Neulich in London: Der Neffe des geliebten Briten heiratet – nach Hindu-Tradition. Er ist zwar ein waschechter Engländer und auch die Braut ist hier geboren. Ihre Eltern aber stammen aus Indien, wenngleich auch sie wahrscheinlich in England aufgewachsen sind.
Dennoch ist die Identifikation mit ihren Wurzeln ausgeprägt. Die Familie der Braut erscheint überwiegend in Sari und Sherwani, es ist eine leuchtend-bunte Hochzeitsgesellschaft. Auf der Seite des Bräutigams wiederum zieren Damenhüte die Festgemeinde, very British.
Durch die einzelnen religiösen Etappen führt ein Hindu-Priester, der zwischendurch Späßchen macht und die Leute fröhlich bei Laune hält. Gelegentlich erklingt Bollywood-Musik und man denkt, gleich kommt eine glücklich lächelnde, augenrollende und kopfwackelnde Tänzerin hereingeweht.
Die sieben Eheschwüre sind der Höhepunkt der stundenlangen hinduistischen Zeremonien. Da jeder Gast eine Karte mit Erläuterungen erhielt, kann ich sie hier wiedergeben, nur mal so zur Inspiration:
- Gemeinsam schöpfen wir Kraft für unsere Aufgaben im Eheleben.
- Gemeinsam füllen wir unsere Herzen mit Stärke und Mut für die Erfordernisse des täglichen Lebens.
- Gemeinsam sind wir erfolgreich, teilen weltliche Güter und sorgen für Wohlstand in unserer Familie.
- Gemeinsam sind wir füreinander da in Krankheit und Gesundheit, im Glück und im Leid.
- Gemeinsam ziehen wir starke, rechtschaffene und liebende Kinder groß.
- Gemeinsam füllen wir unsere Herzen mit Freude, Frieden, Glück und spirituellen Werten.
- Gemeinsam wollen wir unser ganzes Leben verbringen.
Das katholische Eheversprechen im Vergleich dazu:
Ich nehme Dich an als meine Frau/meinen Mann.
Ich verspreche Dir Treue in guten und in schlechten Tagen,
in Gesundheit und Krankheit, bis dass der Tod uns scheidet.
Ich will Dich lieben, achten und ehren alle Tage meines Lebens.
Trage diesen Ring als Zeichen unserer Liebe und Treue.
Im Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes, Amen.
Was fällt uns auf?
In der hinduistischen Version kommt das Wort Liebe nicht vor (schon gar nicht jeden Tag) und auch der Begriff Treue fehlt. Es wird vielmehr das Fundament gesetzt für ein gemeinsames Leben, in dem Liebe, Treue und Vertrauen gedeihen können. Aber nicht müssen.
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