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Schicksal

Wenn man eine Wohnung auflösen muss, findet man viele Habseligkeiten, die eine Entscheidung notwendig machen. Behalten? Fortwerfen? Ebay 3-2-1 deins? Eine halbe Socke zum Beispiel. Was tut man damit? Das erste Bündchen ist gestrickt, dann wurden die Finger meiner Mutter zu kraftlos. Oder sie verlor am letzten Zeitvertreib, den sie noch pflegen konnte, einfach die Lust.

Ich hätte diese Wolle nicht ausgesucht: mehrfarbig in Rot und Braun, vielleicht hat eine Freundin sie ihr mitgebracht. Ich gebe die halbe Socke trotzdem nicht in den Müll, sondern stecke sie gedankenverloren in einen Korb mit anderem Kram. Zu Hause liegt sie dann eine Weile herum, weil ich noch unschlüssig bin, was ihr Schicksal betrifft. Eines Abends aber setze ich mich hin und stricke sie weiter.

Das Muster sieht nicht mal schlecht aus, nur die Ferse kriege ich wieder nicht richtig hin. Meine Mutter beherrschte es perfekt, sie hätte mir mal zeigen sollen, wie das geht. Strickanleitungen aus Magazinen kapiere ich nämlich nicht. Ich hätte auch fragen können. Aber man meint ja immer, das hat Zeit.

Wenn die Socken fertig sind, bringe ich sie ihr ins Pflegeheim.

 

Socke (l)

 

Sock‘n Woll

Ich habe drei Socken gestrickt. Die Tochter klagte über kalte Füße im Bett, und obwohl der Abschluss einer besessenen Sockenstrickphase 25 Jahre her ist,  überfiel mich spontan die Lust, es wieder zu versuchen. Etwas Einfaches wollte ich tun. Etwas, das hübsch aussieht und Freude macht, etwas Befriedigendes eben. Und mit dem Sockenstricken ist es ja wie mit dem Fahrradfahren: Man verlernt es nie.
Dachte ich.

Wenn ich etwas tue, dann ordentlich, sagte ich mir, auch wenns länger dauert. Deshalb trennte ich den Bund wieder auf, weil er zu weit geworden war.  Dann brauchte die Ferse drei Versuche, um nicht auszusehen wie eine Pappnase oder als leide die Socke an Beulenpest. Der Fuß dagegen gelang mühelos (man strickt nur geradeaus), aber die Fußspitze glich einem mittelalterlichen Schnabelschuh. Auftrennen und nochmal.

Die erste Socke war also wie zwei Socken stricken, die dritte (physisch die zweite) lief wie geschmiert. Bei der Anprobe stellte sich aber heraus, dass die Fersen zurechtgezupft werden müssen, damit sie nicht schief sitzen. Mir unerklärlich. Auch die aufgenähten Häkelblümchen könnten gleichmäßiger sein. Aber ich wollte jetzt fertig sein, stickte noch ein paar Perlchen an und gut.

„Ich mag Dinge mit Ungereimtheiten“, rief meine Tochter, als sie das pinkfarbene Sockenwunder in den Händen hielt. Vielleicht sagte sie das nur. Aber die Socken sehen witzig aus und fürs Bett sind sie wohl gut genug. Für eine einfache, befriedigende Tätigkeit werde ich mir dennoch etwas anderes suchen. Vielleicht ein Schal.