In einem Nachbarort kam es vor kurzem zu einem Unfall und der Verursacher machte sich davon. Was man feststellen konnte anhand von Lackresten und Glasscherben war, dass es sich um einen roten, älteren Toyota handelte. Nun fahre ich einen roten, älteren Toyota, und heute morgen rief die Polizei an. Sie wollten vorbeikommen und prüfen, ob es sich um das gesuchte Auto handelt, völlig harmlos also. Das Auto ist alt, aber unfallfrei. Doch so ganz harmlos war es dann nicht.
Ich legte auf und alles war wieder da. Der Anruf der Polizei, dass ich kommen solle, es gäbe etwas, das sie am Telefon nicht besprechen wollen. Wie ich nachfragte und bohrte und es dann erfuhr. Mein Sohn hatte einen schweren Autounfall gehabt. Alles war wieder da. Vielleicht nicht die Einzelheiten, aber das Gefühl dabei. Oder besser die Erstarrung. Als wäre es gerade eben geschehn.
„Wir wissen nichts Genaues“, hatte der Mann am andern Ende damals gesagt. „Er lebt aber, nicht wahr?“ Seine Verletzungen seien sehr schwer, war die Antwort gewesen, und ich könne die Polizeidienststelle in Biberach anrufen. Die wissen mehr. „Aber er lebt doch, nicht wahr?“ In Biberach sagte man mir, der Junge sei mit dem Hubschrauber nach Ulm geflogen worden. Ja, er lebe. Noch? Die Nummer der Klinik gab er mir auch. Seltsam. Dass ich minutenlang nicht gewusst hatte, ob mein Kind am Leben ist und ob er es bleiben wird, die Schockminuten, bis ich einen Arzt erreichen konnte – das hatte ich nicht mehr im Gedächtnis gehabt. Gibt’s sowas? Ich hatte es nicht mehr gewusst, und heute morgen war alles wieder da.
Ich saß an meinem Schreibtisch, mein Herz schlug wild, Tränen stiegen hoch. Ich wusste nicht was tun. Meine Kollegen schauten, niemand sagte etwas, ich wollte mit ihnen nicht darüber sprechen. Nur heulen. Das drückte ich weg, den ganzen Vormittag lang kämpfte ich dagegen an und verlor immer wieder.
Mittags rauchte ich eine Zigarette. Drei Wochen lang habe ich es geschafft, nicht zu rauchen, heute wieder schwach geworden. Blöderweise ging es mir danach besser.