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(Gute-)Nacht-Geschichte

Während der Fahrt konnte ich nicht sprechen. Ich saß auf dem Beifahrersitz eines Porsche, draußen schossen Lichter vorbei und ich fragte mich, wieso keine Tränen kamen. Es war fast, als wäre nichts geschehen. Dann stiegen wir aus, betraten das Gotteshaus, inmitten von Blumen und Kränzen, schmal, kostbar, weiß eingebettet wie in einem Karton lag er da. Ich berührte die Wange, Haut wie Papier, nun wurde es ernst. Der Abschied kam und ich begann mit dem Weinen, schluchzte, als befände ich mich in einem Theaterstück und müsse auch in den hinteren Plätzen noch vernehmbar sein. Die Kirche war gut gefüllt, sollten die Gottesdienstbesucher mich ruhig hören.

In der zweiten Reihe entdeckte ich einen freien Platz und warf meine Tasche in die Lücke, damit niemand anders kam. Vorne zu sitzen stand mir wohl zu bei dem Schmerz. Ich zwängte mich umständlich an ein paar Leuten vorbei, sank auf die Bank und plärrte weiter. Die Trauerfeier sollte jeden Moment beginnen. Ich zog ein Taschentuch aus dem Ärmel und putzte meine Nase so laut, dass die Frau neben mir erschrak. Ich schaute angelegentlich nach vorne, am Altar tat sich nichts, wir warteten auf den Priester und ich dachte: „Nachher geh ich aber eine rauchen.“

Nein nein. Niemand ist gestorben. Nur heute Nacht in meinen Träumen schuf sich mein Unterbewusstsein einen absurden Grund, um wieder an eine Zigarette zu kommen. Heute bin ich seit vier Wochen Nichtraucherin. Tolle Leistung, finde ich. 😉

Nicht lustig

Protokolle soll man schreiben. Das hilft, sagte der Experte. In einer Talkshow sprach er zu Essgestörten, die festhalten sollen, was sie so knabbern den ganzen Tag. Ich dachte: Das ist eine gute Idee. Dann stellt sich heraus, dass ich mitnichten mehr esse als vor meinem Nichtraucherdasein, dass zwei Kilo völlig aus dem Blauen heraus direkt auf meinen Hüften landeten, ein Phänomen. Die Tabelle, die ich erstellen würde, hatte ich auch schon im Kopf: Was esse ich, wann, wieviel, und warum?

Beim warum blieb ich hängen. Auch ohne Protokoll entdeckte ich schnell, dass ich die Nase selbst dann in den Kühlschrank stecke, wenn ich gar keinen Hunger habe. Zum Beispiel wenn Zeit ist fürs Abendbrot und ich zwar nicht hungrig bin – das Nachmittags-Bounty verhindert das – , aber trotzdem an der Folie des Pfeffer-Bries zupfe und in ein frisches Butterbrot beiße. Einfach weil ich Lust dazu habe, wie ich vorher Lust hatte zu rauchen. Lust auf Lust eben. Und wie das schmeckt! Ich hatte schon befürchtet, meine Geschmacksknöspchen hätten sich verabschiedet für dieses Leben, aber es gibt sie noch. Die dicken Verschorfungen, die giftiger Qualm angerichtet hat, werden wieder dünner

Also doch überflüssige Kalorien. Würde ich nur essen, wenn ich Hunger habe, wären sie leicht eingespart. Was aber ersetzt das Essen? Was ersetzt Zigaretten, was ersetzt lustvolle Pausen? Ich kann doch nicht anfangen, im Stundentakt über den Liebsten herzufallen, schon weil er nicht immer anwesend ist. Und wäre auch zu aufwendig, hab mir dass bereits überlegt, das ist es nicht, was ich meine.

Wie machen Nichtraucher das nur? Womit verlustiert ihr euch?

Schwere Zeiten

Ist es nicht genug, das Rauchen aufzugeben? Aber nein, eine finstere Macht hat es darauf abgesehen, uns armen Würmchen auch sonst jede Freude fortzunehmen und daher mit Absicht die Anzeige der Personenwaage nach oben springen lassen. Der Geschwächte muss nun nach dem Nikotinentzug auch noch mit dem Schlecken aufhören. Oder mit Kartoffelchips, dem Nachschlag der Kässpätzle oder was sich sonst als Ersatz für psychische Stabilisierung in den Mund schieben lässt. Dabei stimmt es gar nicht, dass ich mehr esse. Vielleicht glegentlich ein Kitkat Chunky oder ein Bounty, von mir aus, na gut jeden Tag ein Riegel. Und? Ist es ein Verbrechen? Soll es nichts mehr geben zum Aufheitern den lieben langen Tag? Eben. Und bis vor kurzem hätte das mein Gewicht auch unbeeindruckt gelassen.

Ich glaube, mir fehlt Adrenalin. Nikotin sorgt bestimmt für Stress im Körper, jedenfalls wurde ich immer ein bisschen hibbelig nach dem Rauchen und wenn ichs mir recht überlege: vor dem Rauchen auch. So kam es vielleicht, dass Kalorien in meiner aufgewühlten Blutbahn immerzu weiter gestrudelt wurden und wenig Chancen zum Ansetzen hatten. Aber jetzt – schwappen sie träg auf meine Hüften, legen sich schlafen und wollen nie wieder weg.  Bestimmt werden Kalorien, die in feine Ritzen und Falten gespült und vom reißenden Strom vergessen worden waren, nun von den friedlichen Bächlein in meinen Blutgefäßen aufgespürt und eingesammelt und zu all den andern Speckgewordenen auf die Hüften bugsiert. So lege ich an Gewicht zu, auch wenn ich gar nichts esse. Wenn ich an Gulasch nur denke. Oder an Bratkartoffeln. Wahrscheinlich nehme ich jetzt, da ich diesen Artikel verfasse, gerade ein halbes Pfund zu. Drum hör ich jetzt auf.

Die weiteren Aussichten: Wolkenlos

Auf dem Weg zum Supermarkt stehe ich an einer Ampel, die Straße verläuft mehrspurig. Neben mir hält ein roter Golf. Sein Fenster ist ein Stück heruntergelassen trotz starrem Frost, der Häuser und Bäume dick eingezuckert hat. Ein Mann um die Vierzig sitzt am Steuer des Wagens und zieht an einer Zigarette. Ja und? Denkt er sich wohl oder denkt sich gar nichts, Winterluft ist nun einmal kalt. Und wer die Qualmwolke im Fahrzeug nicht einschließen und sich tränenden Augen holen will, muss offene Fenster ertragen.

Die Ampel springt auf Grün, der Mann neben mir fährt an und ich überlege, ob ich ihn beneide. Überall sehe ich diese Menschen und unterstelle ihnen, dass sie sich um nichts Gedanken machen, sondern einfach an ihren Zigaretten nuckeln und dann denke ich: Wieso können die das und ich nicht? Immer begleiteten mich Selbstvorwürfe. Die Gesundheit, das Geld, und überhaupt. Lustvolles Rauchen funktioniert nur dann, wenn es schmeckt, der Gesundheit nicht schadet und das Geld egal ist, also ab dem zweiten oder dritten Glas Wein. Ansonsten bleibt es ein Traum.

Jedenfalls hab ichs warm in meinem Auto und es stinkt nichts außer die Heizung ein bisschen. In dem Alter darf sie das.

Zweieinhalb Wochen – ich bin frei!

Die Viertelbelohnung

Heute habe ich eine viertel Zigarre geraucht. Schmeckte toll. Mild und auf den Lippen zuckrig. Meine Tochter schenkte sie mir zum letzten (oder vorletzten?) Geburtstag, aber niemand hat sie geraucht mit mir. Inzwischen habe ich das Rauchen sowieso aufgegeben.

Und heute zündete ich sie an. Nach der Arbeit setzte ich mich in die Dunkelheit auf dem Balkon und zog daran. Die ersten Rauchkringel trugen etwas vom Tag in die Nacht. Komplizierte Kunden, Zeitdruck, Übersetzersuche in exotische Sprachen für riesige Textmengen in wenigen Tagen. Nochmal ziehn – und wieder löst sich etwas auf. PAFF.

Ein paar Sterne schauen mir zu und den weißen Schwaden, die übers Geländer kriechen. Es gefällt mir immer besser. Ich betrachte die geschlossenen gelben Köpfchen der Strohblumen auf dem Tisch. Beim Nachbarn geht Licht an. Ausatmen, noch ein Wölkchen. Alles löst sich und vergeht. Irgendwo quietscht ein Garagentor, ein Motor wird angelassen, das Geräusch eines sich entfernenden Fahrzeugs. Stöckelschuhe kommen näher, Rufen, Lachen, Menschen, die keine Sorgen haben. Nicht in diesem Augenblick. Ein Viertel der Zigarre ist geraucht, ein Zug noch.

Dann drücke ich sie vorsichtig aus. Man muss sich mal etwas Gutes tun. Eine Viertelstunde lang nicht nachdenken, nur Rauchkringeln hinterher schauen. Deshalb fang ich ja nicht das Rauchen wieder an. Eine Zigarre ist wie ein Joint. Das gilt nicht.

1. August: Seit zwei Monaten frei!

Die Gier zu beherrschen, ist keine Kunst, wenn man ein paar Wochen lang nicht geraucht hat. Die Gier ist weg. Aber die Sucht nach sich-belohnen, sich-trösten, die Fünf gerade sein lassen – die schleicht viel langsamer aus. Fatal ist dann das, was viele Raucher kennen: „Ich habs geschafft Schluss zu machen damit. Eine einzige Zigarette ab und an schadet also nicht. Zum Beispiel jetzt?“

Das lohnt sich nicht, denn wer „Endlich Nichtraucher“ gelesen hat, weiß: der eigentliche Genuss ist nicht die Zigarette. Was richtig gut tut, ist das Lindern der Entzugserscheinungen seit der letzten Nikotinzufuhr. Da liegt der Schluss nahe, dass eine einzelne Zigarette dann gar nicht schmecken kann, was sich im Testfall auch immer bestätigt. Es ist allenfalls die dritte oder vierte, die den Erwartungen entspricht, wenn man also wieder drauf ist. Schnell genug geht das ja.

Man sucht besser nach anderen Quellen, sich etwas ganz Gutes zu tun, und – so doof es klingt – bei mir sind es die Radtouren ins Büro geworden. Täglich 10 km hin und 10 zurück. Es gibt so viel zu sehen und zu riechen und Gedankenanstöße, da hält keine Zigarette mit, und der Effekt hält eine ganze Weile vor.

Blöd nur, dass ich während des Tages nicht aussteigen kann. Da möcht ich schon manchmal davon radeln…

Auszeitlos

Da es sonst niemand tut, lobe ich mich selbst: Eine ganze Woche ohne Tabakqualm liegt hinter mir! Der Entzug manifestierte sich nur in anhaltend schlechter Laune, und das konnte in den ersten Tagen vom dauerverregneten Juni-Beginn herrühren. Seit dem Sommereinbruch vor drei Tagen wurde es allerdings kaum besser, dabei quält mich kein Druck, eine Zigarette haben zu müssen. Was mir fehlt, sind die Inseln. Aus meinen überfrachteten Alltagen hatte ich wenigstens minutenlang dorthin flüchten können, eine Rauchpause ist eben eine Pause, ein zeitlich begrenztes Innehalten, ein Bremsmanöver mit Haltegriff, eine Art (absurder geht’s nicht) Luftholen.

Nun renne ich unterbrechungslos von Hektik und Druck bei der Arbeit zur alten Wohnung meiner Mutter, zu Restmöbel-Entsorgung, Renovierungsbedarf und Mieteransprüche sowie zu Schriftkram und Erledigungen in ihrer neuen Wohnung. Selbst wenn ich ein paar Minuten lang in der Sonne stehe zur Mittagszeit oder am Abend – ich weiß nicht, was ich dort anfangen soll. Ich komme nicht runter. Es gibt keinen Ersatz.

Beim Verlassen des Raucherabteils

Es war nicht mein Entschluss. Es geschah fast ohne mein Zutun, und zwar am 1. Juni 2009, als ich nach etlichen rauchfreien Jahren wieder damit anfing. Wir waren gerade aus dem Auto gestiegen und standen auf dem Parkplatz einer Klinik, meine Tochter, ihr Vater und ich. Er zündete eine Zigarette an und erstaunt hörte ich meine eigene Stimme, die darum bat, auch eine zu bekommen. Rauchend traten wir dann langsam auf das Gebäude zu, um unseren Jungen zu sehen.

Ein Jahr lang habe ich mich festgehalten an Zigaretten. Sie haben mich beruhigt, getröstet, für kleine Unterbrechungen gesorgt. Doch bleibt es bei mir nicht bei denen, die ich rauchen will. Es kommen noch jene dazu, die ich rauchen muss, obwohl sie nicht schmecken. Die am frühen Morgen zum Beispiel. Oder wenn eh schon zu viele im Aschenbecher liegen. Oder während der Arbeit die verstohlenen Züge hinterm Haus. Könnte ich nur gelegentlich rauchen – ich würde nie aufhören damit. Doch mit der Marlboro-Schachtel in der Tasche gibt es für mich keine Ruhe, und allmählich langte ich wieder richtig zu.

Schluss damit.

Meine Gründe fürs Rauchen sind fadenscheinig  geworden. Seit dem 1. Juni, seit zwei Tagen also, fasse ich keine Zigarette mehr an. Und dabei bleibts.