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Schlüsselerlebnis II – Surreal

Ich habe meinen Büroschlüssel verloren. Heute Morgen habe ich mit ihm das Büro aufgeschlossen, ich habe den Raum nicht verlassen und nun, als ich gehen und abschließen will, ist der Schlüssel weg. Ich leere meine Handtasche – nichts. Ich leere sie ein zweites Mal, fasse jeden Gegenstand an – nichts. Ich suche den Schreibtisch ab, schaue in alle Schubladen, in die Schränke. Nichts. Ich frage meine Kollegen. Niemand hat ihn gesehen oder versehentlich mitgenommen. Wo ist der Schlüssel?

Ich setze mich hin und denke nach. In solchen Momenten kommt es mir vor, als sei die Welt womöglich nur Einbildung. Als befände ich mich gar nicht hier, sondern in einem bizarren Traum. Oder als wäre ich ein virtuelles Geschöpf, das als Mensch konzipiert wurde und ein Programmfehler sorgt nun dafür, dass alles auffliegt. Es kann ja nicht sein, dass ein Schlüssel einfach verschwindet, da stimmt doch was nicht.

Überhaupt ist in letzter Zeit einiges aus meinem Leben verschwunden. Vielleicht – sollte ich tatsächlich nur in digitaler Form existieren – ist es ein Virus. Das Backup funktioniert jedenfalls nicht, denn ich kann nichts wiederherstellen, so sehr ich es mir bei Manchem auch wünsche. Demnächst verschwindet noch meine Arbeitsstelle. Ich brauche also gar keinen Schlüssel mehr, im System war nur – oups – der Zeitablauf nicht präzise eingestellt. Vielleicht programmierte mich ein Praktikant.

Ich leere meine Tasche ein drittes Mal, halte den Schlüsselbund mit den Wohnungsschlüsseln hoch. Den stecke ich immer ins hintere Handtaschenfach, während der Büroschlüssel ins vordere gehört. Aber zwischen den Wohnungsschlüsseln entdecke ich nun den Anhänger des Büroschlüssels, eine magnetische Scheibe, und an ihr hängt der gesuchte Schlüssel. Ich hatte ihn wohl ins hintere statt ins vordere Fach geworfen, aber noch nie hat sich dabei der Magnet an andere Schlüssel geklebt.

Das Rätsel ist also gelöst, ich kehre in eine Welt zurück, in der alles seine Ordnung hat. Wenngleich es sich in diesen Tagen auch mit wiedergefundenem Schlüssel nicht so anfühlt.

 

Schlüssel

 
 
Zum Schlüsselerlebnis I (ewig her …)

Ausgeschlossen

Ich sitze am Schreibtisch, schiebe Elemente in einer Indesign-Datei hin und her, mein Handy fiept. Eine SMS vom geliebten Briten. „Stehe vor der Wohnungstür, Schlüssel drin. Muss aufs Klo.“ Damit es nicht zu einfach ist, findet in einer Stunde ein wichtiger Termin statt, bei dem er anwesend sein muss und die Unterlagen dazu liegen im Arbeitszimmer.

Ich rufe meinen Sohn an. Er hat einen Schlüssel und ist zum Glück diese Woche bei seinem Vater, nur eine Straße weiter. Am Telefon teilt er mir jedoch mit, dass er gerade nach Stuttgart zurückgefahren ist. Und damit nicht genug.

Als der Sohn in Stuttgart seine Wohnungstür öffnen will, stellt er fest, dass er den Schlüssel bei seinem Vater vergessen hat.

Der geliebte Brite hat immerhin noch den Autoschlüssel, sodass er zu meiner Arbeitsstelle kommen und meinen Schlüssel holen kann. Toiletten haben wir hier auch. Der Sohn dagegen braucht den Schlüsseldienst. Und beides ereignete sich heute morgen, zwischen zehn und elf.

Kann das noch Zufall sein?

Schlüsselerlebnis

Sie helfen schon, die Tablettchen. Anders ist es nicht zu erklären, dass ich heute Nacht nicht in Tränen ausbrach, als wir nach einem netten Abend mit Bekannten vor der verschlossenen Wohnungstür standen und nicht hinein konnten. Der Zweitschlüssel steckte von innen, ich hatte vergessen ihn abzuziehn, und nun konnten wir abschrauben und herumdrehen, was wir wollten, die Tür blieb zu. Schließlich wussten wir uns nicht anders zu helfen, als das Türfenster einzuschlagen. Nachts um eins. Ich zitterte und hielt mir die Ohren zu, so dröhnte es durchs Treppenhaus. Nachbarn wurden wach, Hunde kläfften, und die Glasscheibe brach nicht.

 Wir setzten uns auf die kalte Steintreppe und überlegten müde, was wir tun könnten. Unsere Mobiltelefone lagen beide in der Wohnung. Es blieb uns nichts übrig, als zu meiner Tochter zu fahren, die bei ihrem Freund übernachtete. Im Nachtzeug und mit wirrem Haar stand sie erschrocken in der Tür, als wir sie aus dem Bett geklingelt hatten. Wir traten in die kleine Wohnung, setzten uns auf das zerwühlte Bett und suchten aufgeregt nach Telefonnummern von Not-Schlüsseldiensten im Internet.

Dann fuhren wir zurück und warteten bzw. dösten im Auto über eine Stunde lang. Die Straße war völlig verlassen, nur einmal alberten ein paar junge Leute bei laufendem Motor ihres Wagens herum, sonst war es still. Die Straßenbeleuchtung schien ins Auto, ich konnte nicht schlafen. Um drei Uhr etwa kam der Mann endlich. Bis er die Tür offen hatte, dauerte es noch einmal eine halbe Stunde. „Neue Türen öffne ich in einer Minute,“ meinte er, „aber alte wie diese hier – Mann, die sind stabil!“ Ich zahlte 320 EUR.

Erschöpft und doch aufgewühlt lagen wir um kurz nach vier im Bett und ich dachte daran, wie wir in der Nacht zum 1. Juni etwa um dieselbe Zeit ins Bett gefallen waren. Da waren wir aus der Klinik in Ulm zurück gekehrt, wo mein schwer verletztes Kind lag. Was ist dagegen eine halbe Nacht ausgesperrt sein, dachte ich. Was sind 320 EUR? Es ist nichts. Einfach gar nichts.