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Kirchenkunst

Man muss schon suchen, um in der Kirchenkunst einigermaßen freundlich dreinblickende Heilige zu finden. Was ist das nur mit unserer christlichen Religion? Warum all die Qualen, der Schmerz, das Martyrium in den Darstellungen? Was macht es denn mit den Betrachterinnen und Betrachtern? Ich möchte das nicht sehen. Jesus wurde doch nicht mit dem Kreuz geboren, es gab dreißig Jahre davor. Davon hört man fast nichts. Ich will jedenfalls einen lachenden Jesus und Menschen, die ihm folgen und dabei ein Leuchten in den Augen haben. Ich will eine glückliche Maria mit ihrem Kind, einen lustigen Apostel, einen liebenden Gott.

In den asiatischen Religionen geht es doch auch, warum nicht bei uns?

Nachfolgend eine Auswahl aus dem Augustinermuseum in Freiburg, die ich nur empfehlen kann, schon aufgrund der spektakulären Propheten, die einst am Münster standen.

Karfreitag

So feiert man hier also Karfreitag: mit Prunk und Prozessionen, wie es nur Südeuropäer können. Wir stehen in einer Menschenmenge mitten im Herzen von Huelva in Andalusien, gaffen auf die geschmückten Balkons, die Heligenbilder und Blumen an den Hauswänden und auf die vermummten Gestalten, die im langen Büßergewand auf der abgesperrten Straße vor uns vorbeiziehen.

Wir hören monotone Trommelklänge, und nun kommt die Himmelsmutter langsam auf uns zu. Sie steht überlebensgroß auf einer mit Blumen und Kerzen überreich geschmückten Plattform, Schmerz zeichnet ihr überirdisch schönes Gesicht. Ich muss kämpfen, dass mir nicht die Tränen kommen.

Im monotonen Takt der Trommeln wird die reich verzierte Madonna von gut dreißig Männern unter ihr im Synchronschritt auf den Schultern getragen. Dadurch wippt sie leicht hin und her, und wenn man sich den Unterbau wegdenkt, dann sieht es tatsächlich aus, als würde sie selbst gehen. Aber das kann sie natürlich nicht. Trotz all ihrer Herrlichkeit muss sie von Menschen getragen werden, damit sie sich bewegen kann. Und so ist es mit dem Glauben ja irgendwie auch.

Der riesigen Sänfte mit der Heiligenfigur folgt eine Musikkapelle mit Trommlern und Trompetern. Sie spielen Lieder, aus denen man die andalusische Seele heraushört – mal melancholisch, mal leidenschaftlich, wie beim Flamenco.

Die Konstruktion mit der Statue wird nun direkt vor unseren Augen abgesenkt, die Träger bekommen eine Pause von einigen Minuten. Ihre Last ist tonnenschwer, und sie tragen sie auf Nacken und Schultern stundenlang über etliche Kilometer hinweg von der Kirche durch die Altstadt und wieder zurück. Dafür trainieren sie monatelang, und sie werden Schmerzen und Blutergüsse davontragen. Dabeisein zu dürfen, ist ihnen trotzdem eine große Ehre, obwohl sie hinter den rotgoldenen Brokatvorhängen am Wagen nichts sehen und nicht gesehen werden. Sie werden von den vorausschreitenden Anführern geleitet.

Der Zug kommt wegen der häufig notwendigen Unterbrechnungen nur langsam voran, aber irgendwann erscheint die nächste Gruppe an Büßern und Ministranten, die nächste Heiligenfigur – diesmal eine monumentale Kreuzigungsszene – und wieder eine Musikkapelle mit Trommeln und Trompeten.

Huelva-Karfreitag

Später steht plötzlich ein Mann vor dem Wagen und singt voller Leidenschaft ein Flamenco-Lied, allein, mit einer Stimme, die weit zu hören ist.

Der Sänger ist der Mann mit dem weißen Hemd direkt vor dem Wagen.

Den ganzen Abend und wahrscheinlich die ganze Nacht werden in vielen Städten des Landes jeweils mehrere Prozessionen mit solch kostbaren Altären durch die Straßen getragen. Die Zuschauer scheinen nicht so ergriffen wir ich. Sie schauen zu, unterhalten sich, klatschen, überqueren die Straße, reden mit Teilnehmern aus dem Zug, zeigen sich. Touristen sehen wir fast gar keine, es sind vor allem Spanierinnen und Spanier, die hier den Tod und das Leben von Jesus Christus feiern. Die ganze Karwoche hindurch gibt es alle Arten von kirchlichen Veranstaltungen.

Mehr darüber:

http://www.andalusien360.de/events/semana-santa

http://www.ciao.de/Alles_mit_S__Test_2912306

 

Überflüssiges

Die letzten Tage waren übertrieben schön: Ich konnte nicht nur essen, was ich wollte, sondern auch soviel ich wollte. Ich konnte jeden Abend ein Glas Wein trinken oder zwei, ich konnte viele Stunden lang am Klapprechner hocken, jeden Tag, jede freie Minute. Das hat Spaß gemacht – aber nur weil ich wusste: Bald ist es aus damit. Fastenzeit.

In diesem Jahr will ich 40 Tage lang

1. keinen Alkohol
2. nix Süßes
3. höchstens zwei Stunden Internet am Feierabend

Kann ja nicht so schwer sein. Bei Schwächeanfällen werde ich an Menschen denken, die ganz andere Probleme haben als ich hier. Ist das der richtige Ansatz? Wird es gelingen? Sicher bin ich mir nicht, aber versuchen werde ich es. Ich will wieder wissen, was ich wirklich brauche und was nicht. Ich will ein Leben in Fülle, nicht im Überfluss.

Und ihr? Macht ihr auch eine Fastenzeit? Worauf wollt ihr verzichten?

 

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Frohe Weihnachten!

So unterschiedlich Menschen und Kulturen sind, so unterschiedlich sind ihre Götter: Jesus, Jahwe, Allah, Buddha, Sonnen- und Regengötter, aktuell  beten Menschen gar zum Universum, unverbindlich und ohne Regeln, ein Plug&Play-Gott sozusagen. Für jeden ist also etwas dabei, damit wir keine  Angst haben und unser Leben vertrauensvoll in eine andere Hand legen können. Gemeint ist wohl immer dieselbe erhabene, mächtige, göttliche Kraft. Man kann sich ja schwer vorstellen, dass ein Gott am jüngsten Tag zum Beispiel auf die Christen zeigt und ruft: „Bingo! Ihr habt gewonnen, euer Gott ist der einzige, den es tatsächlich gibt!“ und der Rest müsste draußen bleiben, wenn es um die Sitzverteilung im nächsten Leben geht.

Ich glaube nicht an Gott als allmächtigen Vater, und ich rufe keine kosmischen Kräfte herbei. Ich spüre aber das Göttliche, das unsere Existenz ermöglicht und erleuchtet. Es ist in mir drin, und zwar immer dann, wenn ich andere liebe, ermutige, zum Lachen bringe, nicht hängen lasse. Immer dann beginnt etwas zu leuchten. Deshalb steht mir die altmodische Botschaft von Jesus am nächsten, sein Gesetz der Nächstenliebe ist auch meins.

So feiere ich heute Weihnachten, das Fest der Liebe. Ich feiere das Geben und Empfangen, das die Menschen leben lässt und glücklich macht.

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Euch allen wünsche ich ein frohes Weihnachtsfest,
erholsame Feiertage und
schöne Stunden mit euren Lieben.

 

Glaubenssache

Letzte Woche in Liverpool: Beim Empfang nach der Trauerfeier für meine Schwiegermutter sitze ich eine Weile neben einer sympathischen jungen Londonerin. Sie ist indischer Abstammung und fährt noch am Abend zurück, denn heute sei der wichtigste Tag des Durga-Puja-Fests. Dabei feiert man neun Tage lang den Sieg der Göttin Durga über einen Büffel-Dämon. Wenn ich es richtig verstanden habe, trifft man sich abends zu traditionellen Tänzen und das Ganze ist eine große Party. Die junge Frau ist Hindu, und in ihrer Religion gebe es ständig Partys, sagt sie lachend.

Ich erfahre auch von einem kleinen Schrein bei ihr zu Hause mit verschiedenen Gottheiten, die täglich verehrt werden sollen. Dazu wiederholt man für jeden Gott ein bestimmtes Mantra. Sie mache das nicht jeden Tag, sagt sie, aber so oft wie möglich. Es sei eine wertvolle Inspiration für den Alltag. So geht Religion also in anderen Kulturen. Fast möchte man zu dieser bunten, lebensbejahenden und spirituellen Weltanschauung konvertieren.

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Aber: Frauen stehen im Hinduismus weit unten in der Wertskala. Um aus dem Kreislauf der Wiedergeburten erlöst zu werden, müssen sie erst als Männer wiedergeboren werden. Bis dahin ist es ihre vornehmliche Aufgabe, dem Ehegatten zu dienen. Durch diese Geringschätzung werden Frauen in Indien noch heute viel zu oft unterdrückt, vergewaltigt und ermordet.

Also werd ich doch keine Hindu. Mit der christlichen Nächstenliebe und ohne viel Kirchen-Kladderadatsch lebt es sich nämlich auch sehr gut. Selbst als Frau.

Der Klogott

„Du sollst keine fremden Götter neben mir haben.“ Ich nehme dieses Gebot ernst, und wenn das alle täten, hätten wir ein paar Probleme weniger – denken wir nur an den gottgleichen Status von Geld, Macht, Alkohol, Computerspiele, Smartphones usw.

Dieser Überzeugung zum Trotz habe ich dennoch einen Klogott. Ich bete ihn natürlich nicht an und er ist auch kein richtiger Gott. Ich nenne ihn nur so, weil er eben aussieht wie einer oder wenigstens wie ein Schutzpatron für Toilettengänger. Vor Jahren trug ich den kleinen tönernen Kerl von einem Trödelmarkt nach Hause und er hätte auch als Geldscheißersymbol Karriere machen können. Aber mir schien, als ob das nicht seine Bestimmung war: er wollte aufs Klo. Seitdem wacht er auf dem Fenstersims im Badezimmer und wir bringen ihm regelmäßig Opfer in Nougatform. Nicht dass sein Anblick auf die Endphase unserer Verdauungsprozesse Einfluss  hätte – ich hab ihn einfach nur gern und denke, der liebe Gott verzeiht mir das.

 

Klogott

Subhapaetum!*

Bei einem Hochzeitspaar aus Sri Lanka erwartet man bei der Feier vielleicht nicht gleich eine im Sarong erscheinende Braut, die mit wackelndem Kopf und Glöckchenrasseln zu tanzen beginnt. Aber ein bisschen exotisch stellte ich mir das Fest schon vor, und das wurde es auch – allerdings anders als gedacht.

Vor kurzem durfte also die langjährige Verlobte eines Freundes von uns endlich nach Deutschland einreisen, und sofort wurde die Heirat geplant, bevor das Visum abläuft. Beide sind gläubige Christen, sodass heute kein Brahmane heilige Verse auf Sanskrit aufsagt, sondern die Trauung in einer normalen katholischen Kirche stattfindet.

Zunächst fällt mir auf, wie kräftig alle Hochzeitsgäste – selbst die jungen – bei den Liedern mitsingen. Im Gegensatz zu mir kennt sie offenbar jeder. Ein etwa 25jähriger Mann, der fürs Fotografieren zuständig ist und meist im Hauptgang in meiner Nähe steht, kennt sämtliche Texte und Gebete auswendig. Bei der Wandlung knien alle nieder, und kniend nehmen die meisten auch die heilige Kommunion entgegen. Manche lassen sich gar die Hostie auf die Zunge legen. Ich stoße den geliebten Briten an und wispere: „Ich glaub das ist hier eine Sekte.“

Bei der anschließenden Feier habe ich eine Mission: Was geht hier vor? Ich beginne mit einer Frau am Buffet und komme schnell zur Sache. „Welcher Glaubensrichtung gehören die Menschen hier eigentlich an? Ich kannte die Lieder nicht.“ Sie lacht amüsiert. „Die Lieder stehen alle im Gotteslob, und wir sind eine Gruppe von ganz normalen Katholiken aus verschiedenen Gemeinden. Einmal in der Woche treffen wir uns zum Gebetskreis, daher kennen wir den Bräutigam und nun auch seine schöne Frau.“

Gebetskreis? Mit jungen Leuten?

Das Essen beginnt, der Bräutigam erhebt sich, die Gespräche verstummen. Doch statt einer Ansprache kommt nun ein Tischgebet. Wann habe ich das zum letzten Mal gehört? Ich weiß nicht einmal mehr den Text, aber die Idee berührt mich. Als er fertig ist, erfüllt sich der Raum mit Reden und Lachen und Porzellangeklapper.

Es gelingt mir nicht, diese Frömmigkeit einzuordnen, und nach dem ersten Glas Wein spreche ich den sympathischen jungen Fotografen an. Was bringt ihn in einen Gebetskreis? Er lacht und erzählt von seinem religiösen Elternhaus, dass er jahrelang bei den Pfadfindern gewesen sei und heute begeistere ihn der Katechismus: „Darin stehen so viele Antworten auf meine Fragen.“ Seine Augen leuchten. Er habe jeden Tag das Bedürfnis, sich wenigstens eine halbe Stunde lang ganz auf Gott einzulassen. Der Gebetskreis ist nur eine der Möglichkeiten, das zu tun.

Nach dem zweiten Glas Wein frage ich einen Mann um die Dreißig. In seiner Familie sei nicht mehr und nicht weniger gebetet worden als in den meisten Familien, gibt er bereitwillig Auskunft, und dass er lange im Fußballverein war. Mit der Zeit habe er sich aber eine tiefergehende Gemeinschaft gewünscht und er fing an, sich Gedanken zu machen, auch über Religion. „Durch Zufall oder Gottes Fügung lernte ich Christen kennen, die ihrem Glauben Leben gaben. Da zog es mich hin.“ Inzwischen studiert er Theologie und will Priester werden. Das wöchentliche gemeinsame Beten im kleinen Kreis sei persönlicher als der Gottesdienst und für ihn eine schöne Ergänzung.

Dass unser Freund, der Bräutigam, zu einem Gebetskreis gehört, weiß ich erst seit heute. Er fühle sich in der Liebe Gottes geborgen, schwärmt er mit großen Augen und starkem singhalesichen Akzent. Es sei für ihn selbstverständlich, Gott im Gebet zu begegnen und man habe ihn hier mit offenen Armen aufgenommen. Dadurch sei es noch schöner, wie in einer Familie. Als Ausländer habe er sich nie gefühlt, obwohl er am Anfang kaum Deutsch konnte.

Einige der jungen Leute setzen sich später mit Gitarre und Violine hin und machen Musik, die Gäste unterhalten sich, Kinder spielen auf dem Boden. Die Stimmung ist fröhlich und ungezwungen. Das Brautpaar stellt sich auf und lässt sich geduldig nacheinander mit allen Gästen fotografieren. Etwa vierzig Menschen sind zu ihrem Fest gekommen, aber niemand aus der fernen Heimat des Brautpaares. Die Ausreise war entweder unmöglich oder aus politischen Gründen riskant. Den ganzen Tag über läuft immer wieder eine Videokamera und zeichnet auf.

Fromme Menschen gibt es also auch in Deutschland, und in jedem Alter. Darüber muss ich nachdenken.

 

Wedding (2)
Wedding (1)

 

Subhapaetum, singhalesisch = Glückwunsch

Auf Ostern

von Notker dem Stammler

Dem aus Grabesnacht
Auferstandnen Heiland huldigt die Natur:
Blum und Saatgefild
Sind erwacht zu neuem Leben;
Der Vögel Chor
Nach des Winters Rauhreif singt sein Jubellied.
Heller strahlen nun
Mond und Sonne, die des Heilands Tod verstört,
Und im frischen Grün
Preist die Erde den Erstandnen,
Die, als er starb,
Dumpf erbebend ihrem Einsturz nahe schien.

(aus dem Lateinischen von Paul von Winterfeld)

 

Man mag an Gott und die Auferstehung und all das glauben oder nicht.
Ein tröstlicher Gedanke ist es allemal.

Notker I. von St. Gallen, aufgrund einer leichten Sprachbehinderung durch einen Zahnfehler auch Notker Balbulus oder Notker der Stammler genannt, war ein bedeutender Gelehrter und Dichter. Er wurde um 840 in der Gegend von Toggenburg geboren und starb  912 in St. Gallen. Sein Gedenktag ist der 6. April.

Abb.: (c) Sylvia W.

Rätselcamp IV

Die Sonne schaut in das offene „Jesus liebt dich“-Zelt in der Mitte des Platzes. In seinem Innern steht auf einer kleinen Bühne eine junge Frau, sie hält ein Mikrofon vors Gesicht und singt von der Kraft durch Jesus. Nach dem Lied tritt ein Mann vor und spricht zu den Leuten. Auf weißen Plastikstühlen sitzen sie locker verstreut, andere stehen oder gehen herum. Ein paar Zuschauer haben sich an der Seite des Zelts versammelt und hören von dort der energischen Stimme aus dem Lautsprecher zu. Weiter hinten spielen kleine Buben Fußball.

Die Menschen hier sind – dem Aussehen nach – Roma. Von überall her sind sie angereist, man sieht es an den Kennzeichen der Autos und Wohnanhänger: Niederlande, Frankreich, Österreich, Italien. Auch ein schwarzer Porsche parkt unter ihnen.

Wir stehen abseits im Schatten eines Baumes und versuchen zu erraten, was es mit all dem auf sich hat. Da kommt von dort eine Frau auf uns zu, eine Spaziergängerin, wie mir scheint. Ich spreche sie an und wir erfahren: In dem Zelt findet eine Taufe statt. Doch kein Säugling wird über das Weihwasser-Becken gehalten – fünf Erwachsene erhalten den göttlichen Segen. Evangelisten seien augenscheinlich mit der Aufnahme neuer Mitglieder beschäftigt. Als man sie habe einladen wollen zum Mitfeiern, sei sie schnell weggegangen, berichtet die Frau und lacht.

Ein Volk, das seit Jahrhunderten frei und unabhängig lebt. Roma in einer Sekte? Sind selbst sie nicht sicher? Welche Machtmittel benutzen solche Organisationen?