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Energierückgewinnung

Einem Menschen über lange Zeit beim Loslassen des Lebens zusehen zu müssen, ist keine einfache Sache. Erst recht nicht, wenn es die Mutter ist mit all den Geschichten, die verbinden oder auch nicht. Wie viel Energie dabei auf der Strecke blieb, merke ich erst jetzt, wo ich sie wieder für mich selbst behalten darf.

Sichtbares Ergebnis dieser Entwicklung ist, dass ich trotz Jobverlust, Wohnungswechsel und Zukunftsangst rauchfrei geblieben bin. Drei Monate sind es heute. Davor hatte es schon genügt, dass meine Mutter wieder einmal ins Krankenhaus musste und ich mit dem ganzen Brimborium dastand und gleich wusste, was auf mich zukam. In solchen Fällen (zum Beispiel) habe ich halt immer ein Schächtelchen Trost aus dem Automaten gezogen, auch wenn ich das Rauchen eigentlich aufgegeben hatte.

Aber jetzt – fließt es wieder. Ich fühle mich leicht und zuversichtlich, Nikotin brauche ich nicht. Heute habe ich Herbstastern zu ihrem Grab gebracht. Uns geht es gut.

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Etappensieg

Hallo Nachbarn, seht ihr, wie ich nicht draußen steh? Seht ihr, wie ich nicht rauche? Vier Wochen habe ich es heute geschafft. Es ist immer noch ein Suchen nach Trost spendenden Alternativen, die nicht aus Essen oder Alkohol bestehen, viel bleibt da nicht. Nur meine Fantasie. Wenn ihr wüsstet, was für einen unsäglichen Mist ich derzeit in mein kleines Fahrtenbuch schreibe. Da geht es um das Entfliehen von einer Insel mit giftigen Dämpfen, angeketteten Kreaturen und hohen Steuern, aber auch um ein kleines Boot auf dem glitzerblauen, sauberen Meer der unendlichen Freiheit, in dem ich gegen heulende Stürme, üble Wellen und gefährliche Strömungen kämpfe. In dem ich aber auch immer häufiger blühende Inseln finde mit gesunden, lachenden Menschen, die mühelos Fußball spielen oder einen Hügel hinaufrennen können. Wenn ich sowas von jemand anderem lesen müsste, würde ich es anzünden, als Brandbeschleuniger bei der nächsten Grillparty zum Beispiel.

Aber es funktioniert. Es sind Szenen, die sich tief in mir drinnen abspielen, starke Bilder gegen schwache Momente. Ich habe seither keine Zigaretten mehr angerührt und sie fehlen mir (fast) nicht. Ein paar dieser hanebüchenen Geschichten brauche ich aber noch. Zum Glück liest das keiner.

Neues aus der Nichtraucherzone

Zwei Wochen geschafft. Es ist, als wäre ein Schalter umgelegt, ich wünsche mir keine Zigaretten mehr. Was ich mir wünsche, ist immer noch ein Ersatz für die Verschnaufpausen.  Auf jede einzelne hatte ich mich gefreut, und das war natürlich die Sucht. Ich litt ja auch, wenn diese Halbzeiten verhindert wurden, oder wenn ich auf dem Balkon draußen fror, oder wenn beißendes Lucky Strike Aroma hinter mir her stank. Trotzdem. Die Gier war groß genug, dass ich auch oder gerade im größten Stress eine Unterbrechung zuließ und für ein paar Minuten rausging: Dampf ablassen, im buchstäblichen Sinn, praktisch auf Knopfdruck. Nichts anderes ist stark genug, dass man sich vom überfüllten Schreibtisch erheben würde, da mögen Jojo, Sudoku und Schaukel noch so verlocken. Man vergisst es einfach im Trubel.

Pausenfüller

Als ehemalige Stressraucherin bin ich an viele kleinen Pausen gewöhnt. Die frischgebackene Nichtraucherin, die hier schreibt, will darauf nicht verzichten, doch womit nun die Tageslücken füllen? Nein, nicht Yoga, Fachzeitschriften lesen oder sonstwas Vernünftiges und Gesundes. Lieber was Unnützes. Etwas, das nur dem einen Zweck dient, Spaß zu machen. Was könnte mich also ablenken? Es ist nicht so leicht zu beantworten wie eine Zigarette anzuzünden. Da fühlt es sich – kaum dass der Nikotinnachschub in die Gänge kommt – augenblicklich angenehm an innendrin, wie der Einschaltknopf des Fernsehers: Schnell, simpel,  Vorabendprogramm. Dazu gehört keine Beschäftigung mit mir. Das läuft von selbst.

Während ich mit den Fingern auf der Schreibtischplatte herumreibe – es will mir nichts Gescheites einfallen – stellt sich eine andere Frage:  Wieviel Zeit nehme ich mir, meine Wünsche aufzuspüren? Tiefer: Wieviel Zeit bin ich mir wert? Was bin ich mir wert? Ohgottle. Jetzt werd ich umgegraben von Gedanken, und  wollte doch nur Pausenfüller finden. Ein paar Minuten lang puzzeln zum Beispiel oder an einem Sudoku weiterknobeln. Aber da könnt ich nicht nach fünf Minuten wieder aufhören.

Den Volltreffer suche ich noch und bis dahin geh ich immer wieder ans Fenster und schau raus. Ein kleines Gemälde wär auch interessant, entstanden in zahlreichen 5-Minuten-Etäppchen. Ich bleib dran, soviel Zeit muss sein. Könnte auch Socken stricken, oder eine Mütze. Lacht nur! Irgendeine Schwäche braucht schließlich jeder.

Und überhaupt: 10 Tage rauchfrei! So kampflos gings noch nie, kann es mir selbst nicht erklären.

Mußeminuten

Nach einer Woche fing ich sonst meist schon an, von einer Zigarette zu träumen. Nur eine natürlich, und nur gelegentlich, die kleine Pause, ach, jetzt raus dürfen, schau! Vöglein hüpfen vorm Fenster umher, ein verirrter Sonnenstrahl lockt ins Freie, dürre Blättlein am Balkongesträuch winken … Nix. Diesmal nicht. Ich denk gar nicht dran.

Nichtraucher sind gesund, haben es warm, riechen sauber, sie achten auf sich, sie sind frei. Raucher sind selbstzerstörerisch. Diese Mantras hab ich mir alle auf dem Balkon ausgedacht, und hüpfende Vöglein oder gar Sonne hab ich da nicht entdeckt.

Zigarettenpausen bestehen aber nicht nur aus Zigaretten, sondern auch aus Pausen, und zwar aus ganz besonderen. Zum Druck bei der Arbeit zum Beispiel kam nämlich die Anspannung durch den niedrig gewordenen Nikotinspiegel. Ich zündete eine Zigarette an und tattaaa – beides fiel ab: die Belastung der Psyche und die Entzugserscheinung. Phantastisch. Und diese kostbaren Minuten gibt es jetzt nie mehr?

Doch. Ich unterbreche das, was mich gerade beschäftigt, auch weiterhin immer wieder. Sehe zum Fenster hinaus, (als Balkonraucher kriegt man ja einiges mit in der Nachbarschaft und man fragt sich, wie alles weitergeht), zupfe an Zimmerpflanzen herum, tu dies, tu das, setz mich wieder hin und arbeite weiter. Egal was es ist – es muss nur ablenken und man muss es ausgesprochen gerne tun. Sonst ist es ja keine richtige Pause.

Jetzt liegen acht Tage rauchfrei hinter mir und es fehlt nichts. Unglaublich.

1. August: Seit zwei Monaten frei!

Die Gier zu beherrschen, ist keine Kunst, wenn man ein paar Wochen lang nicht geraucht hat. Die Gier ist weg. Aber die Sucht nach sich-belohnen, sich-trösten, die Fünf gerade sein lassen – die schleicht viel langsamer aus. Fatal ist dann das, was viele Raucher kennen: „Ich habs geschafft Schluss zu machen damit. Eine einzige Zigarette ab und an schadet also nicht. Zum Beispiel jetzt?“

Das lohnt sich nicht, denn wer „Endlich Nichtraucher“ gelesen hat, weiß: der eigentliche Genuss ist nicht die Zigarette. Was richtig gut tut, ist das Lindern der Entzugserscheinungen seit der letzten Nikotinzufuhr. Da liegt der Schluss nahe, dass eine einzelne Zigarette dann gar nicht schmecken kann, was sich im Testfall auch immer bestätigt. Es ist allenfalls die dritte oder vierte, die den Erwartungen entspricht, wenn man also wieder drauf ist. Schnell genug geht das ja.

Man sucht besser nach anderen Quellen, sich etwas ganz Gutes zu tun, und – so doof es klingt – bei mir sind es die Radtouren ins Büro geworden. Täglich 10 km hin und 10 zurück. Es gibt so viel zu sehen und zu riechen und Gedankenanstöße, da hält keine Zigarette mit, und der Effekt hält eine ganze Weile vor.

Blöd nur, dass ich während des Tages nicht aussteigen kann. Da möcht ich schon manchmal davon radeln…

Fragen, die keine Antworten brauchen

Wie kann es sein, dass ich bei der Fahrt auf abschüssigem Weg manchmal in die Pedale getreten muss, während das Rad bergauf fast von selbst läuft? Richtig. Es kann nicht sein. Geht ja gar nicht. Es ist wohl so, dass unter bestimmten Bedingungen die Optik uns einen Streich spielt. Was aussieht, als gehe es leicht bergab, führt in Wirklichkeit leicht bergan und umgekehrt. Welche Merkmale zur Orientierung müssen fehlen, damit nicht unsere Augen erkennen, ob es rauf oder runter geht, sondern unsere Oberschenkel?

Außerdem bin ich noch nicht dahinter gekommen, woher an einer bestimmten Stelle meines Wegs zur Arbeit ein Duft strömt wie aus einem gewaltigen Blumenbouquet. Es stehen dort nur ein paar Bäume herum, und sie blühen nicht. Heute habe ich kurz angehalten. Es sind Linden, glaube ich, und im Laub verstecken sich kleine, grüne Fruchtstände. Oder sind das Blüten?

Nächste Frage: Warum erinnert mich ein bestimmter Luftzug an Wanderungen, die ich als 15jährige während eines Kuraufenthalts in Bayern unternahm? Ist es die feuchte Wärme wie in jenem verregneten Sommer? Der Geruch nasser Bäume? Oder der Wunsch, in diesem Augenblick hier sein zu wollen und nirgendwo anders, so wie damals?

Nur über solche Dinge denke ich nach, wenn ich morgens zur Arbeit radle und abends wieder heim. Und das ist sehr gut so.

Fünf Wochen!

Ich vermisse sie noch immer, die kleinen Aufheller. Auch wenn es beim Rauchen um nichts anderes geht als um das Lindern von Entzugserscheinungen, von einer Zigarette zur nächsten. Es ist ein Gift, es ist eine Sucht, es ist aber auch so, dass beliebig oft und auf ganz einfache Weise ein starkes (zugegeben selbstgeschaffenes) Bedürfnis befriedigt wird. Vergleichbar damit, zu enge Schuhe auszuziehen und zu spüren, wie der Schmerz in den Füßen nachlässt. Aber jedes Mal wieder beschert es – wenige Minuten lang – ein paar glückliche Aufschnaufer.

Nein, ich werde nicht rückfällig. Ich habe Endlich Nichtraucher gelesen. (Guter Tipp, Maria!) Raucher tun mir Leid, und ich bin gottfroh, keiner mehr sein zu müssen. Nur womit ich diese behaglichen kleinen Unterbrechungen ersetzen könnte, ist mir noch nicht eingefallen. Schwierig, wenn so Manches um einen herum viel Kraft braucht.

Seit zwei Wochen in Freiheit

Ich bin gut. Ich bin stark. Ich habe zwei Wochen lang nicht geraucht. Momentaner Zustand: Wenn andere qualmen, möchte ich ihnen die Zigaretten aus der Hand reißen und mir selbst eine anzünden. Aber das sind ja Fantasien. Tatsächlich schaue ich nur zu oder besser gesagt schnell weg. Nachdem ich mir die zu erwartenden Schäden durch Nikotin lange genug ausgemalt und mir das Rauchen daher immer wieder verboten habe, scheinen Menschen mit der Fluppe zwischen den Lippen in aller Öffentlichkeit ohnehin sonderbar. Als ob das nix wär. Dürfen die das? Um ehrlich zu sein – fast beneide ich sie ein bisschen, denn sie denken nicht so viel nach. Sie rauchen einfach. Was war es noch, weswegen ich aufgehört hab? Ich weiß nicht mehr genau, habe es aber aufgeschrieben und gleich werd ich den Notizzettel heraus kramen. Immerhin erinnere ich mich, dass eine Menge drauf stand.

Auf jeden Fall schaff ich Jogging und Radtouren deutlich besser als noch vor zwei Wochen, und ich bin nicht mehr so abgekämpft. Es wird mir also nicht gehen wie dem Mann, zu dem der Arzt sagt: Tut mir leid, aber wir müssen ihnen das Bein abnehmen. Antwortet der Mann: Gott sei Dank, ich dachte schon, sie wollten mir das Rauchen verbieten.

Pah! Sag ich da nur. Ein starker Raucher ist ein schwacher Mensch.