auch Weihnachtslieder singen, habe ich vergessen zu fragen.

 

Der Hardy-Baum

Auf unseren Friedhöfen werden Gräber meist nach zwanzig Jahren entfernt, wenn nicht gerade VIP-Stars darin liegen. In anderen Ländern ist das nicht so.

In London z.B. gibt es den Friedhof St. Pancras, von dem vor etwa zweihundert Jahren ein Teil für den Bau der Midland Railways Line benötigt wurde. Obwohl die Gräber im fraglichen Bereich schon hundert oder zweihundert Jahre alt und zum Teil wohl auch vergessen waren, wäre es respektlos gewesen, die Überreste einfach zu entsorgen. Also wurden sie  ausgegraben und an anderer Stelle unter einer Esche wieder bestattet. Die Grabsteine wurden um den Baum herum angeordnet, wo sie im Lauf der Jahre zum Teil überwachsen wurden.

Projektleiter dieser Umsiedlung war der Dichter Thomas Hardy (1840-1928), der in jungen Jahren als Architekt arbeitete, bevor er sich ganz dem Schreiben widmete. Inspiriert von seiner gruseligen Aufgabe verfasste er das folgende Gedicht:

The Levelled Churchyard
O passenger, pray list and catch
Our sighs and piteous groans,
Half stifled in this jumbled patch
Of wrenched memorial stones!
We late-lamented, resting here,
Are mixed to human jam,
And each to each exclaims in fear,
‚I know not which I am!’

Der planierte Friedhof
Oh Wanderer, sieh nur und hör
unser Seufzen und klagendes Stöhnen
das halb erstickt aus Gewirren
entrissener Grabsteine dringt!
Gott hab uns selig, wir liegen zu
menschlicher Pampe vermengt,
und einer ruft ängstlich dem anderen zu
Ich weiß nicht mehr, wer ich bin!“

© Anhora

Die Übersetzung entspricht nicht genau dem englischen Text, klingt aber besser als eine wörtliche Übertragung. Mehr dazu auf www.kuriositas.com.

Grüezi in London

Auch das gibts in London: Eine Schweizer Sehenswürdigkeit mitten in der Stadt. Es sitzt auf einer hohen Säule und umfasst elf Holzfiguren, 26 Kanton-Wappen, 27 Glocken und vier Figuren in Schweizertracht, die für jede Sprachregion stehen. Dies war ursprünglich ein Geschenk der Schweiz und Liechtenstein. Es schmückte die Fassade des Swiss Centre, eines Touristen- und Handelszentrums, das die Schweiz bewarb. Das Zentrum wurde 2008 abgerissen und seit November 2011 steht das Glockenspiel frisch renoviert als freistehendes Bauwerk am Leicester Square (sprich: Läster Skwär).

An der Stelle des einstigen Schweizer Zentrums präsentiert sich nun ein anderer, eher zweifelhafter kultureller Höhepunkt: Ein M&M-Shop. Um die Ecke finden wir den berühmten pagodenartigen Torbogen, der den chinesischen Teil Sohos markiert. Alles beieinander also.

 

Mehr darüber

Fließender Beton

Werke der grandiosen Architektin Zaha Hadid:

London Aquatics Centre – Gebaut für die Schwimmwettbewerbe bei den Olympischen Spielen 2012, Stratford/London

Serpentine-Sackler-GallerySerpentine Sackler Gallery mit Restaurant-Anbau im Hyde Park, London

Die gebürtige Irakerin Zaha Hadid war die erste Frau, die den Nobelpreis der Architektur – den begehrten Pritzker-Preis erhielt. Sie lebte und arbeitete in London. Im Frühjahr 2016 starb sie im Alter von 65 Jahren.

Ich stehe ergriffen vor diesen Gebäuden. Ihre Form gleicht eleganten Rochen im Meer, die im nächsten Moment davongleiten. Als hätten sie kein Gewicht.

Das Rathaus von London – Die City Hall

 

In diesem Gebäude werden acht Millionen Menschen verwaltet. In höchster Instanz herrscht hier der Mayor of London, der Bürgermeister, und erst vor kurzem wurde ein neuer gewählt: Sadiq Khan. Seine Eltern sind pakistanische Einwanderer und Khan ist der erste Muslim, der London regiert. In einer Stadt mit so vielen Einwanderern macht das Sinn, aber trotzdem wurde er während der Kandidatur auch angefeindet.

In Deutschland haben wir türkischstämmige Landes- und Bundesminister, ohne dass viel Aufhebens gemacht wird. Ob wir auch Bürgermeister mit islamischem Glauben haben, weiß ich nicht. Wahrscheinlich sind Bürgermeister näher an den Menschen als Minister. Vielleicht würden wir auch die Stirn runzeln und befürchten, dass mit einem muslimischen Stadtoberhaupt die Bedürfnisse der Deutschen ins Hintertreffen geraten könnten. Komisch. Ob die Bedürfnisse der ausländischen Bürger immer genügend beachtet werden, fragen sich längst nicht so viele. Aber die leben doch auch hier.

 

Die City Hall wurde von Norman Foster im Jahr 2002 entworfen. Das Gebäude liegt direkt an der Themse neben der Tower Bridge.

Bei einem Pint Bier

Abends fand man uns in diesem Urlaub meist in einem der Pubs. Hier trifft man Menschen, die man sonst niemals trifft. Einmal kommen wir mit einem Mann ins Gespräch, der an der Theke lehnt, während wir auf unser Bier warten. (Es wird hier ja nicht serviert – man holt sich sein Getränk selbst und bezahlt auch gleich). Der Mann ist um die Vierzig, trägt eine dicke Jacke und hat stark verfärbte, lückenhafte Zähne. Wir unterhalten uns ein wenig und erfahren, dass er aus dem Stadtteil Luten stammt. Luten ist eine der heruntergekommensten Gegenden Londons.

Der Mann erzählt, dass er dort keine Arbeit finden konnte, weil es schon lange keine Jobs mehr gibt. Die großen Unternehmen haben dichtgemacht und sind woanders hin. Als er sechzehn war, starb die Mutter, den Vater erwähnt er nicht.  Inzwischen sei er obdachlos, sagt er. Er hat aber keinen schlechten Geruch an sich, das Haar ist geschnitten, das Gesicht frisch rasiert und er wirkt nicht schmutzig. Wenigstens kann er sich irgendwo waschen und wohl auch dort schlafen. In Luten sei er schon Jahre nicht mehr gewesen.

Aber dann spricht er begeistert über die großartige Geschichte Londons. Er kennt historische Ereignisse und Persönlichkeiten, liebt die jahrhundertealten Traditionen und ist stolz auf „seine“ Stadt. Er wolle nirgendwo anders leben, sagt er, und sein ganzes Gesicht leuchtet. Schließlich empfiehlt er uns ein paar Clubs in der Umgebung und wir verabschieden uns mit Handschlag. Dabei bittet er um etwas Kleingeld für den Bus. Ich krame ein Pfund aus der Tasche.

Es ist oft nur eine Fügung des Schicksals, auf welcher Seite des Lebens wir landen.

Die City

In der Gegend um die Leadenhall Street findet man die Bauwerke der Londoner Skyline. Das Herz Londons ist ein Moloch aus Glas und Stahl, in dem nur wenige traditionsbehaftete Gebäude überlebt haben. In die Lücken fressen sich Bagger und Bohrer ins Erdreich, neue Büros werden hochgezogen. Man sieht Kräne, Gerüste, Männer zwischen Eisenstangen und Kabelsträngen. London arbeitet. Aber nicht nur auf den Baustellen – in diesem Viertel arbeitet vor allem auch Geld: Wer welches hat, macht hier mehr daraus – wir befinden uns im größten Finanzzentrum der Welt. Auf den Straßen sind überwiegend weiße oder asiatische Menschen unterwegs, sie tragen Anzug oder Business-Kostüm und ein teures Laptopköfferchen. Andere tragen Westen in Signalfarben und Helme. Man tut, was man kann.

 

Das East End von London

Der östliche Teil von London ist eigentlich die Problemzone der Stadt. Hier leben überwiegend Immigranten, doch als Touristen kriegen wir auf unseren Streifzügen nicht mit, dass die britischen „Ureinwohner“ nach und nach verdrängt wurden, ihre Häuser an Wert verloren, die Kriminalitätsrate stieg usw. Was wir sehen, sind unzählige kleine  Buden mit Street Food, Pubs, Läden, Märkte, Top Roofs (Dachgärten mit kleinen Cafes). Auf den Straßen sind vor allem Menschen mit dunkler Hautfarbe unterwegs: Afrikaner, Araber, Asiaten, aus allen Ecken und Enden perlen Leute mit den unterschiedlichsten Wurzeln, die hier miteinander leben.

Unter  der fachkundigen Führung des geliebten Briten hatten wir einen entspannten, sonnigen Tag im multikulturellem London Life.

 

Der kleine Prinz

Das berühmteste Baby unserer Zeit liegt nun in London im güldenen Bettchen des Privatflügels der St.-Mary-Klinik. Kevin I. oder wie immer His Royal Littleness später einmal heißen mag, ist natürlich nicht das erste Königskind, das dort ins Leben gezerrt wurde. Auch die Prinzen William und Harry kamen hier zur Welt, und noch eine weitere Person, die manches Schicksal beeinflusst hat. Vor vielen Jahren nämlich – Katie und Willi flogen noch mit den Mucken rum – bemerkte eine junge Frau namens Lilly im Londoner Stadtteil Islington in der Nacht ein kräftiges Ziehen im Bauch und vermutete richtig, dass das Kind darin sich auf den Weg machte. So tat sie’s ihm denn gleich und ließ sich ins nahe Highgate Hospital bringen. Dort waren jedoch alle Geburtszimmer belegt, und die Abgewiesene fuhr weiter nach Paddington, zur nächsten Klinik, und das war das St. Mary’s Hospital.

Hier ließ man sie ein, wenn auch nicht in die 5000-Pfund-Steuergeld-pro-Nacht-teure Luxus-Suite, sondern in den öffentlichen Bereich. Der ist nicht für Mitglieder des Königshauses, sondern des National Health Services vorgesehen und es gibt keinen Champagner zum Empfang. Aber welche Mutter braucht schon Champagner, wenn sie einem Kind das Leben schenkt? Lilly jedenfalls nicht. Und einige Stunden später begann dort also das Leben des Brian. Des geliebten Briten. König in der eigenen Badewanne. Der Mann, der morgens neben mir aufwacht.

Küchenkünstler

„Oh,“ meinte der Kellner mit den schwarzen Augen, „was drin ist, weiß nur unser Koch.“ Ob es wohl möglich sei, ihn zu fragen, erkundigte ich mich. Ich habe mich nämlich in eine Soße verliebt. Weiß und leicht kam sie daher in einem Schüsselchen, ich schleckte davon und in meinem Mund ging eine Tür auf. Es war, als zeige darin ein himmlisches Wesen aufs Paradies. Verblüfft versuchte ich das Geheimnis des Aromas zu ergründen. War es Ananas? War es Mango?

Der Kellner brachte ein Handy. „Sehen Sie, ein Foto aus der Küche. Hier Joghurt, das Weiße in der Schüssel. Darauf Mango Chutney,“ erläuterte er und strich mit seinem dunklen Finger auf dem Bildschirm herum. „Garam Massala, Zucker, Mint paste…“ Mint! Das war es, worauf ich nicht gekommen war. Ein Hauch Mint fügt sich zusammen mit dem Rest zur kulinarischen Kunst.

Ich gab ein Trinkgeld, da erschien der Koch. Ohne Zweifel war er an unseren Tisch geschickt worden war und wusste nun nicht, wohin er schauen und was er sagen sollte. Dann kam der Manager (soviel Trinkgeld war es wirklich nicht!) und wir plauderten über Bangladesh, der Heimat der meisten Menschen in dieser Gegend. Wir waren die letzten Gäste, die das Lokal verließen, und zum Abschied bekamen wir eine Tüte: Mit der göttlichen Mintsauce!

 

Wer nach London kommt und Lust hat auf nette Menschen und eine unglaubliche Soße:

Saffron Restaurant, 53 Brick Lane, London, E1 6PU

 

Hier das Rezept:

Mango-Mint-Soße

• Yoghurt (ca. 2/3)
• Mango Chutney (ca. 1/3)
• Kashmiri Masala (oder sonst irgendein Masala)
• Mint paste (Das ist ein Problem, ich suche noch danach. Werds mal mit getrocknetem Minz-Gewürz versuchen)
• Zucker
• Zitronensaft (wenig)

In der Ruhe liegt die Kraft

Von den Oberfenstern fließt Licht in den Saal. Besucher schreiten die Wände ab, flüstern, stehen, schauen herum. Jemand hat bunte Quadrate gemalt, mit schwarzen Linien. Das Bild ist so groß wie eine Plastiktüte von Edeka, nur bunter. Ich sitze auf einer Lederbank und schaue es an, weil ich sonst nichts zu tun habe.

Links unten ein schmales Rechteck in gelb. Wie ein Signal, das sich heimlich verdrückt. In der Mitte, tief eingekastelt in schwarzen Geraden, hockt Blau auf einem Sockel – sich selbst und der Welt genug. Darum herum dehnt sich Luft, und Weiß, durch wenige Linien eingeteilt. Da rennt selbst Rot aus dem Bild, links oben, bereit zum Sprung. Die Kraft in der Ruhe gewinnt.

Gesehen im Tate Britain. Letzte Woche.

 

 


Piet Mondrian

Composition C (No.III) with Red, Yellow and Blue  1935

Bilderbuch

Die Wetteraussichten: Bewölkt und zeitweise Regen. Darunter die Skyline von London. Blick vom Observatorium in Greenwich.


Mit einem Fuß im Westen, mit dem andern im Osten: Der Nullmeridian.

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Interessanter war das Museum mit den Nautik-Instrumenten. Wir versuchten mit Becher (=Sonne) und Pappmanschette (=Schiff) nachzuvollziehen, wie man auf See die Position bestimmt. Nord und Süd ist kein Problem, da misst man die Höhe der Sonne zur Mittagszeit. (Vorausgesetzt man hat eine Uhr, die richtig geht, was im Zeitalter der Pendeluhren ein Problem war).

Aber wie ist es mit den Längengraden? Wir fanden nur heraus, wie man die Fahrtrichtung bestimmen kann, aber die Position? Blieb ein Rätsel.

Auch der Engländer neben mir, Nachfahre des größten Seefahrervolks aller Zeiten (O-Ton), gab auf. Aber jetzt haben wir ja wieder Internet, da kann man nachschaun!

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Regent Street, vom Bus aus. Einen Tag später gab es dort Alarm wegen einer Bombenattrappe.

Bomb hoax

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Keep London tidy – sauberes London!

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The World Famous Jellied Eels and Seafood. Mag jemand Aal-Sülze?

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Lieber einen Mantel vom Flohmarkt.

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Der ist von Harrods!
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Tower Bridge

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Ein paar Sachen hab ich mitgebracht, zum Beispiel diese Figur vom Hindu-Tempel in Neasdon.

Ganesa

Für Hindus ist er ein Gott, der Hindernisse aus dem Weg räumt, diese aber auch schafft, wenn er missachtet wird. Er ist der Gott des materiellen Wohlstandes, aber auch der Weisheit. Er ist Gott der Schriftsteller und Poeten, der Kaufleute und Händler.

Rasnadi Guggulu kann man im Tempel auch kaufen, ulkiger Name. Es sind kleine schwarze Kugeln gegen Gelenkschmerzen, mal sehn, ob davon meine Schulter besser wird.

Außerdem erstanden: Blu Tack. Damit klebt England Poster an die Wand, angeblich kann man das hinterher wieder abziehen und es bleiben keine Flecken. Reißnägel sind out, Versuch ists wert. Dann noch vom Flohmarkt einen Strickrundenzähler (wusste nicht, dass es so etwas gibt), Tee von unserem Haus- und Hoflieferanten, Gewürze von einem Minimarkt in der Brick Lane und last but not least:

Keinen Pelz!

Die Mausefalle

Seit 58 Jahren wird in London ein und dasselbe Theaterstück aufgeführt. Da kann es ja nicht schlecht sein, dachten wir, und besorgten Tickets für „The Mousetrap“ von Agatha Christie. Ein Krimi also.

Englischer hätte es nicht werden können: Wir fanden das kleine, hinreißende St. Martin’s Theatre mit weinroten Samtsesseln, Wänden und Ballustraden aus dunklem Teak, die Bühne mit schweren Vorhängen, darüber ein goldenes Wappen und die Miniportion Eiscreme kostet 3 Pfund! Vereinzelte Leuchter sorgten für Dämmerlicht, es war die 24.219. Vorstellung. Arme Schauspieler. Für die kann es ja nicht spannend sein, immer dasselbe zu spielen. Wir dagegen versuchten den Mörder zu erraten, und das Ende war dann doch anders als wir dachten.

Zum Abschluss gehört traditionell die Aufforderung, niemandem draußen die Lösung zu verraten. Alle halten sich daran. Nur nicht Wikipedia. Der ganze Spaß wäre dahin, wenn man nicht aufpasst, Informationen ggf. also erst hinterher dort nachlesen. Jedenfalls: Man versteht die Handlung auch ohne perfekte Englischkenntnisse, und ich kanns nur empfehlen!

Die Insel in Neasden

Wie eine Tropfsteinhöhle, dachte ich im ersten Augenblick. Aber heller, wärmer, duftender. Säulen wachsen aus dem Boden und Bögen aus den Decken, alles italienischer Marmor. In die Oberflächen sind Tausende Blüten, Ornamente und Motive gehauen, ich taste mit den Fingern darüber. Marmortänzerinnen beobachten uns von oben aus der Kuppel. Im Hintergrund Sitar- und Glockenklänge, ansonsten wird nur geflüstert, am besten gar nicht geredet.

Niemand trägt Schuhe, auch wir haben unsere am Eingang gelassen. Etwa zwanzig Leute haben sich eingefunden, Inder dem Aussehen nach, wir sind die einzigen Europäer. Manche sitzen auf dem Boden und meditieren, andere verneigen sich vor lebensgroßen bunten Skulpturen, jemand liegt vor einer der Gottheiten auf dem Boden. Ich betrachte lange eine Figur mit Elefantenrüssel und dickem Bauch. Seine Energie hilft, Hindernisse zu überwinden. „Wir brauchen Götter als eine Art Halteseil, um über uns selbst hinauszugelangen“, erklärt ein freundlicher Mann, den wir zufällig kennen gelernt haben. „Frieden findet man bei keinem Gott. Wir finden ihn nur in uns selbst.“ Ein bisschen davon darf ich mitnehmen.

Ein Hindu-Tempel in London 

Der Tempel ist einer der größten außerhalb Indiens. Er enthält kein einziges Stückchen Stahl, es würde die Energien stören. Das Bauwerk wurde in Indien angefertigt und dann nach London gebracht. Hier wurde es wie ein Puzzle zusammen gesetzt.

Eitsch Pi und Milchpokal

„Fries or Curry Fries? “ „Curry Fries, please.” Der Bartender blickt mich nun an, als wäre ich eine Wahrsagerin und hätte ihm soeben dreizehn Kinder prophezeit. „Curly Fries,“ hilft der Liebste, „do you want  Curly Fries?“ Lockige Fritten? Auch recht. Wir stehen an der Bar, in englischen Pubs bestellt man dort Essen und Getränke und bezahlt auch gleich, dann sucht man mit dem Bierglas in der Hand einen Tisch. Dort stoßen wir an mit „London Pride“, frisch gezapft aus einem der zahlreichen Hahnen, sieht aus wie Apfelsaftschorle und schmeckt ein bisschen wie Bier.

In mehreren Flachbildschirmen an der Wand läuft Fußball. Arsenal gegen Ipswich, es geht um den Carling-Cup. Das ist ein Bier. Es gibt auch den Barclay Card Cup, oder den Milk Cup, je nach Sponsoren. Wir sind natürlich für Arsenal, wie jeder Londoner. Ipswich hat jetzt ein Tor geschossen. Keine Reaktion der überwiegend männlichen Gäste. Der Liebste schimpft.

Wandverkleidungen, Tische und Theke sind hier wie überall aus dunklem Holz, man denkt, man betritt eine Höhle. Teak wurde in Kolonialzeiten beliebt und prägt dieses Land bis heute. Ein Mädchen bringt nun unsere Teller, für mich Barbecued Chicken, Erbsen und Schweineschwänzchen. So sehen die Fritten jedenfalls aus. Dazu einen Korb voll Plastikflaschen mit Soßen wie z.B. die extrem englische HP Sauce (Eitsch Pi Soß). Aber die mag ich nicht, schmeckt wie kalte Bratensoße, ich nehme Ketchup. Nicht was ich zu Hause essen würde, aber leicht und vitaminreich koche ich das ganze Jahr. Jetzt sind wir in England, im Pub.

Grennitsch

Dass man sich in Greenwich* mit dem linken Fuß in der britischen und mit dem rechten Fuß in der kontinentalen Zeitzone befinden kann, liest man in Reiseführern immer wieder. Das ist natürlich Quatsch, wie soll denn das gehen? Egal wie oft ich über die Linie des Längengrads Null hüpfe: es bleibt immer halb eins.

Was stimmt ist, dass man mit der Linie zwischen den Füßen halb im Osten, halb im Westen steht. Satelliten haben zwar errechnet, dass der Nullmeridian tatsächlich etwa 100 m weiter drüben im Park durchgeht, aber da sind die Engländer nicht so kleinlich. Touristen werden weiterhin an die ursprünglich errechnete Linie geführt. Sie verläuft für alle sichtbar in Messing auf dem Boden des Königlichen Oberservatoriums, von einem kleinen Vorplatz direkt ins Gebäude unter einen riesigen Laser, der sie nachts am Himmel zeigt.

Die Bedeutung des Ortes kommt mir nicht recht zu Bewusstsein, es ist zu stürmisch. Wir stellen uns hinter ein paar Touristen an und machen un-originelle Bilder, mit zerzausten Haaren über der Linie stehend. Um diese Zeit des Jahres ist nicht viel los hier. Kleine Gruppen in bunten Jacken stehen herum, spanisch sprechend oder sonstwie. Eine Schulklasse stürmt die drei Fernrohre am Rand des Platzes, kleine Jungs in Anzügen und mit Nike-Rucksäcken. Eine Frau zeigt mit dem Finger auf jedes Kind und bewegt leise die Lippen. Schließlich hört sie auf damit, alle da. Sie schauen jetzt den Hügel hinunter in die Ferne, auf die riesige Silhouette Londons.

 

 

*Greenwich, ein Stadtteil von London, spricht sich als Grennitsch aus nach dem sächsischen Wort Grenevic = grünes Dorf. Hier wurden wichtige astronomische Erkenntnisse für die Seefahrt entwickelt.

 

Nach dem Sprung

Ratlos stehen wir vor der Anzeigentafel: Unser Bus fehlt. In zehn Minuten fährt er ab, der nächste kommt … irgendwann, und wir entdecken keine Linie, die uns auch nur in die grobe Richtung bringt. Der Flughafen ist groß, gibt es noch einen anderen Busbahnhof? Haben wir falsch reserviert? Wir hasten in ein Ticket Office in der Nähe der Haltestellen, winken mit dem Ausdruck unserer online-Buchung, Liverpool Street! Wo ist der Bus? Der Mann am Schalter lehnt sich zurück, studiert das Blatt, kratzt sich am Kopf.
„Ah,“ meint er endlich, „I see. Gate 6.“
„It’s not on the board!“
Freundlich lächelt er uns an.
„The board is rubbish.”

Wir rennen zur Haltestelle 6 und erwischen unseren Bus. Gerade noch.

Welcome in Britain!

Gegenverkehr

Jeder kennt das: Ein Passant kommt einem entgegen, man weicht aus, der andere  auch, beide wählen dieselbe Seite. Die Erschrockenen bleiben abrupt stehen, versuchen zu erahnen, wohin sich das Gegenüber wenden wird und womöglich versuchen dann beide, noch einmal auf derselben Seite zu entkommen. Vielleicht sogar gemeinsam wieder zurück, so dass es aussieht, als ob man den andern am Weitergehen hindern wollte. Das Ende ist oft ein Lachen, wie es einem Fremden normalerweise nicht zustünde, und eine Geste, in welche Richtung man selbst weiterzugehen gedenkt.

Warum passierte mir das letzte Woche in London so oft? Ich vermute das unterschiedliche Verkehrssystem war schuld. Wäre ich nämlich ein Auto und ein anderes begegnete mir in der Straßenmitte – ich würde nach rechts ausweichen. Wäre der entgegenkommende Passant aber ein englisches Auto, dann würde er – aus seiner Sicht – nach links ausweichen, was aus meiner Sicht rechts ist. D.h. wir weichen beide auf dieselbe Seite aus und daran muss es gelegen haben. Allerdings ordnen sich Engländer auf Rolltreppen rechts ein, so ganz versteh ichs nicht. Vielleicht war es einfach nur Zufall oder ich war von der Hitze ein bisschen dippelig.