Es ist nicht so, dass ich auf alles eine Antwort haben muss. Es ist nur so, dass mich ungelöste Phänomene nicht loslassen. Heute zum Beispiel beschäftigte mich die Frage, warum die Spinnenbabys auf dem Balkon gestern Abend noch friedlich zusammengeknödelt an einem Zweiglein hingen, und heute Morgen waren sie woanders. Sie sind mindestens 30 cm weitergezogen, für ein knapp 1 mm großes Spinnenbaby ein langer Weg. Wieso machen sie das? Und wie finden sie wieder zusammen?
Nicht dass es in meinem Leben nichts anderes gäbe, was mich beschäftigt, das gibt es wohl. Vielleicht ist es gerade deshalb so attraktiv, mir über die Kinderstube einer kleinen Spinnenstaffel den Kopf zu zerbrechen. Es ist so angenehm unwichtig, und doch auch ein wenig aufregend – gerade recht, um auf andere Gedanken zu kommen.
Damit ich heute Nacht aber schlafen kann, habe ich mir folgende Lösungen ausgedacht:
Sie machen das, weil ich zu oft mit einem Stöckchen an ihrem Kokon gezupft habe (es ist zu lustig, wenn dann alle auseinanderrennen). Es ging ihnen auf die Nerven.
Der Umzug erfolgt so, dass ein Spinnlein einen kleinen Faden produziert und sich vom Wind ein Stück forttragen lässt, zum Beispiel zwei Blätter weiter. Dort wird geankert, und es produziert wieder ein Fädchen und lässt sich wieder ein Stück weitertragen. Das macht es so lange, bis es einen Platz ohne stöckchenschwingende Frauen mittleren Alters gefunden zu haben glaubt. Die andern krabbeln einfach an den Fäden entlang hinterher bis zum neuen Parkplatz, schon ist die Umsiedlung abgeschlossen.
So entstand der Begriff „Leitfaden“.
Und ich verspreche: ich lass die Krabbelbabys jetzt in Ruhe.
Wo der Pfeil ist, waren sie vorher! (Das Blatt ist zwecks besserer Aufnahmetechnik nach unten gebogen)