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Beweglich bleiben

Zum Glück war mir aufgefallen, dass die Luftpumpe noch im Wagen lag. Ich schloss den Kofferraum wieder auf, schob Sachen in einem Korb hin und her und fischte das Utensil heraus. Dann griff ich nach dem Autoschlüssel, den ich hineingeworfen hatte und schlug die Heckklappe wieder zu. In den Händen hielt ich nun die Luftpumpe und – den Hausschlüssel. Das Auto: verschlossen. Der Autoschlüssel: Im Korb. Wir: In Tägerwilen. In der Schweiz. So fing es an.

Vier Leute fröstelten ratlos in der Morgenkälte herum, während Hunderte von anderen Radfahrern wie die Bienen von dem Posten hier ausschwärmten. Schließlich starteten auch wir (mit mehr Adrenalin im Blut als erwartet) zu unserem 80-km-Bodensee-Radmarathon, und zum Glück hatten wir die Pumpe. Auf halber Strecke nämlich hatte einer unserer Mitradler eine Reifenpanne. Nur ich fuhr wie er ein Mountainbike und kein Rennrad wie die meisten Teilnehmer. Und nur ich hatte den passenden Ersatzschlauch im Satteltäschchen UND die passende Luftpumpe! Erleichtert und mit fröhlichem Lachen wurde das Rad wieder in Gang gebracht, und bei herrlichem Spätsommerwetter konnten wir den Bodensee mit seinen idyllischen Ausblicken und einladenden Dörfern weiter genießen.

Zurück am Ausgangspunkt rief ich dann eine Nummer an, und eine halbe Stunde später bog ein gelber Wagen in den Parkplatz ein. Ein freundlicher Schweizer stieg aus und brachte einen flachen Kochlöffel, ein aufpumpbares Luftkissen und ein Plastikband mit. In weniger als einer Minute öffnete er damit meinen Toyota. Nicht gerade vertrauensstiftend, aber wer klaut schon eine 20 Jahre alte Karre? Weiß ja niemand, dass die läuft wie ein “Örgele” und kaum Reparaturen braucht. An dieser Stelle will ich jedenfalls heftig werben für den ADAC, der auch grenzübergreifend rettet, und zwar ohne Zusatzkosten.

So war es also ein toller Tag: Mal wieder rausgekommen und Problemchen gehabt, die sich lösen ließen!

 


 

Bronze!

Am Wegrand

Die schweren Planen auf den langen Reihen angehäufter Erde werden gerade zurückgeschlagen, als ich am frühen Morgen vorbeiradle. Aus den Hügeln blinzeln vereinzelt weiße Spitzen. Spargelspitzen. Arbeiter schlagen überkreuzt auf ihre Oberarme, um sich zu wärmen, und fangen dann an, die bleichen Triebe aus dem Boden zu stechen.

Als nächstes kommen die Erdbeerfelder. Auch auf ihnen glitzern Plastikfolien in der frühen Sonne, dünn wie Seide. Wenn der Wind drüber bläst, entstehen Wellen wie auf einem See. Ein Erdbeerfeldsee.

Und schließlich, kurz vor der Ankunft in der Firma, die fetten Wiesen. Hierher ist der Storch zum Frühstück gekommen. Seine Frau blieb im Nest, die Eier wärmen. Ihr Mann wird ihr etwas bringen. Country McSchneck oder so.

Der Gewinner steht fest!

Zu unserem Hausrat gehört seit kurzem eine Silbermedaille. Diese Trophäe erhielt mein Liebster letzte Woche, als er nach 150 km mit dem Fahrrad in die Zielstation eingefahren war – mit empor gereckten Armen und einem Lächeln im Gesicht. Ich war fassungslos.  Ich ahnte ja nicht, dass er das kann! Freihändig Fahrradfahren, meine ich. Schon als Kind schaute ich neidisch hinterher, wenn jemand auf dem Rad lässig die Arme hängen ließ und dabei womöglich noch in die Pedale trat. Ich hab mich das nie getraut.

Erst als die Vierzig weit überschritten waren  –  zu der Zeit radelte ich abends nach der Arbeit auf Feld- und Waldwegen herum – begannen einmal Selbstversuche. Ich eierte erbärmlich von einer Seite des Wegs zur andern, aber ich gab nicht auf. Ein, zwei Meter schaffte ich, bevor mein Rad wegschlingerte, ich bemühte mich sehr, doch den Trick fand ich nicht heraus. Plötzlich hörte ich etwas hinter mir, eine Klingel. Ich sah mich um, ein Mann folgte mir auf dem Fahrrad und musterte mich. Er meinte: „Seit Minuten versuche ich, an Ihnen vorbeizukommen, könnten Sie vielleicht einen Augenblick stehen bleiben?“

Da glitt er hin, mein Schatz, mit erhobenen Armen, als ob es nichts wäre. Wie cool das aussieht. Ich hätte ihn natürlich auch genommen, wenn er überhaupt nicht Radfahren könnte, aber nun kann er es eben. Und zwar freihändig, was ich nicht einmal wusste …


Bodensee-Marathon

Rahmengedanken

Jeden Morgen gebe ich acht, die dicken schwarzen Käfer nicht zu überfahren. Sie krabbeln auf dem Radweg hin und her dort, wo er einerseits an einer Straße, andererseits an einem Maisfeld vorbei führt. Sonst sehe ich sie nirgendwo und ich frage mich immer, was die Attraktion sein könnte für die Tierchen. Gibt es Maiskäfer? Warum sind sie dann nicht im Feld?

Die Hitze liegt über dem Boden und riecht nach Kräutern und Heu, wenn sie beim Durchradeln aufstiebt. Bäume dagegen wehen kühl den Schweiß von der Haut. Deshalb fahre ich heute am Abend den Weg auf der anderen Straßenseite zurück, da ist es schattiger, und ich staune nicht schlecht: Dort, wo der Hain endet und die Sonne wieder übernimmt, sehe ich auf dem Boden mir bekannte schwarze dicke Käfer. Dabei gibt es hier kein Maisfeld, nur Wiese. Ich schaue über ein paar Büsche hinweg über die Straße – und auf der anderen Seite liegt das Maisfeld. Wer wandert hier wohin? Wandern sie überhaupt? Was lockt die Käfer an diese Stelle links und rechts einer stark befahrenen Straße?

Es ist gut, über solche Dinge nachzudenken. Sonst gäbe es ja nur Aufträge, Checklisten und Zeitdruck, ein Hecheln und Keuchen den ganzen Tag.

Fit wie Lumpi – das Komplettset

Ich will meine Kondition zurück. Früher hatte ich sie, so lange ist das noch gar nicht her. Aber in diesen Tagen strengen mich die einsamen und freudlosen Joggingrunden durch Wohnsiedlungen an. Deshalb – neuer Versuch – fahre ich seit kurzem mit dem Fahrrad zur Arbeit. 10 flache km.

Viele Menschen radeln mit mir denselben Weg oder sie kommen entgegen. In freundliche und verschlafene Gesichter blicke ich, manch eines lächelt mir zu. Ich atme die Frische des Morgens ein. Entlang einiger Sträucher mit unscheinbaren weißen Blütendolden fahre ich durch schweren, fruchtigen Duft. Abends pustet mir die Hitze ins Gesicht, sie fegt über Straßen und Felder, seit Tagen haben wir Sonne und Wind wie an der Küste. Anders als dort schimmern bei uns aber aufgeworfene Erdschollen feucht und dunkelbraun. Mächtige Bäume schunkeln im Takt der Böen, die durch ihr schweres Laub brausen.

Entlang der Spargelfelder mit ihren langen Reihen angehäufter Erde verliere ich meine Rastlosigkeit. Zwischen bunt gekleideten Arbeitern auf  Erdbeerfeldern verpuffen all die Befürchtungen, Griesgrämigkeit versickert auf satten Viehweiden und Radwegen mit Menschen, die mir ein Lächeln schenken. Außer Atem und völlig entspannt komme ich nach 40 Minuten an.

Das ist es, was ich im Moment brauche.